Lampertheim. Das angekündigte Telefonat mit seinem langjährigen Torwarttrainer Gerry Ehrmann hat Marius Müller mittlerweile geführt. „Ich habe ihn zurückgerufen“, berichtet der Torwart von Schalke 04 im Gespräch mit dieser Redaktion. Ehrmann, der Müller einst beim 1. FC Kaiserslautern zum Profikeeper formte, gilt als beinharter Perfektionist alter Schule. Zu Müllers Überraschung „hatte er wirklich wenig auszusetzen“, meint der 30-jährige Lampertheimer. „Er hat mir gesagt, ich soll am besten so weitermachen“, berichtet er - und schmunzelt: „Wenn der Gerry nichts zu meckern hat, bin ich schon mal sehr glücklich.“
Dass sich selbst sein großer Mentor mit Kritik zurückhielt, darf Müller als verdienten Ritterschlag deuten. Zwei Spieltage in der 2. Bundesliga genügten dem Schalker Zugang, um die Fans des Bundesliga-Absteigers von seinen Fähigkeiten zu überzeugen. Bei der 3:5-Niederlage beim Hamburger SV zum Saisonauftakt verhinderte der Südhesse mit mehreren Glanzparaden eine frühere Entscheidung. Beim 3:0-Sieg gegen „seinen“ FCK durfte sich „Mülli“ am vergangenen Samstag erstmals in der fast ausverkauften Schalker Arena beweisen.
Seine ersten Pflichtspiele für die Königsblauen ordnet Müller mit dem Selbstverständnis eines Mannes ein, auf den Fußball-Deutschland erst jetzt richtig aufmerksam wird, der aber genau weiß, welcher Weg hinter ihm liegt. „Das ist für mich nichts Außergewöhnliches gewesen. Solche Spiele wie in Hamburg, in denen viel aufs Tor geflogen ist und ich mich auszeichnen konnte, waren gang und gäbe, wenn ich mit dem FC Luzern gegen Basel oder Bern gespielt habe“, betont Müller: „Ich weiß, was ich kann, und bin froh, es gerade auf dem Platz zu zeigen.“
Viel Lob in der Schweiz
In vier Spielzeiten in Luzern holte sich der Keeper den letzten Schliff. Nach der berüchtigten „Gerry-Ehrmann-Schule“, aus der schon die DFB-Torhüter Roman Weidenfeller, Kevin Trapp und Tim Wiese hervorgingen, lernte Müller eine weitere, „extrem saubere, technische Torwartschule“ kennen, wie er erklärt. „Es gibt nicht umsonst so viele gute Schweizer Torhüter europaweit“, findet der dreimalige U-20-Nationalkeeper: „Gerade was das Positionsspiel und die Klarheit in der Entscheidungsfindung angeht, habe ich mich dort deutlich verbessert.“
Insgesamt 120 Einsätze in der Schweizer Super League, der für Luzern historische Pokalsieg 2021 und Müllers Entwicklung hin zum Führungsspieler und Publikumsliebling blieben in der Heimat indes weitgehend unbemerkt. Genauso wie die Tatsache, dass die Schweizer Sportpresse Müller regelmäßig mit Lob überschüttete. „Ein Vulkan wie einst Oliver Kahn“, titelte etwa die „Neue Zürcher Zeitung“.
