Fußball

Saison-Analyse: Warum der SV Waldhof schon wieder gegen den Abstieg kämpfen musste

Erneut musste der SV Waldhof bis zum Schluss um den Klassenerhalt zittern. Wo lagen die Gründe dafür? Unsere vier Erkenntnisse dieser Saison.

Von 
Alexander Müller
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Rückhalt eines strauchelnden Teams: Waldhof-Torhüter Jan-Christoph Bartels. © PIX-Sportfotos

Mannheim. Die Analyse der sportlichen Führung läuft. Welche Konsequenzen zieht der SV Waldhof aus der nächsten verkorksten Saison, in der die Mannheimer bis zum letzten Spieltag um den Klassenhalt zittern mussten? Aus welchen Gründen ist der SVW zum zweiten Mal in Folge tief in den Tabellenkeller abgerutscht? Unsere sportlichen Erkenntnisse der abgelaufenen Drittliga-Saison.

1. Ohne seinen überragenden Torhüter Jan-Christoph Bartels wäre der SVW womöglich abgestiegen

Es ist eine verrückte Geschichte: Vor der Saison wollte Ex-Ex-Trainer Marco Antwerpen Torhüter Jan-Christoph Bartels ausmustern – der Wiesbadener sollte sich einen neuen Verein suchen. Doch am 5. Spieltag, beim 1:1 in Rostock, stellte Bartels plötzlich Bartels für Omer Hanin ins Tor. Der Trainer war kurz danach weg, Bartels entwickelte sich zum großen Rückhalt und einem der besten Torhüter der 3. Liga. Bei 34 Einsätzen blieb der Mann aus der Jugend des 1. FC Köln zehnmal ohne Gegentor – besser waren nur die Keeper der fünf Topteams Bielefeld, Dresden, Saarbrücken, Cottbus und Rostock. Schon im Winter ordnete das Fachblatt „Kicker“ seine Leistungen als „herausragend“ ein, mit einem Notenschnitt von 2,79 beendet Bartels die Saison als sechsbester Drittliga-Profi.

Aber bleibt der Torwart, der neben Kapitän Marcel Seegert der dienstälteste Spieler im SVW-Angebot ist, dem Verein auch erhalten? Das ist offen, Bartels‘ Vertrag läuft aus. Der Hesse ist nicht abgeneigt, in Mannheim auch ein sechstes oder siebtes Jahr dranzuhängen, darf aber zurecht erwarten, dass sich seine starken Leistungen und sein gestiegener Stellenwert auch in einem angepassten Gehalt widerspiegeln.

2. Die Problemzone hat dichtgemacht. An der Abwehr lag es nicht, dass der SV Waldhof wieder in den sportlichen Abgrund blickte

In den beiden Jahren vor dieser Saison kämpfte der SV Waldhof mit fast schon chronischen Abwehrproblemen. Es gab regelmäßig Slapstick-Gegentore und haarsträubende individuelle Fehler, nach Standardsituationen klingelte es permanent. Dieser Trend wurde in dieser Spielzeit gestoppt.

Nach 65 Gegentoren in der Saison 2022/2023 und 60 Gegentreffern in der Saison 2023/24 kassierten die Kurpfälzer diesmal nur noch 45 Tore. Das ist der viertbeste Wert in der 3. Liga. In der Rückrunde, als Lukas Klünter von der Außenbahn ins Abwehrzentrum gerückt war, musste der SVW in 19 Partien sogar nur noch 21 Treffer hinnehmen.

Zu den Gewinnern in diesem Zeitraum zählte auch der verlässliche Tim Sechelmann, der formverbesserte Henning Matriciani und in der Schlussphase unter dem dritten Trainer Dominik Glawogger auch der körperlich robuste Niklas Hoffmann. Selbst wenn neben Schalke-Leihgabe Matriciani auch der von anderen Vereinen umworbene Klünter gehen sollten, ist damit ein defensives Fundament für die kommende Saison gelegt, auf dem sich aufbauen lässt.

