Mannheim. Die lobenden Worte bleiben natürlich nicht aus. So ist das schließlich immer im Profisport, wenn jemand vorzeitig verabschiedet wird. So wie bei Jennifer Kettemann, die – wie vorab von dieser Redaktion exklusiv vermeldet – künftig nicht mehr Geschäftsführerin der Rhein-Neckar Löwen sein wird.
Ihr eigentlich bis Sommer 2026 fixierter Vertrag wird zum 30. Juni aufgelöst. In „beiderseitigem Einvernehmen“, wie es in einer Pressemitteilung des Clubs heißt.
Darin würdigt der Aufsichtsratschef Lars Lamadé auch die Verdienste der 42-Jährigen. „Jenni hat die Rhein-Neckar Löwen in den vergangenen acht Jahren in vielen Bereichen enorm weiterentwickelt. Insbesondere auf den Gebieten Social Media, Sponsoring und Marketing hat sie Maßstäbe gesetzt. Für ihren außerordentlichen Einsatz und ihre Innovationskraft gebührt ihr besonderer Dank“, wird er zitiert.
Intern gibt es seit Jahren Kritik an Kettemann
Offiziell wollte sich ansonsten am Freitag niemand zu den Geschehnissen äußern. In fast allen Gesprächen klang allerdings durch, dass die Trennung von Kettemann, die 2016 vom Softwareriesen SAP zu den Löwen gekommen war, innerhalb des Vereins positiv aufgenommen und als überfällig bewertet wird. Zu viel war in den vergangenen Jahren passiert – und vor allem schief gelaufen. Insbesondere in sportlicher Hinsicht.
Vor zwei Jahren spielten die Löwen die schlechteste Saison der Geschichte seit dem Aufstieg 2005. In der zurückliegenden Spielzeit schnitten die Mannheimer mit Platz zwölf sogar noch schwächer ab, weshalb sie in der kommenden Runde nicht im Europapokal vertreten sind.
„Das tut sehr weh. Ich bin jetzt seit 2007 hier und erlebe das erst zum zweiten Mal in meiner ganzen Karriere. Das sagt schon etwas aus. Und es sagt noch mehr aus, dass uns das jetzt zum zweiten Mal in drei Jahren passiert. Das ist ein sehr deutliches und klares Zeichen, dass viele Dinge nicht so laufen, wie sie laufen sollten. Und wie auch der Anspruch in diesem Verein sein sollte. Es gibt sehr viel Verbesserungspotenzial“, sagte dazu Mannschaftskapitän Patrick Groetzki unlängst dieser Redaktion und ergänzte: „Wir müssen sehr viel innerhalb der Mannschaft und innerhalb des ganzen Vereins infrage stellen. Und daraus ziehen wir hoffentlich die richtigen Lehren.“
Finanzskandal erschüttert die Rhein-Neckar-Löwen
Das taten die Löwen nun, wenngleich der Club in seiner Mitteilung nicht erklärte, warum man sich denn nun von Kettemann trennt. Nach Informationen dieser Redaktion spielte aber noch nicht einmal der sportliche Niedergang die einzige Rolle, sondern auch ein vermeintlicher Finanzskandal innerhalb des Vereins.
Der wurde vor knapp zwei Monaten öffentlich. Kettemann sagte damals in einem vereinseigenen Interview auf der Internetseite des Bundesligisten: „Wir haben in den Bereichen Finanzen und Vertrieb in den letzten Wochen bei Überprüfungen leider erhebliche Unregelmäßigkeiten feststellen müssen. Nicht nur schlichte Fehler, das kann überall vorkommen, sondern Täuschungen und unwahre Darstellungen in unseren Büchern.“
Die Frankenthalerin sah sich anschließend allein in der Rolle der Aufklärerin. Doch wie auch im sportlichen Bereich stellte sich die Frage der Gesamtverantwortung. Mal ganz abgesehen davon, dass zuletzt mehrere Mitarbeiter den Verein freiwillig verließen.
Kettemann: "Ich bin von der Trendwende überzeugt"
Und damit nicht genug: Mit Rückraumspieler Philipp Ahouansou, der zur HSG Wetzlar wechselt, drohte wegen einer Vertragsklausel sogar ein Rechtsstreit. All das spricht eher nicht für einen Arbeitgeber und seine Führung. Weshalb nach all der – auch internen – Kritik an ihr in den vergangenen Jahren ihre jetzige Abberufung dem Eingeständnis eines Fehlers gleicht.
Im Statement zu ihrer Trennung spricht Kettemann davon, dass „die Löwen, unser Sport mit seinen Werten und vor allem die Menschen im und rund um den Club für mich eine Herzensangelegenheit“ waren. Sie sieht die „Mannschaft für die kommende Saison gut aufgestellt. Ich bin von der Trendwende überzeugt.“
Die ist allerdings auch bitter nötig. Kettemann verkündete im Sommer 2022 stolz einen Fünf-Jahresplan, an deren Ende die Rückkehr in die Bundesliga-Spitze und entsprechend die Champions-League-Teilnahme stehen soll. Bislang sieht es aber nicht danach aus, dass den Mannheimern dieser eklatante Leistungssprung gelingt.
Zwar verstärkt sich der Club zur neuen Saison mit Ivan Martinovic, Sebastian Heymann und Tim Nothdurft durchaus prominent, 2025 verlässt aber Spielmacher Juri Knorr den Verein. Und um ihn herum sollte eigentlich die neue Mannschaft aufgebaut werden. Es sieht also wieder einmal nach Eingewöhnungs- und Übergangsjahren aus, von denen der Bundesligist zuletzt aber schon (zu) viele hatte.
Uwe Gensheimer ist endgültig der neue starke Mann
Bis die Suche nach einem Nachfolger für Kettemann abgeschlossen ist, setzen die Löwen auf eine vereinsinterne Lösung. Holger Bachert, zuletzt für das Partnermanagement zuständig, wird die Geschäftsführung interimistisch übernehmen. Er geht die Aufgabe optimistisch an: „Ich habe in den vergangenen Jahren und speziell über die letzten Wochen und Monate viele positive Rückmeldungen bekommen und erlebt, welche Kraft in den Rhein-Neckar Löwen steckt. Gemeinsam werden wir anpacken und mit möglichst viel Schwung in die neue Saison gehen. Ich bin absolut davon überzeugt, dass wir mit einer positiven Grundstimmung in dieses neue Kapitel starten werden.“
Bereits seit mehr als einem halben Jahr ist bekannt, dass Club-Legende Uwe Gensheimer ab der neuen Saison den Sport verantworten wird. Der langjährige Weltklasse-Linksaußen beendete gerade erst seine Karriere und möchte als Sportlicher Leiter seinen selbst ernannten „Herzensverein“ zurück zu alter Stärke und Größe führen. Was nach dem Niedergang der vergangenen Jahre schwer genug wird.
Die Startvoraussetzungen sind alles andere als optimal. Das weiß auch der waschechte Mannheimer nur zu gut: „Die Leistungsdichte in der Bundesliga ist viel höher als noch vor einigen Jahren. Auch weil andere Vereine wirtschaftlich extrem gewachsen sind. Das führt eben dazu, dass so viele Clubs um die internationalen Plätze spielen und wir nicht mehr zu den besten drei, vier Mannschaften gehören. Es ist trotzdem unser Anspruch, den Verein wieder dorthin zu bringen, wo er einmal stand.“
Genau das wird aber ein weiter und steiniger Weg.
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