Müller machen solche Vergleiche stolz: „So etwas beziehe ich auf Eigenschaften wie Mentalität, Wille, Leidenschaft und harte Arbeit, die auch mich ausmachen.“ Zum Selbstläufer wurde die Rückkehr nach Deutschland dadurch trotzdem nicht. „Das ist alles unter dem Radar gelaufen“, stellt er fest: „Die Reaktionen im Verein, aber auch von außen zeigen mir gerade, dass mich vorher nur sehr wenige auf dem Schirm hatten. Viele haben mich gefragt: Junge, wo kommst du auf einmal her?“
Zwei, drei Optionen in der Bundesliga habe er gehabt. „Aber als wirklich klare Nummer zwei“, erzählt Müller, der einst als E-Junior vom TV Lampertheim nach Kaiserslautern ging. Die Rolle als „1B-Torwart“ hinter Ralf Fährmann sprach ihn da schon mehr an. „Als die Gespräche losgingen, war gar nicht klar, ob Schalke 1. oder 2. Liga spielen würde“, berichtet der 1,92-Meter-Mann, der sofort Feuer und Flamme für die Königsblauen war: „Ich habe gesagt, dass ich mir das bei einem Verein in der Größenordnung, mit dieser Wucht, dieser Tradition vorstellen kann - um dann, wenn der Tag X kommt, meine Chance zu nutzen.“
Tag X kam schneller als gedacht. Fährmann zog sich einen Muskelfaserriss zu. Erst vor kurzem stieg der 34-Jährige wieder ins Training ein. Müller zog die Vorbereitung unter Trainer Thomas Reis indes durch - und am 1A-Konkurrenten vorbei. „Wir alle im Torhüterteam versuchen, jeden Tag ein bisschen besser zu sein“, merkt der Südhesse selbstbewusst an: „Am Ende des Tages entscheidet der Trainer, wer spielt.“
Müller weiß, dass die Rolle des Stammtorwarts auf Schalke zu den wackligsten Posten im deutschen Fußball gehört. Seit Manuel Neuers Wechsel zu Bayern München 2011 gelang es mit Fährmann und Alexander Nübel nur zwei Torhütern, sich über einen längeren Zeitraum als Nummer eins zu etablieren.
Müller formuliert es als „Anspruch“ an sich selbst, genau das auch zu schaffen. „Ich möchte auf der Position dem Verein und den Fans Sicherheit verleihen. Wenn am Ende gar nicht über den Torwart gesprochen wird, haben wir unseren Job goldrichtig gemacht“, führt der 30-Jährige aus.
Auch Ehrmann riet zu Schalke
Vor der „Wucht“ des Schalker Publikums, auf die er immer wieder zu sprechen kommt („Das unterschätzt man total“), hat Müller keine Angst. Im Gegenteil. „Mir spielt da in die Karten, dass ich in Kaiserslautern groß geworden bin. Da habe ich in jungen Jahren gelernt, mit einem unruhigen und emotionalen Publikum umzugehen“, sagt Müller, der sich schon jetzt beim Revierclub „richtig angekommen“ fühlt: „Das spiegelt meine ersten Schritte im Profi-Business total wider - außer, dass das hier noch mal drei, vier Nummern größer ist. Ich passe hier sehr gut rein.“
In der Heimpartie gegen den FCK bekam Müller ein Gespür dafür, was es heißt, auf Schalke zu spielen. „Wir sind zwei Mann mehr, führen 2:0 - und das Publikum wird auf einmal total unruhig, weil: Du hast doppelte Überzahl, da erwartet man das 3:0, das 4:0“, macht er deutlich: „Ich glaube schon, dass es Spielern schwerfallen kann, wenn du das nicht kennst.“
Vor seinem Wechsel nach Gelsenkirchen fragte Müller auch Ehrmann nach seiner Meinung. „Er hat mir gesagt: Junge, mach’s sofort“, verrät der Lampertheimer, der zwischen 2012 und 2018 auf 72 Zweitligapartien für den FCK kam - und von 2016 bis 2019 bei RB Leipzig unter Vertrag stand.
Sein großer Traum steht aber noch aus. „Ich möchte mein großes Ziel, ein Bundesliga-Spiel zu machen, noch mal schaffen - und ich glaube, dass ich jetzt bei einem Club bin, der das Potenzial hat, wieder hochzugehen. Das ist kein Zweitligaverein“, so Müller, der den direkten Wiederaufstieg mit Schalke anpeilt: „Wenn ich meinen Teil dazu beitragen und in der Hütte stehen kann, kann ich das endlich mal abhaken.“ Macht „Mülli“ so weiter wie bisher, wird es wohl nicht nur bei einem Bundesliga-Einsatz bleiben.
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