Bürstadt. Den Rücktritt von Benjamin Sigmund als Spielertrainer von Eintracht Bürstadt wollte Vereinsvorsitzender Rainer Beckerle am Sonntagabend noch nicht kommentieren. Zu tief saß der Schock über die Entscheidung, die Sigmund unmittelbar nach dem 0:7 gegen Gruppenliga-Spitzenreiter 1. FCA Darmstadt verkündete. Vor allem wollte Beckerle aber erst das persönliche Gespräch mit Sigmund abwarten.
Am Montagnachmittag war es so weit. „Wir hatten ein sehr gutes Gespräch. Es war ein sehr emotionales Gespräch, aber nicht im negativen Sinne“, sagte Beckerle und ergänzte: „Wenn beide Seiten am Ende feuchte Augen haben, ist das schon vielsagend.“ Dass es keine einfache Unterhaltung gewesen sei, berichtete auch Sigmund. „Da war viel Wehmut dabei“, meinte der 43-Jährige, der nicht viel zu den Inhalten sagen wollte. Der Entschluss, sein Engagement in Bürstadt nach fast sieben Jahren zu beenden, geht auch an ihm nicht spurlos vorbei.
Aus der A-Liga nach oben
Eines konnten Beckerle und Sigmund versichern: Einen Rücktritt vom Rücktritt wird es nicht geben. „Darum ging es mir auch nicht. Zumal ich weiß, dass Benny nicht der Typ für sowas ist“, betonte Beckerle: „Ich wollte ihm nur noch mal den Respekt und den Dank entgegenbringen, den er sich absolut verdient. Benny hat Vereinsgeschichte geschrieben. Er hat die Eintracht in eine Spielklasse geführt, in der sie nie vorher gespielt hat – und das mit den bescheidenen Mitteln, die wir hier haben.“ Sigmund werde „immer ein Teil der Eintracht bleiben und die Eintracht immer ein Teil von ihm“, stellte Beckerle klar: „Dass alles irgendwann endet, liegt in der Natur der Sache. Wir gehen aber absolut im Guten auseinander. Die Gründe für seine Entscheidung respektiere ich, auch wenn sie für mich aus heiterem Himmel kam.“
Auch für Sigmund, der die Eintracht als A-Liga-Meister 2017 und Kreisoberliga-Meister 2018 in die Gruppenliga führte und bis heute dort hielt, überwog im Gespräch mit dieser Redaktion am Dienstag das Positive: „Der Verein hat mir damals die Chance gegeben. Ich habe etwas zurückgegeben. Die Eintracht wird immer ein Teil von mir sein.“ Der Ex-Coach, der am Sonntag nur von „persönlichen Gründen“ gesprochen hatte, äußerte sich auch ausführlicher zu seinem Rücktritt. „Es gibt wohl nie den richtigen Zeitpunkt dafür – und je länger man den Job macht, umso schmerzlicher ist der Abschied. Die Entscheidung habe ich jetzt aufgrund der sportlichen Situation getroffen“, holte er aus.
Das 0:7 gegen Primus Darmstadt sei „natürlich kein Gradmesser“, betonte Sigmund, der nur einen Punkt aus den letzten sechs Spielen holte: „Es ist auch nichts vorgefallen. Vielmehr war es ein schleichender Prozess. Wenn der Plan, den ich als Trainer klar vorgebe, wiederholt nicht umgesetzt wird, liegt es nah, dass man etwas verändern muss – und dass man selbst den Schritt macht.“
Vorwürfe gegen sein Team wollte Sigmund nicht erheben. Allerdings räumte er ein: „Es kann schon sein, dass ich nicht mehr jeden erreicht habe.“ Zum schleichenden Prozess, den der frühere Regionalliga-Spieler ansprach, hielt Sigmund fest: „Ich habe die Eintracht-DNA nicht mehr in Gänze gespürt, zumindest in der Umsetzung.“
Teamgeist, ein unbändiger Zusammenhalt: Das waren für Sigmund die Eigenschaften, die bei der Eintracht seit seiner Amtsübernahme Ende 2015 „den Unterschied gemacht“ hätten: „Sicher sind auch viele Spieler von früher nicht mehr dabei. Wenn dieser Pluspunkt wegfällt, wird es schwer.“
Seine Ex-Mannschaft sieht Sigmund, der bis Sonntag der dienstälteste Trainer im Ried war, nicht schlecht aufgestellt. „Aus der Situation kann man noch etwas machen“, ist er überzeugt. Er unterstrich jedoch: „Unterm Strich war es bisher zu wenig. Wir könnten bequem sechs Punkte mehr haben.“ Mit zwölf Zählern aus 13 Spielen belegt die Eintracht zurzeit den vorletzten Platz. Zum rettenden Ufer fehlen drei Punkte. Seinem langjährigen Kapitän Flamur Bajrami traut Sigmund die Interimsrolle zu. „Wahrscheinlich kann er wegen seiner Selbstständigkeit nur eine Interimslösung sein. Ich kann mir aber vorstellen, dass er diese Zeit gelöst bekommt“, mutmaßte der Coach, der sich „weiter sportlich bestätigen“ will. Eine neue Aufgabe stehe momentan jedoch „ganz weit hinten in der Prioritätenliste“, so Sigmund: „Ich warte auf keinen Anruf.“
Bajrami, der im Sommer seine aktive Karriere beendete, soll die Eintracht „bis zur Winterpause“ betreuen, sagte Beckerle. „Angedacht ist, dass wir mit einem neuen Trainer in die Rückrunde gehen. Wenn sich früher etwas ergibt, dann ist es eben früher“, erklärte er. Den 35-jährigen Bajrami hält Beckerle „vom Fachverstand und seiner Erfahrung her für die richtige Wahl“. Wohl auch mit Blick auf die Vereins-DNA: „Flamur ist nicht erst seit gestern bei uns.“
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