Gesundheitsserie

Wie Lungenpatienten ihr Leben nicht der Krankheit überlassen

Wer unter COPD oder anderen Lungenkrankheiten leidet, ist oft eingeschränkt. An Sport ist da wohl kaum zu denken. Oder doch? Beim TSV 1846 Mannheim gibt es extra Lungensportgruppen - und deren Mitglieder machen große Fortschritte

Von 
Sibylle Dornseiff
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Kein gewöhnlicher Stuhlkreis: Die Lungensportgruppe des TSV 1846 Mannheim dehnt die Brust- und Rückenmuskulatur. Das ist eine Voraussetzung für erfolgreiche Atemübungen. © Michael Ruffler/Pix

Mannheim. Atemnot, Husten und eine allgemeine Schwächung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Diese vorrangigen Symptome der Lungenkrankheit COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease) sind an sich schon unangenehm genug. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Verengung der Atemwege ebenso chronisch wie unheilbar ist und sich sogar auf andere Organe ausweiten kann.

Doch auch wenn es noch kein Heilmittel gegen COPD gibt, so kann spezieller Sport die medikamentöse Therapie unterstützen. Ein entsprechendes Angebot hat die Gesundheitsabteilung des TSV 1846 Mannheim im Programm und rund 50 COPD-Patientinnen und Patienten - aufgeteilt in drei Gruppen - nutzen es. Sie sind entschlossen, ihr Leben nicht der Krankheit zu überlassen, sondern aktiv für eine Verbesserung zu kämpfen.

Keine gemütliche Sitzgymnastik

Alle, die an einem Oktober-Donnerstag, 12.30 Uhr, den Kursraum 4 im TSV-Gebäude neben dem Fernmeldeturm betreten, haben ein Lächeln im Gesicht, freuen sich sichtlich auf die nächsten 60 Minuten mit Trainerin Tanja Renner. Die lässt ihre Schützlinge an diesem Tag einen Stuhlkreis aufstellen.

Doch was sich danach entwickelt, hat so gar nichts mit gemütlicher Sitzgymnastik zu tun. Renner, die sich nach ihrem Sportpädagogik-Studium im Rehasport fortbildete, 1996 zuerst beim TSV eine Herzsportgruppe übernahm und zwei der drei Lungensportgruppen leitet, fordert einen ständigen Wechsel von Bewegungen im Kreis (vorwärts, rückwärts, seitwärts, Kreuzschritte) sowie Mobilitäts- und Kräftigungsübungen aller Muskeln und Gelenke im Sitzen oder Stehen.

Intensität ist jedem selbst überlassen

Immer wieder ist auch Koordination gefragt, beispielsweise wenn die rechten und linken Füße oder Hände unterschiedliche Bewegungen machen. Besonderes Augenmerk legt die Trainerin auf Brust- und Rückendehnung - eine Voraussetzung für erfolgreiche Atemübungen. Die finden mal stationär, mal während der Fortbewegung statt, um so die Integration in den normalen Alltag zu erleichtern.

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Die Intensität der Übungsausführung ist der individuellen Leistungsfähigkeit überlassen, doch die Mischung aus Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Koordination zeigt bei den an diesem Tag neun Frauen und einem Mann bald Wirkung. Es dauert nicht lange, bis die ersten Jacken ausgezogen werden.

"Tanja ist einfach super"

Tanja Renner hat immer alle im Blick, noch bevor die Konzentration in Verkrampfung mündet, fordert sie zum bewussten Lächeln auf - und schon sind alle wieder gelöst. Vor dem gemeinsamen Mittagessen leitet das Ende eine Runde Lach-Yoga ein, bevor sich alle noch einmal auf den oberen Brustkorb klopfen und so die Thymusdrüse lockern.

Der Stuhlkreis ist nur einer von mehreren Trainingsschwerpunkten. Andere sind diverse Handgeräte oder auch - an Sommertagen bevorzugt - Einheiten auf der Matte. „Tanja ist einfach super. Sie ist kompetent, hat immer Alternativen parat, kümmert sich um alle. Auch um diejenigen, die zusätzlich Herz- oder Arthrose-Probleme haben“, sagt Angelika Rückert über ihre Trainerin. Erst im Februar ist sie nach einem Herzinfarkt mit bleibender akuter Atemnot zur Gruppe gestoßen und spürt schon Verbesserungen. „Ich komme jetzt ohne abzusetzen bis in den zweiten Stock. Daran war anfangs überhaupt nicht zu denken“, erzählt sie.

Verbesserungen für den Alltag

Im Gegensatz zu Rückert war Kurt schon immer sportlich. „Das hat mir sicherlich geholfen.“ Der 70-jährige COPD-Patient ist seit der Gründung der Gruppe 2014 dabei und ein gutes Beispiel dafür, dass negative Prognosen nicht immer stimmen müssen. „Sogar mein Arzt hat festgestellt, dass sich mein Lungenvolumen verbessert hat - auch wenn das eigentlich gar nicht möglich sein soll.“

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Dasselbe erlebt die 67-jährige Betty, bei der vor drei Jahren COPD diagnostiziert wurde und der es sehr schlecht ging. Jetzt ist die Ex-Karatekämpferin putzmunter und zeigt bei allen Übungen vollen Einsatz. „Auch mein Arzt hat eine Verbesserung festgestellt. Ich kann im Alltag besser atmen, meine Beweglichkeit ist gestiegen - und ich schätze die Atmosphäre in der Gruppe.“

Alle Gruppen gut gefüllt

Dass der Lungensport ihr Leben positiv beeinflusst hat, davon ist auch Angelika Stumpf überzeugt. Als Vorstandsmitglied des TSV sitzt die Hauptkassiererin sozusagen an der Quelle und nahm im Januar die Chance wahr, nach einer COPD-Reha direkt weiterzumachen. Zumal der Sport zu ihrem Leben gehört.

„Ich habe ganz schnell eine Wirkung gespürt“, so die ehemalige Handballerin, der besonders die Einheiten mit Handgeräten - vor allem Bällen - Spaß machen. „Es gibt ganz klar einen Bedarf nach Lungensport“, sagt sie in dem Wissen, dass alle drei TSV-Gruppen gut gefüllt sind. Allerdings mit deutlich mehr Frauen als Männern.

Freie Autorin Spezialgebiete Sport und Kultur:Sport: Turnen, Tanzen, Leichtathletik, Kanu, Eiskunstlauf, Short-Track, Curling, Judo, Triathlon, Rope Skipping, Turf, Reiten, Volleyball.Kultur: Theater/Schauspiel, Tanz, Ballett

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