Aus dem Waldhof-Mittelfeld mit Kelvin Arase kamen zu wenig Impulse. © Adler/PIX-Sportfotos

3. Der Hauptgrund für die Krise lag im Mittelfeld. Im zentralen Mannschaftsteil fehlten Tempo, Dynamik, Torgefahr und – bis zur Verpflichtung von Winterzugang Arianit Ferati – auch die Kreativität

Wenn der beste Vorbereiter im Team mit Lukas Klünter (5 Assists) ein Innenverteidiger ist, kann etwas in der Zusammenstellung der Mannschaft nicht stimmen. Ob Rico Benatelli, Nicklas Shipnoski, Kelvin Arase oder Adrian Fein – die Liste der kleinen und großen Enttäuschungen im Mittelfeld ist lang. Torgefahr von außerhalb des Strafraums mit Distanzschüssen gab es so gut wie keine. Flanken, Hereingaben oder Standardsituationen wurden erst halbwegs gefährlich, als Ferati da war.

Das komplette Waldhof-Mittelfeld steuerte insgesamt nur 32 Scorerpunkte (Tore und Vorlagen) bei. Zum Vergleich: Liga-Topscorer Berkan Taz, der beim SVW zwischen 2022 und 2024 komplett floppte, kommt alleine auf 27 Scorer-Punkte. Trotz Ferati: Neben den Zweikämpfern und Mentalitätsspielern wie Julian Rieckmann (Vertrag läuft aus) und Janne Sietan braucht der SV Waldhof in der neuen Spielzeit dringend mehr fußballerische Substanz, Dynamik und zielführende Ideen im Zentrum des Spiels. Auch auf den offensiven Außenbahnen müssen hochkarätige Verstärkungen her, die über Tempo und Dribbelstärke Situation besser auflösen können.

4. Der Angriff hat von der Ausnahmequalität von Felix Lohkemper gelebt. Ob Torjäger Terrence Boyd noch einmal zu alter Stärke zurückfindet, ist offen

Beginnen wir mit einer These: Wäre Felix Lohkemper zwischen Ende September und Anfang Januar nicht wegen einer komplizierten Knieblessur ausgefallen, hätte der SV Waldhof möglicherweise mit dem Abstiegskampf nichts zu tun bekommen. Denn als der Brettener nicht mehr auf dem Platz stehen konnte, nahm die Torgefahr des gesamten Teams rapide ab.

In nur 26 Einsätzen stellte der Neuzugang vom 1. FC Nürnberg mit zehn Toren und drei Vorlagen generell seine Ausnahmequalität auf Drittliga-Niveau unter Beweis. Lohkemper hatte mit sieben Rückrunden-Toren einen gewaltigen Anteil am Klassenerhalt.

Terrence Boyd, in der Hinrunde mit sechs Toren wieder eine zuverlässige Konstante im Angriffszentrum, kam nach seinem Mittelfußbruch kurz vor Weihnachten und dem folgenden monatelangem Ausfall nicht mehr richtig in die Gänge. Es bleibt abzuwarten, ob der schon 34-jährige Routinier in der nächsten Saison mit kompletter Vorbereitung noch einmal an seine frühere Topform herankommt.

Wenn ja, und der auf dem Transfermarkt begehrte Lohkemper bleibt, hat der SVW mit dem jungen Tempostürmer Kennedy Okpala ein konkurrenzfähiges Angriffstrio unter Vertrag. Eigengewächs Okpala spielte nach einer wechselhaften Saison mit drei wichtigen Toren in den Schlüsselspielen in Cottbus (4:2) und gegen Dresden (1:0) ganz am Ende groß auf.

Sport-Geschäftsführer Gerhard Zuber hat sich offensichtlich entschieden, Bielefeld-Leihgabe André Becker nicht fest zu verpflichten. Der 28-jährige Wandstürmer hatte mit fünf Rückrunden-Toren seine Qualitäten bewiesen, unter Glawogger aber nur noch punktuell gespielt. Eine Pressemitteilung am Samstag legte nahe, dass Becker zurück nach Bielefeld geht.

Sollte der aktuell unersetzliche Lohkemper den Verein verlassen, würde der SV Waldhof im Angriff aber noch einmal in größerem Stil nachlegen müssen. Die Statistik unterstreicht den Handlungsbedarf: Mit 43 Toren stellten die Mannheimer in der abgelaufenen Saison die zweitschwächste Offensive der 3. Liga.

Redaktion Fußball-Reporter: Nationalmannschaft, SV Waldhof, Eintracht Frankfurt, DFB

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