Handball

Das erwartet Löwen-Kapitän Groetzki von der neuen Saison

Patrick Groetzki ist ein Urgestein der Löwen. Im Interview blick der 34-Jährige zurück und voraus. Außerdem warnt er vor einem Jugendwahn in der Handball-Nationalmannschaft

Von 
Marc Stevermüer
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Ein Anführer auf und neben dem Platz: Löwen-Kapitän Patrick Groetzki. © Max Krause

Mannheim. Patrick, Sie bestreiten gerade Ihre 17. Saisonvorbereitung mit den Löwen. Gibt es für Sie bei den Konditionseinheiten mittlerweile eine Art Mengenrabatt für gelaufene Kilometer?

Patrick Groetzki (lacht): Leider nicht, ich muss immer noch das gleiche Pensum absolvieren.

Das scheint Ihnen nichts auszumachen. Traditionell gehören Sie zu den Topläufern im Team. Haben Sie in der freien Zeit keine Lust auf Urlaub?

Groetzki: Doch, doch. Ich habe mir diesen Sommer auch eineinhalb Wochen Ruhe gegönnt. Aber dann war es wie immer. Ich bekomme ein schlechtes Gewissen, sogar ein wenig Panik, weil es bald wieder losgeht…und dann laufe ich eben los. Es ist auch einfach mein Ziel, jedes Mal fit zum Trainingsauftakt zu erscheinen.

Sie leben mit Ihrer Familie in einem neuen Zuhause. Was ist nervenaufreibender: Ein Hausumbau oder ein Pokalfinale?

Groetzki (lacht): Punktuell ein Pokalfinale. Aber solch ein Hausumbau, der ist nicht zu unterschätzen. Der zieht sich. Die vielen Entscheidungen, die man treffen muss. Die vielen Diskussionen und dann noch die Dinge, die nicht wie gewünscht laufen… das zehrt an den Kräften.

So wie die vorangegangenen 16 Jahre bei den Löwen?

Groetzki: Es hört sich länger an, als es sich anfühlt. Aber wenn ich in die Kabine schaue, sehe ich, was los ist.

Wie meinen Sie das?

Groetzki: Es gibt noch ein paar Verbündete, wenn ich das mit Blick auf mein Alter (34 Jahre, Anmerkung der Redaktion) mal so nennen darf. Aber weil Uwe Gensheimer (36 Jahre: Anm. d. Red,) verletzt ist, bin ich momentan sogar der älteste Spieler im Kader. Meiner Meinung nach ist es aber noch nicht so lange her, dass ich zu den Jüngeren gehört habe. Zumindest fühlt sich das so an. Anhand der Altersstruktur wird mir nun allerdings bewusst, wie viel Zeit vergangen ist.

Wie hat sich in all diesen Jahren der Club verändert?

Groetzki: Ich habe meinen ersten Vertrag noch in der Geschäftsstelle in Östringen unterschrieben. Oder besser gesagt: Mein Papa hat das gemacht, ich war erst 17 Jahre alt. Danach ist der Verein mit seiner Geschäftsstelle nach Mannheim umgezogen und ich würde sagen, dass meine ersten Jahre bei den Löwen ein bisschen wild waren.

Rekordspieler Groetzki

  • Patrick Groetzki wurde am 4. Juli 1989 in Pforzheim geboren. Er ist verheiratet mit Jenny. Zusammen hat das Paar drei Kinder.
  • 2007 wechselte der Rechtsaußen von seinem Heimatverein SG Pforzheim/Eutingen zu den Löwen und verließ den Verein seitdem nie. Groetzki hat 496 Bundesligaspiele für die Mannheimer bestritten und ist damit der Rekordmann des Clubs.
  • Als einziger Spieler war er an allen Löwen-Titeln beteiligt: EHF-Cup (2013), Meister (2016, 2017), Pokalsieger (2018, 2023), Supercup (2016, 2017, 2018).
  • Groetzki bestritt bislang 169 Länderspiele.

