Unmittelbar vor dem Start der Play-offs liegen bei den Adlern die Nerven blank. Anders lässt sich der Ausbruch von Trainer Bill Stewart nicht erklären. Nicht nur der Zeitpunkt am Ende der Hauptrunde war völlig falsch gewählt, auch der Inhalt schoss weit über das Ziel hinaus. Es ließ sich der Eindruck gewinnen, dass Stewart das Kind in den Brunnen warf - und sich dann darüber beschwerte, dass es in den Brunnen gefallen war.
In den vergangenen Wochen hatte der Kanadier sein Team fast so behandelt wie ein überfürsorglicher Vater seine Kinder. Bloß keine Kritik üben - selbst dann nicht, als es angebracht war. Stets nahm er seine Mannschaft in Schutz, lobte die Entwicklung der Spieler und ließ nichts auf ihren Charakter kommen. Und jetzt diese Kehrtwende? In aller Öffentlichkeit?
Schuld bei anderen
Stewart hätte seine Emotionen besser kontrollieren müssen. Einige Punkte seiner Kritik sind angebracht, aber der Club hätte die Unstimmigkeiten intern regeln müssen. Dass sich der Trainer herausnimmt, Spieler - wenn auch nicht namentlich genannt - dermaßen an den Pranger zu stellen und ihre Arbeitseinstellung zu hinterfragen, sich selbst aber ein tadelloses Zeugnis zu bescheinigen, geht gar nicht.
Dass er mit dem Finger auf andere zeigt, wird Stewart noch auf die Füße fallen. Denn wie werden wohl die angegriffenen Profis reagieren? Im positiven Szenario werden sie versuchen, die Saison mit Anstand zu Ende zu bringen; im negativen werden sie nun gar nicht mehr bei der Sache sein. Wer jetzt von ihnen verlangt, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, hat den Schuss nicht gehört.
Es ist keinesfalls so, dass die Spieler, die noch einen Vertrag über diese Saison hinaus in der Tasche haben, sich für den Club zerreißen. Und die, deren Abschied feststeht, mit dem Kapitel Mannheim abgeschlossen haben. So überzeugt beispielsweise Markus Eisenschmid seit Wochen mit Leistung. Allein in diesem Kalenderjahr hat der Stürmer, der nächste Saison für München auf Torejagd gehen wird, zehn Mal getroffen.
Empathie wichtig
Nicht zum ersten Mal sitzen in einer Kabine Spieler nebeneinander, deren Wege sich am Ende der Runde trennen werden. Es gibt immer Profis, die mehr und welche, die weniger zufrieden sind mit ihrer Rolle. Eine wesentliche Aufgabe eines Trainers ist es, allen das Gefühl zu geben, wichtig zu sein. Jeder muss mitgenommen werden, weil es immer passieren kann, dass sich bei Ausfällen eine Rolle ändert. Geoff Ward hat diese Aufgabe, die Empathie und Feingefühl erfordert, in der Meistersaison 2014/15 gelöst wie kein Zweiter. Alle haben sich hinter dem einen Ziel versammelt, von Tag zu Tag besser zu werden, das Ego hintan- und das Team in den Vordergrund zu stellen.
Das ist Stewart nicht gelungen. Im Gegenteil: Mit seinen emotionalen Aussagen hat er einen Keil in die Mannschaft getrieben. Es gibt die, die seiner Meinung nach alles für den Club geben - und die, die mit der Saison schon abgeschlossen haben. Wie soll aus diesen Grüppchen eine Einheit geformt werden?
Da es von außen kein Korrektiv gibt, muss die Lösung von innen kommen. Nur wenn sich alle zusammenraufen, kann diese Saison noch zu einem versöhnlichen Ende gebracht werden. Alleine der Glaube daran fehlt.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Adler Mannheim Bei den Adlern Mannheim fehlt das Miteinander
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