Analyse

Zahlen des Horrors: Nach dem 0:2 in Essen geht beim SV Waldhof die Verzweiflung um

Der Sportchef wirkt ratlos, der Trainer ist frustriert: Die Krisensymptome beim SV Waldhof verschärfen sich nach dem 0:2 in Essen. Gibt es in dieser Woche wieder keine Konsequenzen aus dem Absturz?

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Alexander Müller
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Wie soll es nur besser werden beim SV Waldhof? Stürmer Pascal Sohm lamentiert beim Spiel in Essen. © Titgemeyer/PIX

Mannheim. Kelvin Arase ist ein Mann, der mit einem Lächeln wahrscheinlich auch die Nachricht vom bevorstehenden Weltuntergang erträglich überbringen könnte. Wiener Schmäh macht auch schlimme Krisen irgendwie erträglicher. Als der Österreicher in Diensten des SV Waldhof am Sonntagabend und der 0:2 (0:0)-Niederlage bei RW Essen nach seiner Einschätzung zur prekären Lage beim Mannheimer Drittligisten gefragt wurde, ließ er einen Satz folgen, der das Potenzial zur Aufnahme in die Endauswahl beim „Fußball-Spruch des Jahres“ besitzt. „Wir sind in einem Lauf, wo es nicht läuft“, sagte Arase. So kann man es sehen.

Sieben Spiele in Folge ist der SV Waldhof jetzt schon sieglos, bei nur zwei Punkten und einem Torverhältnis von 3:14. In den vergangenen zehn Partien gab es überhaupt nur einen Erfolg, seit dem Wochenende sind die Kurpfälzer Drittletzter. Zahlen des Horrors, die schlimmste Negativserie seit der Rückkehr in den Profifußball 2019. Da verliert selbst ein zugewandtes Naturell wie Kelvin Arase seine Fröhlichkeit. „Wir wissen selbst nicht, was uns fehlt. Ich hasse es, es selbst zu sagen, dass wir in einem Tief sind. Wir warten alle auf das dreckige 1:0.“

Kommentar Waldhof-Krise: Warum der Absturz bisher nicht zu Konsequenzen geführt hat

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Das fällt aber zurzeit nicht, wie in Essen, wo Jesaja Herrmann beim Stand von 0:0 frei vor dem RWE-Torwart nur ein Schüsschen abgab (59.). Und da die Mannheimer aus unerfreulicher Tradition auswärts immer für ein bis drei Gegentore gut sind, ist der Weg zu Punktgewinnen zurzeit ein enorm weiter.

Verl als „Endspiel“ für Trainer und Sportchef des SV Waldhof?

Die direkt Verantwortlichen für die sportliche Misere, die längst beängstigende Züge angenommen hat, heißen Trainer Rüdiger Rehm und Sportchef Tim Schork. Das Duo gab sich nach dem nächsten gescheiterten Versuch einer Trendwende große Mühe, sich nicht auseinander dividieren zu lassen. „Gegenseitige Schuldzuweisungen helfen keinem weiter. Wir müssen erst einmal das Spiel analysieren. Alles Weitere wird man sehen. Aber es heißt nicht, dass wir am Trainerstuhl rütteln“, sagte Schork.

Und Rehm wich der Frage, ob die ihm vom Sportlichen Leiter bereitgestellte individuelle Qualität im Kader vielleicht nicht für mehr als den Abstiegskampf ausreiche, aus. „Qualität kann man verbessern, das ist meine Aufgabe. Und daran müssen wir arbeiten, jeder Einzelne. Ich glaube schon, dass ein Jesse Herrmann den Ball aus sechs Metern ins Tor hauen kann“, sagte Rehm - und spielte damit auf eine weitere vergebene Großchance seines Angreifers Herrmann in der 77. Minute an.

Personelle Konsequenzen deuten sich beim SV Waldhof weiterhin nicht an. Die angezählten Rehm und Schork bekommen mit ziemlicher Sicherheit noch das Verbandspokal-Viertelfinale am Samstag (14.30 Uhr) beim SV Sandhausen, bevor die Heimpartie am Freitag, 24. November (19 Uhr), gegen den SC Verl tatsächlich ein „Endspiel“ für Trainer und Sportchef werden könnte. „Das ist ein sehr wichtiges Spiel. Da müssen wir die drei Punkte holen“, bekundete Außenverteidiger Laurent Jans. Und Rehm sagte: „Die Mannschaft wehrt sich gegen die Situation, aber wir haben nicht ewig Zeit.“

Wohl wahr. Nur noch fünf Liga-Spiele stehen in diesem Kalenderjahr an, und man muss kein großer Mathematiker sein, um auszurechnen, dass der kriselnde Waldhof (zurzeit 13 Punkte) in diesen Partien stattlich punkten muss, um sich wenigstens in eine vernünftige Ausgangslage im Rennen um den Klassenerhalt nach der Winterpause zu bringen. 45 Punkte, so die Faustformel in der 3. Liga, werden am Ende benötigt, um sicher über dem Strich zu stehen. Drei Siege sollten es in 2023 deshalb schon noch sein - also genauso viele wie an den bisherigen 15 Spieltagen insgesamt. Das klingt schwierig bis unmöglich, wenn man sich die tiefsitzende aktuelle Verunsicherung in der Mannschaft anschaut.

Kelvin Arase will Glücksgefühle in Sandhausen zurückholen

Der fleißige Laurent Jans, wie so viele zurzeit ein gutes Stück von seiner Topform entfernt, sprach die psychologischen Begleitumstände der Negativspirale an, die die Mannheimer erfasst hat. „Wenn man unten drinsteht, ist man vielleicht ein bisschen blockiert. Im Fußball wird so viel im Kopf entschieden. Man ist am Anfang des Spiels eher vorsichtig, man will kein Risiko gehen, spielt nicht den Fußball, den man kann. Ich kann euch sagen: Im Training sieht das ohne Druck ganz anders aus“, sagte Jans. Der Luxemburger setzt seine Hoffnung auf die heilsame Wirkung einer Führung als mentaler Brustlöser. „Wir schaffen es einfach nicht, mal in Führung zu gehen und den Bock umzustoßen. Einem Rückstand hinterher zu laufen, ist sehr schwer“, meinte Jans.

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Der gute alte Bock, festes Mitglied in der Floskelkiste des Fußballs, muss also umgestoßen werden. Sportchef Schork gab sich in Essen keinen Illusionen mehr hin, dass sich der SV Waldhof kurzfristig aus dem Abstiegskampf verabschieden könnte. „Wir können die Tabelle lesen und wissen, dass wir da nicht in zwei Spielen wieder draußen sind. Es gibt nicht das Patentrezept, wie wir den Schalter umlegen können“, sagte Schork. Er klang ein bisschen hilflos und verzweifelt.

Gefragt danach, ob er davon ausgehe, dass er und Rehm weiter die Rückendeckung der Vereinsführung um Präsident Bernd Beetz genießen, antwortete der heftiger Kritik ausgesetzte Sportliche Leiter ausweichend. „Der einzige Schlüssel ist, ruhig zu bleiben. Wir müssen zusammenhalten“, meinte Schork. Ein bisschen Optimismus in all der Weltuntergangsstimmung rund um den SVW zu vermitteln, das kann der charmante Wiener Kelvin Arase besser. „Jetzt hoffen wir, dass wir uns gegen Sandhausen am Samstag im Landespokal unsere Glücksmomente zurückholen. Do Or Die. Wir werden alles geben, dass wir weiterkommen“, sagte er.

Redaktion Fußball-Reporter: Nationalmannschaft, SV Waldhof, Eintracht Frankfurt, DFB

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