Wild?

Groetzki: Ja. Der eine oder andere Spieler wurde recht schnell in die Geschäftsstelle zitiert, wenn er nicht die erhoffte Leistung gebracht hat. Gerade die besser bezahlten Jungs mussten dann antreten. Es folgte die turbulente Zeit mit Pandora (das Schmuckunternehmen steckte über den damaligen Löwen-Gesellschafter Jesper Nielsen riesige Summen in den Verein: Anm. d. Red.), in der ganz, ganz viele Transfers getätigt wurden. Erst als dieses Kapitel beendet war und mit Beginn der wirtschaftlichen Konsolidierung ab 2012 wurde der Aufbau einer Mannschaft deutlich strukturierter umgesetzt.

Was in den Meisterschaften 2016 und 2017 sowie im Pokalsieg 2018 gipfelte, ehe es wieder bergab ging und 2022 ein bislang sehr geglückter Neustart hingelegt wurde.

Groetzki: Es geht in die richtige Richtung. Es wurden im vergangenen Jahr einige gute Personalentscheidungen getroffen und auch die Art und Weise, wie wir spielen und auftreten, stimmt mich zuversichtlich.

Die erfolgreichste Löwen-Zeit wurde von Trainer-Persönlichkeiten wie Gudmundur Gudmundsson und Nikolaj Jacobsen bestimmt. Wie prägt der jetzige Trainer Sebastian Hinze diese Mannschaft?

Groetzki: Er hat auf seine Art und Weise einen großen Einfluss auf uns.

Wie sieht diese Art und Weise aus?

Groetzki: Sie hängt auch mit der Personalsituation zusammen. Vor neun oder zehn Jahren waren wir in der Lage, fast fertige Spieler zu verpflichten. Alexander Petersson war damals der beste Halbrechte der Bundesliga, Niklas Landin kam als größtes Torwarttalent der Welt zu uns und Kim Ekdahl du Rietz als Olympiazweiter. Jetzt holen wir Spieler, die zwar schon gute Leistungen gezeigt, aber auch noch Potenzial haben. Es geht darum, diese Jungs zu hoffentlich großen Spielern zu entwickeln. Das dauert normalerweise etwas länger. Aber Sebastian hat sich darauf eingelassen und bislang funktioniert das auch. Mit dieser Arbeit prägt er diese Mannschaft.

Zusammen mit Mikael Appelgren und Uwe Gensheimer sind Sie der letzte Verbliebene einer Löwen-Meistermannschaft, die durch einen besonderen Geist geprägt war. Lässt sich so etwas bewahren oder übertragen, selbst wenn die Mannschaft sich immer weiter verändert und die Helden von einst nach und nach verschwinden?

Groetzki: Zu 100 Prozent lässt sich das nicht übertragen, weil zu so etwas gemeinsame Erlebnisse gehören. Wir sind damals zu einer besonderen Mannschaft geworden, weil der Stamm lange zusammengespielt hat und wir gemeinsam viel durchgemacht haben. Vor allem in negativer Hinsicht. Die erfolglosen Final-Four-Teilnahmen im Pokal, die Vizemeisterschaften 2014 und 2015 – diese Rückschläge haben uns erst zu dem gemacht, was wir später waren: eine Meistermannschaft. Punktuell kamen neue Spieler dazu. Da war es möglich, diesen Geist zu übertragen. Aber das Gefühl von damals in die jetzige Mannschaft zu übertragen – das geht nicht.

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Warum nicht?

Groetzki: Es ist zu viel passiert, das Gesicht der Mannschaft hat sich sehr stark verändert. Wir waren darüber hinaus vor etwas mehr als einem Jahr in Tabellenregionen unterwegs, die wir uns niemals hätten vorstellen können. Der ganze Verein musste danach erst einmal wieder seinen eigenen Weg finden. Und jetzt haben wir unseren Weg gefunden. Der daraus entstandene Geist ist sicherlich etwas, das sich nun auf die neuen Spieler übertragen lässt. Aber das ist etwas Neues und hat nichts mehr mit damals zu tun.

