Stuttgart. Der Matchwinner für die TSG Hoffenheim stand diesmal im Tor. Bei jeder Angriffsaktion des VfB Stuttgart fand Keeper Oliver Baumann am Samstag die passende Antwort – mal eine reflexartige, mal eine einfach nur beeindruckende. Auf die Frage nach dem Grund für die Auswärtsstärke seiner TSG Hoffenheim hatte der Torwart dann nur ein ratloses Schulterzucken parat. „Ich weiß es nicht“, sagte der Mann des Tages und entschwand nach dem 3:2-Erfolg der TSG in Richtung Kabine.
Auswärts hui (15 von 15 möglichen Punkten), daheim pfui (drei von zwölf möglichen Zählern) – das ist derzeit das Motto der Kraichgauer. Die Triple-Bayern der Saison 2012/13 schafften zuletzt das Kunststück, die ersten fünf Bundesliga-Auswärtsspiele einer Saison allesamt zu gewinnen. Allerdings gewiss nicht mit dieser Statistik: In allen fünf Hoffenheimer Auswärtsspielen hatte der Gegner bisher nämlich mehr Torschüsse als die TSG. Trotzdem nahmen die Kraichgauer jedes Mal die drei Punkte mit.
So krass wie am Samstag fiel diese Statistik allerdings bislang noch nicht aus: 25:7-Torschüsse für den VfB standen am Ende zu Buche – zudem die bessere Passquote (89 zu 66 Prozent) und 73 Prozent Stuttgarter Ballbesitz. „Alle Spieldaten sprechen für uns“, klagte VfB-Sportdirektor Fabian Wohlgemuth. Nur die Ergebnisanzeige auf den Videotafeln der Stuttgarter Arena sagte eben etwas anderes aus: Stuttgart 2, Hoffenheim 3.
Entsprechend bedient zeigte sich Wohlgemuth: „Hoffenheim hat mit Eiseskälte, mit ein bisschen Glück und mit einem sehr guten Torwart drei Punkte geholt“, fasste der VfB-Sportdirektor die mehr als 100 Minuten dieses packenden Landesduells treffend zusammen. Mit dem Ergebnis fand die Stuttgarter Serie nach sechs Siegen ihr Ende.
„Es geht um Tore, es geht um Effizienz. Da war Hoffenheim heute besser“, erkannte auch VfB-Trainer Sebastian Hoeneß. Viel mehr Chancen zu kreieren – das gehe nicht.
Neuer defensiver Ansatz der TSG
Der verletzte Torjäger Serhou Guirassy nutzte für die Stuttgarter an den ersten acht Spieltagen 52,1 Prozent seiner Torchancen. Von diesen Traumwerten war der bisherige Tabellenzweite gegen Hoffenheim so weit entfernt wie zu Saisonbeginn von den tabellarischen Sphären, in denen er aktuell unterwegs ist.
Die Kraichgauer standen indes tiefer und kompakter als zuletzt. Gegen Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt zeigte sich die TSG-Defensive mit einem anderen Ansatz in der Abwehr noch anfällig. „Da haben wir eine Spielanlage gewählt, die nicht so zu unseren Stärken passt“, so Trainer Pellegrino Matarazzo.
Merke: Wer tief steht, muss niemandem hinterherrennen, sondern läuft den anderen erfolgreich beim Kontern davon. So wie vor dem 1:0 durch Grischa Prömel (4.) und dem 2:0 durch das Elfmetertor von Wout Weghorst (21.). Auch das 3:1 von Robert Skov resultierte aus einem Konter (66.). Für den VfB trafen Chris Führich (61.) und Deniz Undav (74.). „Unsere Konterabsicherung ist ein zentraler Punkt“, bemängelte Hoeneß nach der ersten Liga-Heimniederlage seiner Amtszeit: „Wir haben nicht richtig wach verteidigt.“
Zum Hoffenheimer Sieg hätten aber auch die drei eigenen Treffer nicht gereicht, wenn Baumann nicht schon jetzt in EM-Form spielen würde. Als „verrückt“ bezeichnete der 33-Jährige den bereits zwölften gehaltenen Bundesliga-Elfmeter seiner Karriere. Den selbst verursachten Strafstoß an und von Undav lenkte er mit den Fingerspitzen an den Pfosten (30.) und rettete so die 2:0-Führung in die Halbzeitpause. „Das war für mich kein Elfer. Deshalb musste ich ihn halten“, sagte Baumann und grinste.
In den Schlussminuten verhinderte der Torhüter dann gegen Silas, Waldemar Anton und Enzo Millot den 3:3-Ausgleich. Baumann gab hinterher auf dem Zaun des Gästeblocks den Vorsänger, im Gespräch äußerte er sich dann aber alles andere als euphorisch.
Baumann ist nicht nur ein Meister beim Nervenspiel des Elfmeters, sondern auch ein cleverer Zeitspieler. Immer wieder verzögerte er geschickt, nahm Sekunden von der Uhr, blieb dafür aber ohne Verwarnung. „Die Hoffenheimer sind ein bisschen länger auf dem Rasen gelegen“, bemerkte Wohlgemuth.
Hoeneß froh über Englische Woche
Unfair sagen die einen, abgezockt die anderen. „Ich finde, dass wir das heute gut gemacht haben, unsere Zeit genommen haben. Das hat den Gegner irritiert“, lobte Stürmer Weghorst seine Kollegen für die bisher unbekannte Cleverness.
Wie clever gehen die Stuttgarter nun mit dem unerwarteten Rückschlag um? „Wir sind auch nach dem 1:5 in Leipzig recht schnell wieder aufgestanden. Die Mannschaft ist so stabil, dass sie damit umgehen kann“, sagt Wohlgemuth mit Blick auf die Duelle mit Union Berlin im DFB-Pokal und dem 1. FC Heidenheim in der Liga.
Trainer Hoeneß ist indes froh, dass bereits am Dienstag (18 Uhr) das nächste Heimspiel ansteht. Dann gegen krisengeplagte Berliner. Wohlgemuth sieht seine Mannschaft dabei leicht im Vorteil. „Wir spielen daheim, haben die Fans im Rücken und bei Union wächst der Druck. Da werden wir versuchen, deren Negativserie weiter auszubauen“, sagt er angesichts von zehn Pflichtspielniederlagen der Berliner in Folge.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Warum die TSG Hoffenheim an das Herbstmeisterteam 2008 erinnert