Handball

Das macht den Rhein-Neckar-Löwen Mut

Die Rhein-Neckar Löwen starten in die neue Saison. Es gibt einen neuen Trainer, doch nicht nur deshalb besteht Hoffnung auf Besserung

Von 
Marc Stevermüer
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„Wir werden drei bis fünf Jahre brauchen“, sagt Löwen-Trainer Sebastian Hinze mit Blick auf die Rückkehr in die Bundesliga-Spitze. © PIX-Sportfotos/Michael Ruffler

Mannheim. Es war nur eine kleine Szene zu Beginn der Saisonvorbereitung. Noch dazu in einem unbedeutenden Testspiel gegen einen Verbandsligisten. Also nichts, was eigentlich von Relevanz wäre. Sollte man meinen. Doch dieser eine Augenblick, diese winzige Sequenz, sagte dann doch viel aus. Weil die wenigen Sekunden verrieten, wie der neue Trainer Sebastian Hinze die Rhein-Neckar Löwen künftig spielen lassen, was er von seinen Profis in der Handball-Bundesliga sehen will. Oder anders ausgedrückt: Man bekam ein Gefühl dafür, was genau der gebürtige Wuppertaler meint, wenn er von seiner „Grundidee“ spricht.

Sebastian Hinze

  • Sebastian Hinze wurde am 26. April 1979 in Wuppertal geboren. Er lebt mit seiner Ehefrau Patrycja in Schwetzingen.
  • Zu seiner aktiven Laufbahn spielte Hinze auf der Kreisläufer-Position.
  • Vereine als Spieler: TG Cronenberg, LTV Wuppertal, SG Solingen (bis 2006), Bergischer HC (2006-2011)
  • Vereine als Trainer: Bergischer HC (2012-2022), Rhein-Neckar Löwen (seit Juli 2022).

Applaudierend stand Hinze am Spielfeldrand, er hob seinen rechten Daumen. Sein Lob galt aber weniger dem jungen Niklas Michalski, der von der Rechtsaußenposition seine Torchance genutzt hatte, sondern der Aktion zuvor. In der Verteidigung erkämpften sich die Löwen den Ball, trugen ihn blitzschnell nach vorne. Ohne Abwehr-Angriff-Wechsel setzten alle zum Sprint an, ehe Olle Forsell Schefvert einen durchaus gewagten Pass ansetzte. Doch der Ball kam an und der Angriff wurde in der zweiten Welle abgeschlossen. Eine Szene, die ins Handball-Weltbild des Trainers passt. Entsprechend war es dann auch egal, dass es in der schwarzwäldischen Provinz nur gegen den TSV Altensteig ging. Denn Hinze sah, was er sehen wollte. Und zukünftig sehen will. Auch wenn sein Verlangen nach Vollgas in der Bundesliga schwieriger zu befriedigen sein dürfte.

Vertrauen in die Neuzugänge

Unabhängig davon hat der 43-Jährige aber in seinem Kader das Personal für seine Philosophie. Die Zeiten, in denen Spezialisten das unausgeglichen besetzte Aufgebot prägten und es zuverlässig zu Bildern an der Bank kam, die einem Schichtwechsel glichen, sind vorbei. Was an den beiden Neuzugängen Halil Jaganjac und Forsell Schefvert liegt. Beide Spieler geben den Badenern „Abwehrqualität“, wie es Hinze sagt. Sie sind aber auch in der Offensive von Wert und bieten jeweils ein Komplettpaket, das bislang kaum Profis mitbrachten, wie der Trainer herausstellt: „Die Analyse der vergangenen eineinhalb Löwen-Jahre hat gezeigt, dass es zu wenig Spieler gab, die dieses Tempospiel aus der Abwehr heraus initiieren, gestalten und mitgehen können. Olle und Halil können das.“

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Dass sich Hinze frühzeitig mit seinem neuen Club befassen konnte, liegt an der langen Vorlaufzeit seines Engagements. Bereits im Frühling 2021 machten die Löwen die Verpflichtung des gebürtigen Wuppertalers perfekt, dafür warteten sie sogar eineinhalb Jahre auf ihren Wunschtrainer, der noch beim Bergischen HC unter Vertrag stand. Eine ungewöhnliche Lösung. Aber auch eine, von der die Badener überzeugt sind. Hinze spürte ebenfalls schnell, dass er Lust auf diese Aufgabe hat. Und nun soll er dem Aufbruch in die nächste Löwen-Epoche die lange vermisste Substanz verleihen. „Die Zeit der Ausreden“, so sagt es auch Kreisläufer Jannik Kohlbacher, sei nach Jahren des Umbruchs, Neuanfangs, Aufbruchs und Niedergangs nun auf jeden Fall „vorbei“.

Die Hoffnungen ruhen dabei auf Hinze, der immer wieder das Tempospiel thematisiert. So wie ein Prediger. Nur ohne von Teufel und Erlösung zu sprechen, sehr wohl aber von „Intensität“. Häufig fiel in den vergangenen Wochen dieses Wort. Weil das Trainingsprogramm umfangreich und der Konkurrenzkampf groß war. Es sei ganz schön zur Sache gegangen, stellt Kapitän Uwe Gensheimer fest. Man habe Hinze die Begeisterung für die Aufgabe in Mannheim angemerkt.