Mit einer neu zusammengestellten Mannschaft haben die Löwen bereits in der vergangenen Saison mit dem Pokalsieg eine eigene Geschichte geschrieben. Taugt dieser Erfolg auch als Anfang für etwas noch Größeres – so wie der Europapokalsieg 2013?

Groetzki: Wir spielen mit dieser Mannschaft jetzt seit einem Jahr zusammen. Wir stehen also weiterhin am Anfang. Alles ist im Handball immer ein Prozess. Vor zwölf Monaten waren wir Zehnter. Da kann man nicht erwarten, ein Jahr später auf Champions-League-Niveau abzuliefern. Das geht nicht nach der Vorgeschichte. Und deswegen verbietet sich der Vergleich mit 2013. Damals gehörten wir schon vorher zu den Topteams. Diesmal sind wir im Sommer 2022 unter ganz anderen Voraussetzungen gestartet.

Was haben der THW Kiel, der SC Magdeburg, die Füchse Berlin und die SG Flensburg-Handewitt, was den Löwen fehlt?

Groetzki: Diese Mannschaften sind in der Breite besser besetzt und haben ganz offensichtlich auch andere finanzielle Möglichkeiten als wir. Wenn man sieht, welche Spieler diese Vereine haben und welche sie dann noch verpflichten, dann ist das ein Unterschied zu uns. Diese Clubs können sich eine andere Transferpolitik leisten.

Und wer ist für Sie aus diesem Kreis der größte Titelfavorit?

Groetzki: Es wird wieder ganz eng. Kiel, Magdeburg, Berlin und Flensburg sehen sich alle da oben. Die Magdeburger haben eine richtig gute Mannschaft. Der Ausfall von Gísli Kristjánsson wird ihnen zwar wehtun, aber mit Felix Claar haben sie auch jemanden geholt, der seit Jahren sehr gut spielt und ins System passt. Bei Kiel bin ich gespannt, wie sich der Abgang von Niklas Landin auswirkt. Abgesehen von den Bällen, die er immer gehalten hat, verlieren die Kieler nicht nur einen Weltklasse-Torwart, sondern ganz einfach eine riesengroße Persönlichkeit. Es hat immer etwas ausgemacht, wenn er einfach nur auf dem Feld stand.

Was ist mit Berlin und Flensburg?

Groetzki: Die Berliner Personaldecke ist etwas dünn. Mal sehen, was da noch passiert. Und Flensburg muss man mit den Transfers von Simon Pytlick und Lukas Jørgensen zu den Favoriten zählen. Aber: Der Trainer Nicolej Krickau ist neu, das Auftaktprogramm schwer. Da könnte ganz schnell der Druck ganz groß sein.

Der SC Magdeburg hat die Champions League gewonnen, die Füchse Berlin die European League, die Löwen den deutschen Pokal und der THW Kiel die deutsche Meisterschaft. Bedeutet: Die vier wertvollsten Titel im Club-Handball gingen an vier unterschiedliche Bundesligisten. Was sagt uns das?

Groetzki: Die Bundesliga ist in der Spitze auf einem richtig guten Niveau. Zum Glück ist die Zeit vorbei, in der eine Mannschaft wie einst der THW Kiel über Jahre unangefochten vorne wegmarschiert. Einen Serienmeister wird es vorerst nicht mehr geben – das allein macht die Liga schon attraktiv. Und wenn dann noch Magdeburg trotz aller Widrigkeiten die Champions League gewinnt, ist das einfach ein sehr gutes Zeichen für die Liga.

Die Erfolge im Club-Handball passen nicht ganz zur Form des Nationalteams. Was stimmt Sie zuversichtlich, dass es trotzdem eine gute EM der deutschen Auswahl im Januar geben wird?

