Stuttgart. Die Meldung war falsch. Zumindest zum Teil. Denn dass Olle Forsell Schefvert von der HSG Wetzlar zu den Rhein-Neckar Löwen wechselt, entsprach ja der Wahrheit. Nur die Überschrift eben nicht. Der TV-Sender Sport1 kündigte den Schweden vor einigen Monaten als Kreisläufer an, worüber der 29-Jährige rückblickend lachen kann: „Ich bin eben ein Allrounder.“ Sprich: Man kann ihn fast überall hinstellen. Zumindest im Rückraum. Und in der Abwehr. Aber der Kreis, der ist dann doch eher nicht sein Ding.
Bei den Löwen agiert Forsell Schefvert in dieser Saison im Innenblock und als Mittelmann, was ihn zweifelsohne besonders macht. „Es gibt in der Handball-Bundesliga nicht so viele Spieler, die sowohl im Angriff als auch in der Abwehr im Zentrum eingesetzt werden können. Diese Kombination ist sein großes Plus“, adelt Rechtsaußen Patrick Groetzki den neuen Kollegen, der das Spiel der Löwen allein schon dadurch verändert hat, dass es keine riesigen Angriff-Abwehr-Wechselorgien und stattdessen mehr Tempo in der Offensive gibt. Zu sehen war das auch wieder am Samstagabend, als die Badener zu einem 43:30 (21:16)-Kantersieg beim TVB Stuttgart kamen und erneut überzeugten.
„Ich bin kein Star“
„Wir haben unser Ding gemacht“, sagt Forsell Schefvert, wobei „unser Ding“ bedeutet: stabile Abwehr, Ballgewinn, Gegenstoß oder zweite Welle. Bevorzugt über die pfeilschnellen Außen Groetzki und Benjamin Helander, die in der Porsche-Arena zusammen 15 Tore erzielten, weil sie immer wieder in Szene gesetzt wurden. Zum Beispiel vom aufblühenden Halbrechten Albin Lagergren (sechs Tore, vier Vorlagen), für den das System des neuen Trainers Sebastian Hinze absolut maßgeschneidert ist.
Dessen frustrierter Stuttgarter Kollege Roi Sánchez musste sich wiederum nach dem Schlusspfiff und dem Löwen-Geschwindigkeitsrausch erst einmal sammeln. Die Statistik sagte alles über die Gründe für das Resultat aus: „Wir haben 25 Tempogegentore bekommen.“ Und das eben auch wegen Forsell Schefvert, der Bälle gewann und verteilte. „Olle ist ein sehr guter Tempospieler. Seine Passqualität und Übersicht sind stark“, lobt Hinze.
Es verwundert daher keinesfalls, dass Forsell Schefvert in Stuttgart auf einen eigenen Treffer und sechs Torvorlagen kam. Ein Topwert für den Schweden, der sehr variabel einsetzbar ist. Zum Beispiel auch auf der Halbposition im Rückraum. Der 29-Jährige selbst bezeichnet sich deshalb als „Mannschaftsspieler“, auf den sich die Kollegen verlassen können. Er ist einer für alle, auch wenn der Rechtshänder keinen Hehl daraus macht, gerne eine „absolute Spitzenqualität haben“ und in jedem „Spiel den Unterschied machen“ zu wollen. So wie Sander Sagosen. „Doch das bin ich nicht. Ich bin kein Star, den jeder Verein haben möchte.“
Gewiss: Forsell Schefverts Leistungen werden von der breiten Masse nicht bestaunt wie ein Gemälde im Museum. Er ist kein Feingeist, wird vermutlich auch nie zehn Tore in einer Partie erzielen. Doch die Kunst des Machbaren will ebenfalls beherrscht sein, was beim 29-Jährigen zweifelsohne der Fall ist. Er spielt stabil, zuverlässig und sicher. Oder anders ausgedrückt: Bei ihm weiß man immer, was man bekommt. Oder eben nicht bekommt. Was in diesem Fall ausdrücklich kein Laster, sondern eine Tugend ist. Vielleicht ist der Schwede sogar einer der unterschätztesten Spieler der Bundesliga.
Vor fünf Jahren wechselte der Rechtshänder aus seiner Heimat vom IK Sävehof nach Wetzlar. Und recht schnell merkte er, dass es in Handball-Deutschland ganz anders zur Sache geht. „Von der Belastung her ist ein Spiel in der Bundesliga wie drei Spiele in Schweden“, sagt Forsell Schefvert, der sich an Tempo, Intensität und Härte gewöhnen musste, zugleich aber an seinen Aufgaben wuchs. Weil er zuhörte. Und lernte. Vor allem von Filip Mirkulovski, der jahrelang das Spiel der HSG auf der zentralen Rückraumposition geschickt lenkte. Und dann gibt es da ja auch noch Ansprechpartner in der Heimat, zum Beispiel seine durchaus prominenten Eltern.
Stuttgart - RN Löwen
- Stuttgart: Heinevetter (bis 17. Minute und ab 31.), Vujovic – Häfner (2), Serrano, Fernandez (6), Hanusz (6), Schöttle, Lönn (6), Röthlisberger (1), Nicolaus, Forstbauer (2), Zieker (2/1), Pfattheicher (5), Bergendahl.
- Löwen: Birlehm, Appelgren (ab 26. Minute) - Helander (8), Kohlbacher (5), Groetzki (7) – Jaganjac (6), Knorr (5/3), Lagergren (6) – Forsell Schefvert (1), Kirkeløkke (1), Gislason (1), Horzen, Ahouansou, Moré (3), Michalski.
- Schiedsrichter: Otto/Piper.
- Zuschauer: 3779.
- Strafminuten: Zieker (2), Bergendahl (2) – Jaganjac (2), Forsell Schefvert (2).
- Beste Spieler: Lönn – Forsell Schefvert, Lagergren, Helander.
Im Zweifel hilft der Rat der Mutter
Seine Mutter Britt bestritt 129 Länderspiele und wurde 1990 Schwedens Handballerin des Jahres. Sein Vater Ulf wiederum startete bereits als 27-Jähriger seine Trainerkarriere, saß unter anderem bei der schwedischen und dänischen Nationalmannschaft auf der Bank, führte die dänischen Junioren zu EM- (1996) und WM-Gold (1997) sowie GWD Minden (2012) in die Bundesliga. „Ich habe in meinem Leben also schon immer viel mit Handball zu tun gehabt“, sagt Forsell Schefvert Junior – wenngleich er weiß, dass erfolgreiche Eltern Fluch und Segen zugleich sein können.
Was das angeht, hat der Rückraummann allerdings seinen eigenen Weg gefunden. „Mein Papa war Trainer. Und Trainer sind immer kritisch“, sagt der Neu-Löwe und scherzt: „Er hat die meiste Zeit in seinem Handball-Leben an der Seitenlinie gestanden, ihm fehlt also die praktische Erfahrung. Wenn ich Hilfe brauche, gehe ich zu Mama. Sie war Nationalspielerin und weiß, wie das auf dem Feld so läuft.“ Vielleicht hat sie auch noch ein paar Tipps für die Kreisläuferposition.
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