Ried. Um den Start in die Vorbereitung ranken sich viele Mythen. Spätestens seit der Pandemie, als Fitness-Apps und Ganzkörpertrainings auch im Amateurfußball Einzug hielten, gibt es keine echten Winterpausen mehr. Hochmotivierte Trainer, die sich die digitale Macht zu eigen gemacht haben, geben ihren Spielern ambitionierte Pläne mit. Unsere Amateure sind ja schließlich echte Profis. Beim Trainingsauftakt wird dann jedes Weihnachtspfund auf die Goldwaage gelegt. Oder?
Die Realität im Ried sieht anders aus. „Wir spielen C-Klasse“, schmunzelt Martin Göring, der Trainer des VfB Lampertheim, der als Tabellenzweiter immerhin um den Aufstieg spielt. Mehmet Öztekin, der Coach des C-Liga-Spitzenreiters Eintracht Bürstadt II, haut in dieselbe Kerbe: „Ich bin schon froh, wenn es ein paar Jungs schaffen, ins Training zu kommen.“ Thomas Düpre, der Trainer des FC Olympia Lampertheim, verweist auf die „sehr kurze“ Winterpause: „Wir haben ja auch ein wenig in der Halle trainiert.“
Die Erwartung, dass in höheren Ligen mehr Zug drin ist, erweist sich als Trugschluss. „Die Jungs sollen ihre Pause nutzen. Jeder macht alles auf freiwilliger Basis“, sagt Torsten Schnitzer, der Spielertrainer des Kreisoberligisten FV Biblis.
Selbst Karl-Heinz Göbel, der Übungsleiter der ersten Eintracht-Mannschaft, entgegnet: „Ich habe meinen Spielern in 40 Jahren als Trainer noch nie Vorgaben gemacht.“ Nur Tobias Beltz, Trainer des abstiegsbedrohten Gruppenligisten FSG Riedrode, räumt ein, seinen Jungs einen „individuellen Vorbereitungsplan“ mitgegeben zu haben, um „Rumpfstabilität, Beinmuskulatur und Grundlagenausdauer aufzubauen“. Der Begriff „intrinsische Motivation“ ist im Zeitalter von Mental-Coaching ein Modewort. Im Ried scheint das Prinzip der Selbstmotivation seit jeher die Goldene Regel zu sein, wenn es um die Winterpause geht. „Meine Ansage ist immer: ‚Kommt nicht untrainiert zum ersten Training‘“, meint Göring. Nach dem Trainingsstart sieht er sich bestätigt: „Viele haben etwas getan. Zugenommen hat keiner groß. Die Jungs ziehen gut mit.“
Göbel vertraut seinen Spielern
Göbel vertraut seinen Schützlingen blind. „Die Spieler müssen so erzogen sein, dass sie wissen, was sie in der Winterpause brauchen. Der eine braucht einen Waldlauf, der andere geht schwimmen oder macht Krafttraining“, holt der 62-Jährige aus: „Die Spieler kennen meine Philosophie und wissen, was sie im Vorbereitungstraining erwartet.“ Von Kontrollen hält er nichts: „Was soll ich einen Spieler in den Wald schicken und er soll mir die Zeit durchgeben? Vielleicht geht sein Kumpel für ihn rennen.“
Mit seiner Linie habe er „immer positive Erfahrungen gemacht“, verrät Göbel: „Klar gibt es immer wieder Spieler, die mit etwas Speck aus der Pause kommen. Aber den können sie in der Vorbereitung abarbeiten.“ Passiere das nicht, „kommen die Spieler ganz einfach nicht mehr zum Zug“, stellt der Eintracht-Coach klar.
FSG-Trainer Beltz ist „kein allzu großer Fan von Bestrafungen“, wie er betont: „Das nutzt sich irgendwann ab.“ Die Eigenmotivation, die jeden Einzelnen anspornen soll, „sonntags besser zu sein als der Gegenspieler“, überträgt der 31-Jährige auf das ganze Team: „Die Bestrafung ist am Ende des Tages, dass sie nicht punkten.“
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