Groetzki: Erst einmal der fünfte Platz bei der WM in diesem Jahr. Da hat sich etwas zusammengefügt, auf das wir als Mannschaft zurückgreifen und aufbauen können. In den Monaten danach haben wir allerdings auch erlebt, dass wir nur auf diesem Niveau agieren können, wenn alle auf einem ganz hohen Einsatzlevel mithelfen. Wenn das nur einen ganz kleinen Tick heruntergeht, dann haben wir im Moment gegen die Topmannschaften keine Chance. Das wurde uns jetzt noch einmal gezeigt, besonders gegen Dänemark. Aber ich glaube, dass es mit Blick auf die Zukunft keine schlechte Erfahrung war, genau das noch einmal vor Augen geführt bekommen zu haben.

Es muss also über den Kampf und das Kollektiv gehen?

Groetzki: Ja. Es sind bei Welt- und Europameisterschaften momentan ein paar Mannschaften dabei, die uns einen Schritt voraus sind. Wenn wir diesen Abstand verringern oder diese Nationen zumindest mal bei der Heim-EM überholen wollen, brauchen wir ein Maximum an Einsatz. Das ist die Grundvoraussetzung.

Die deutschen Junioren wurden gerade Weltmeister. Fast schon reflexartig folgten danach die Forderungen, Spieler aus diesem Team auch im Januar für die Heim-EM der A-Nationalmannschaft zu berufen. Welche Meinung haben Sie zu dieser Debatte?

Groetzki: Ich kann die Forderung nach jungen Spielern grundsätzlich nachvollziehen, gerade vor dem Hintergrund, dass die großen Erfolge der A-Nationalmannschaft ein wenig zurückliegen. Und trotzdem muss man die Sache doch objektiv betrachten. Man kann doch keinen Spieler für eine EM berufen, der noch nicht über eine komplette Saison eine wirklich wichtige Rolle in seinem Verein eingenommen und dort verlässlich überzeugende Leistungen gezeigt hat. So etwas wäre ganz falsch.

Warum?

Groetzki: Man sollte immer die Realität im Auge behalten. Das soll jetzt in keiner Weise böse klingen, aber mal ganz hart ausgedrückt: Ich bin auch schon zum wertvollsten Spieler bei einer Junioren-EM gekürt worden. Und zwar auf Rückraum Mitte. Trotzdem habe ich danach auf dieser Position in meinem Verein in der Bundesliga nie eine Rolle gespielt – und zwar zu keiner Zeit. Es war überhaupt keine Option, dass ich mal irgendwo im Rückraum zum Einsatz komme. Und das zeigt dann meiner Meinung nach schon ganz gut, wie groß der Sprung vom Junioren-Bereich in die Bundesliga oder in die A-Nationalmannschaft ist.

Bei manch einem hört sich das gerade aber ganz anders an.

Groetzki: Man verstehe mich bitte nicht falsch. Ich freue mich, dass wir viele Talente haben. Und meiner Meinung nach ist diese deutsche Junioren-Weltmeistermannschaft auch außergewöhnlich gut. Da sind wirklich viele Spieler dabei, die die Nationalmannschaft auf lange Sicht prägen können, viele Jungs haben schon in der Bundesliga gespielt. Das war in der Vergangenheit anders. Aber ein gutes Bundesliga-Niveau ist völlig unabhängig vom Alter nicht gleichbedeutend mit der Nationalmannschaft oder den Anforderungen bei einer EM. Bei einem Turnier müssen nach meinem Verständnis die aktuell Besten spielen. Daran führt kein Weg vorbei. Wenn einige der Junioren-Weltmeister das schon im Januar sind, dann muss man sie auf jeden Fall nominieren. Das ist doch vollkommen klar. Aber man kann doch nicht einfach jemanden mitnehmen, nur damit er mal bei einer EM reinschnuppert oder weil gerade die Rufe danach lauter werden. Das halte ich für den falschen Weg.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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