Steven Plucnar genoss jeden Moment. Erst auf der Platte. Und danach bei der Feier mit den Fans. Was nur allzu verständlich war, hatte der 23-Jährige doch allen Grund zur Freude. Mit den Rhein-Neckar Löwen bezwang der Kreisläufer am Dienstag in der European League den schwedischen Meister IFK Kristianstad mit 36:28 (17:14), Plucnar selbst erhielt außerdem viel Spielzeit. Der Zwei-Meter-Hüne erzielte fünf Tore, kam auch im Innenblock zum Zug. Nach einem schwierigen Start beim Pokalsieger zeigt der Trend bei ihm nach oben.
„Es ist immer so, dass man als junger Neuzugang erst einmal nicht so viel spielt. Aber jetzt läuft es immer besser. Ich freue mich über jede Spielminute“, sagte der Rechtshänder, der vor der Saison vom dänischen Erstligisten KIF Kolding zu den Löwen gewechselt war und der von Trainer Sebastian Hinze ein - wenn auch eingeschränktes - Lob erhielt: „Die erste Viertelstunde war gut, anschließend bin ich bis zum Seitenwechsel nicht so zufrieden gewesen. Aber auch in der zweiten Halbzeit macht Steven dann ein gutes Spiel. Er braucht diese Momente und muss aus ihnen lernen. Das macht Steven bislang.“
Es tut gut, etwas anderes als Handball zu haben. Man kann in seiner Freizeit Playstation spielen, aber das will ich nicht.
Keine Frage: Plucnar ist ein guter Zuhörer. Er will sich stetig verbessern. Und so verwundert es nicht, dass der 23-Jährige nach nur wenigen Monaten in der Bundesliga fließend Deutsch spricht. Eine Tatsache, die seinen Ehrgeiz, sich in der stärksten Liga der Welt durchsetzen zu wollen, nur unterstreicht. Und noch dazu seine ausgeprägte Lernbereitschaft verdeutlicht. Auf dem Feld. Und neben dem Feld. Der Däne will kommunizieren, sich einbringen und seinen Horizont erweitern. Er strebt nach Wissen. Beim Handball. Bei der Sprache. Und auch sonst. Denn der Kreisläufer studiert parallel zu seiner Karriere noch Medizin.
Medizin-Studium für Spitzensportler in Odense
Im dänischen Odense wird ein Studiengang nur für Spitzensportler angeboten. Eine Präsenzpflicht gibt es nicht, viele Dinge laufen digital ab. Momentan hat Plucnar allerdings dieses „Projekt ein wenig in die Warteschleife“ legen müssen, wie er selbst zugibt. Angesichts des Umzugs von Dänemark nach Deutschland und von Spielen im Drei-Tage-Rhythmus ist die Zeit gerade zu knapp, um sich ausführlich mit Anatomie und Physiologie zu beschäftigen. Die Herausforderungen bei den Löwen sind groß, Plucnar bereitet sich deshalb lieber auf Hamburg und Kristianstad anstatt auf Herz und Kreislauf vor. „In erster Linie bin ich Handballprofi“, betont der 23-Jährige. Doch nachdem er sich in der Rhein-Neckar-Region und bei den Löwen eingefunden hat, plant der Rechtshänder ab Sommer 2024 eine Fortsetzung seines Studiums.
„Es tut gut, etwas anderes als Handball zu haben. Man kann in seiner Freizeit Playstation spielen, aber das will ich nicht.“ Plucnar möchte lieber pauken, seinen Kopf „auch außerhalb des Handballs nutzen“. In seinem Fall für Medizin. Wenngleich seine Priorität der Handball bleibt. Der Däne will schließlich seine Chance in Mannheim nutzen.
„Man kann nicht davon ausgehen, ein Angebot von den Löwen zu bekommen“, gibt der Kreisläufer zu, vom Interesse des Pokalsiegers überrascht gewesen zu sein. Als es dann aber konkret wurde, musste er „nicht lange überlegen. Es war immer ein Traum von mir, irgendwann in die Bundesliga zu gehen.“ Und jetzt ergab sich diese Möglichkeit. Zum ersten - und vielleicht auch schon zum letzten Mal in seinem Leben, weshalb Plucnar zügig alle Zweifel zur Seite schob: „Ich musste das machen. Denn wenn ich eines Tages 40 Jahre alt bin und zurückschaue, will ich mich nicht fragen: ,Wie wäre wohl meine Karriere verlaufen, wenn ich damals zu Löwen gegangen wäre?’“
Steven Plucnar hat sich seine Handball-Karriere hart erarbeitet
Was aus ihm beim Pokalsieger wird und was dort noch kommt - es lässt sich momentan nicht seriös prognostizieren. Plucnar steckt in einer Eingewöhnungs- und Entwicklungsphase, er muss sich an das höhere Tempo, die größere Härte, die bessere individuelle Klasse seiner Gegenspieler gewöhnen, um selbst sein nächstes Leistungslevel zu erreichen. Dass er das kann, hat der Däne allerdings schon bewiesen.
Früh zeichnete sich in seiner Jugend ab, dass der Rechtshänder kein Handball-Wunderkind, kein Senkrechtsrater sein wird. Dass ihm wenig zufliegt und er sich stattdessen viel erarbeiten muss. Als der Mann aus Sjælland als 15-Jähriger aufs Sportinternat des dänischen Erstligisten GOG Gudme ging, musste sich der Kreisläufer in der wahrscheinlich weltbesten Nachwuchsakademie durchbeißen und erst einmal hintanstellen. Plucnar berichtet, „die Nummer fünf“ auf seiner Position gewesen zu sein: „Ich war also definitiv nicht das größte Talent.“
Löwen-Trainer Sebastian Hinze schätzt den Wissensdurst von Steven Plucnar
Bei GOG werde jedoch allen Handballern täglich vorgelebt, dass man hart arbeiten müsse, um seine Ziele zu erreichen und um besser zu werden, berichtet Plucnar, der sich daran orientierte: „Ich wollte besser werden, deswegen war ich ja dort. Und aus diesem Grund habe ich hart gearbeitet und vor allem genau zugehört, wenn die Trainer mit mir gesprochen haben.“
Die Fortschritte folgten. Zwar langsamer, aber stetig. Und es waren die kleinen Schritte, mit denen er es jetzt bis zu den Löwen schaffte. Trainer Hinze sieht in Plucnar ein „Langzeitprojekt“. Also einen Spieler, den er formen muss und will. Der Coach hat darauf große Lust. Weil er den Wissensdurst, den Ehrgeiz und die Geduld des Dänen schätzt.
Hinze wiederum war der wichtigste Grund, warum sich der Kreisläufer für die Löwen entschied: „Sebastian hat mich überzeugt. Relativ schnell wurde mir klar, dass dieser Verein einen konkreten Plan für mich hat.“ Nun ist ein Anfang gemacht. Weitere Fortschritte sollen folgen.
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