Der Trainer selbst hinterlässt bislang trotz des Tatendrangs den Eindruck eines in sich ruhenden Fachmanns. Er arbeitet viel, verfällt aber nicht in Aktionismus. Es geht ihm um die Kunst des Machbaren, entsprechend werden seine Ideen nicht bloß von Enthusiasmus getragen, sondern von einem planenden Verstand. Und einem ausgesprochenen Realitätssinn, der vielen anderen im Club in den vergangenen Jahren abhanden gekommen war.

Das Schmid-Erbe

Allerdings könnte die Aufgabe des Hoffnungsträgers kaum schwerer sein. Denn es geht ja nicht nur darum, einen dramatisch abgestürzten Spitzenverein wieder nach oben zu führen, sondern genau dieses Ziel auch noch ohne den wichtigsten Spieler der Vereinsgeschichte anzugehen.

Vor wenigen Wochen endete bei den Löwen die Ära Andy Schmid, der wie kein anderer das Spiel des Bundesligisten prägte. Entsprechend müssen die Badener nun den auf drei bis fünf Jahre angesetzten Angriff auf die Bundesligaspitze ohne ihre Legende angehen, dafür aber mit einem der größten Talente des deutschen Handballs: Juri Knorr. Neben der des Trainers ist dies zweifelsohne die spannendste Personalie beim zweifachen deutschen Meister, wo sie ganz genau wissen, wie groß die von Schmid hinterlassene Lücke ist.

Niemand wird diese Leerstelle allein ausfüllen können, Hinze plant deshalb zusätzlich mit Forsell Schefvert auf der Mitte. Doch die Augen werden sich vor allem auf Knorr richten, der nun „froh“ ist, „mein Ding machen zu können“, nachdem er ein Jahr lang an der Seite von Schmid lernte.

Torschuss von Halil Jaganjac aus Mannheim, in der Abwehr Jon Lindenchrone Andersen und Vid Poteko.
© PIX-Sportfotos/Michaela Kösegi

Eine „mega-wichtige Erfahrung“ sei das gewesen, sagt der 22-Jährige, der schon in der vergangenen Saison immer wieder mit dem prominenten Schweizer verglichen wurde. Zeitweise sei das „schon eine Last für mich“ gewesen, gibt Knorr ehrlich zu: „Wenn wir über ihn sprechen, reden wir über die Legende der Löwen. Wie soll ich da in meinem Alter herankommen?“ Eine berechtigte wie rhetorische Frage. Denn Schmid ist Schmid, Hinze bezeichnet ihn gar als „einzigartig“.

Der Verlust des Schweizers schmerzt also. Andererseits kommen bei den Löwen zwei „Neuzugänge“ hinzu, die schon da waren. Beide spielen auf der Torwartposition, die aus verschiedensten Gründen in der vergangenen Saison eine Problemzone war. Der zweifache Meisterkeeper Mikael Appelgren kehrte nach zweijähriger Verletzungspause erste im Laufe der Rückrunde mit einigen sehr guten, aber auch einigen schwächeren Auftritten zurück.

Dass die Konstanz nach der langen Leidenszeit fehlte, überraschte allerdings nicht unbedingt. Sehr wohl jedoch die vereinzelten Leistungsspitzen in Richtung Weltklasse. Appelgren deutete also an, dass er nichts verlernt hat und mit ihm wieder zu rechnen ist. Nach absolvierter Saisonvorbereitung fühlt sich der Schwede gar wie ein „19-Jähriger“, obwohl er 13 Jahre älter ist. Wichtig für ihn: Das Vertrauen in den eigenen Körper und die eigenen Fähigkeiten ist zurück. Und wirkt wie eine Verjüngungskur.

Großes Trainerteam

Diese benötigt Appelgrens sieben Jahre jüngerer Kollege Joel Birlehm vermutlich nicht. Nach seinem Blitzwechsel im Januar fühlt sich der gebürtige Herforder aber weiterhin „ein bisschen wie ein Neuer“, weil er erst einmal in der neuen Heimat ankommen musste. Bei den Löwen wechselten sich in den ersten Monaten richtig gute Auftritte mit eher nicht so gelungenen Partien ab. Doch auch bei ihm zeigte von Woche zu Woche die Formkurve nach oben.

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Der neue Torwarttrainer Dragan Jerkovic legt sich fest, dass die Badener in dieser Saison kein Problem zwischen den Pfosten bekommen werden. Der Kroate ist ein anerkannter Experte in seinem Job und Teil des größten Trainerstabs, den es je beim deutschen Pokalsieger von 2018 gab. Fest zum Team gehören noch Athletikcoach Florian Schulz und Michael Jacobsen, der als Assistent dem neuen Chef Hinze zur Seite steht und die Idee hinter dem XXL-Trainerteam erklärt: „Wir kommen weg von dieser Idee eines Alleinherrschers. Die athletischen und technischen Ansprüche werden immer höher, die Spieler wünschen mehr individuelle Betreuung.“

Es geht um Spezialisierung und Kleinigkeiten. Selbst in einem Testspiel gegen einen Verbandsligisten.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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