Mannheim. Herr Willig, wie hoch ist der Stellenwert der VfR-Meisterschaft 1949 für die Mannheimer Sportgeschichte einzuschätzen - auch vor dem Hintergrund der unmittelbaren Nachkriegszeit?
Martin Willig: Meiner Meinung nach nicht hoch genug. Mannheim als eine der am meisten zerstörten Städte Deutschlands nach dem Krieg, lechzte nach Aufbruch. Die Menschen in der Quadratestadt schöpften aus dieser Überraschung für ihren Alltag Mut und Zuversicht. Zum Teil kamen die Mannheimer aus den Bunkern heraus, um den Spielen beizuwohnen. Den VfR hatte niemand auf der Rechnung, zumal der Lokalrivale SV Waldhof besser in die Nachkriegsspielzeiten gestartet war. Aber die „Kanadier“, darunter vor allem Rudolf „Bella“ de la Vigne, hoben die Rasenspieler auf ein besonderes Level.
Sportlich betrachtet war der Titelgewinn ein klassiches Außenseiter-Märchen, oder?
Willig: Ja, man kann von einer großen Überraschung sprechen, zumal sich der VfR in der Oberliga Saison „nur“ als zweiter hinter Kickers Offenbach für die Endrunde qualifizierte. Ein deutliches 5:0 gegen den HSV ließ in der Zwischenrunde schon aufhorchen, ehe man den Meister der Oberliga Süd, Offenbach, im Halbfinale mit 2:1 bezwang. Im Finale in Stuttgart gab es dann in der bekannten Hitzeschlacht den harterkämpften 3:2-Erfolg nach Verlängerung über Borussia Dortmund. Ein weiterer Titelgarant war auch der listige Trainer Hans „Bumbas“ Schmidt.
Für Titel der Vergangenheit gibt es bekanntlich nichts. Was kann der VfR dennoch mit seiner Tradition anfangen?
Willig: So einen Titel-Stern nimmt einem niemand mehr. Er kann und sollte für die Jugend und die Verantwortlichen der Rasenspieler Motivation und Verpflichtung sein, mit ihren Möglichkeiten und den hinzugewonnenen Sponsoren ein tragfähiges, zukunftsorientiertes Konzept zu entwickeln, um an vergangene Erfolge anzuknüpfen. Langfristiges Ziel der Rasenspieler sollte es sein, eine Rückkehr in den Profifußball anzustreben. Der VfR ist der einzige Verein nach dem Krieg, der als deutscher Meister nie in der Bundesliga spielte. Zwei Profivereine kann eine Stadt wie Mannheim jedenfalls durchaus vertragen.
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