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SVW-Trainer Glöckner: "Hoffe, dass ich Werte hinterlassen habe"

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Thorsten Hof
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Mit Kapitän Marcel Seegert pflegte Patrick Glöckner ein vertrauensvolles Verhältnis. „Den herzlichen Abschied hat er sich hier nach zwei Jahren akribischer Arbeit verdient“, sagte der Abwehrchef nach Glöckners letztem Spiel am Samstag. © Lukas Adler/Pix

Mannheim. Zwei Spielzeiten stand Patrick Glöckner an der Seitenlinie des SV Waldhof und führte den Mannheimer Fußball-Drittligisten zuletzt auf Platz fünf. Am vergangenen Samstag verabschiedete sich der SVW-Trainer nun mit dem dritten Erfolg im Landes-Pokal von den Mannheimern. Im Gespräch mit dieser Redaktion blickt der 45-Jährige zurück auf seine Zeit in Mannheim, zieht eine Bilanz und erläutert die Gründe für seinen Abschied.

Herr Glöckner, Sie sagten nach dem Liga-Finale gegen Havelse, dass Sie jetzt erst mal aufs Arbeitsamt gehen. Haben Sie sich schon die Adresse des zuständigen Job-Centers herausgesucht?

Patrick Glöckner: Ja, das musste ich schon vor längerer Zeit tun. Der gesetzliche Ablauf sieht bei zeitlich begrenzten Verträgen vor, dass man sich drei Monate vor Ablauf der Vertragslaufzeit arbeitssuchend meldet. Das gilt auch für Trainer und Spieler.

Die Bewerbungsmappe sieht doch aber ganz gut aus. Einmal Drittliga-Achter, einmal Fünfter, ein bisschen Europapokalsieger-Besieger im DFB-Pokal gegen Frankfurt und drei Mal den BFV-Pokal gewonnen. Wie fällt Ihre sportliche Bilanz aus?

Glöckner: Die fällt sehr positiv aus. Ich finde, man sieht eine klare Entwicklung. Wenn man Türkgücü mitrechnet, haben wir 64 Punkte geholt, im Vorjahr 52. Man sieht auch, dass die Mannschaft wesentlich sicherer agiert hat, weil sie besser eingespielt war. Wir hatten weniger Ausfälle und eine bessere Verfügbarkeit. Das liegt auch an den Strukturen und dem Personal, das wir für Pflege, Vor-, Nachbereitung und Trainingssteuerung eingestellt haben. Entsprechend kannst du besser abrufen.

Lässt sich das an Zahlen festmachen?

Glöckner: Wir haben uns die zweitmeisten Torchancen in der Liga erspielt, wir haben die wenigsten Torchancen zugelassen und die meisten Ballgewinne in der gegnerischen Hälfte erzielt, was für ein sehr gutes Pressing spricht. Das sind zwei Bilanzen in beide Spielrichtungen, die sensationell sind. Die Entwicklung sieht man aber nicht nur anhand des Tabellenplatzes und dieser Statistiken, sondern auch an der Entwicklung der einzelnen Spieler. Deshalb können wir damit mehr als zufrieden sein.

Zum Abschied feierte der Coach mit den SVW-Fans auf dem Zaun. © Pix

Am Ende fehlten dann nur drei magere Punkte bis zur Relegation. Ärgert Sie das?

Glöckner: Wenn mir vor der Saison einer gesagt hätte, wir holen die Punkte mit diesem Tabellenplatz, hätte ich sofort unterschrieben. Im Nachhinein ist es natürlich ärgerlich, weil wir Punkte haben liegenlassen, wo wir klar die bessere Mannschaft waren. Vielleicht war das auch bei anderen Mannschaften der Fall, aber mit ein bisschen mehr Spielglück wäre in der Tat auch etwas mehr drin gewesen.

Woran lag’s?

Glöckner: Wir haben einfach zu viele Chancen liegengelassen. Wir machen aus fünf Chancen einen Treffer, der Liga-Schnitt liegt bei vier, der Top-Wert bei drei. Wir haben ganz vorne einfach zu wenig gemacht.

Müssen Sie sich auch irgendwo an die eigene Nase fassen?

Glöckner: Aus der Winterpause sind wir etwas holprig herausgekommen. Vielleicht wäre es gut gewesen, wenn die neuen Spieler nicht erst nach der Wintervorbereitung gekommen wären. Das hätte uns etwas mehr Eingespieltheit und Sicherheit gegeben.

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Gab es da ein Spiel, das Sie im Rückblick heute noch wurmt?

Glöckner: Ganz klar Zwickau. Da hatten wir 8:0 Chancen plus einen Elfmeter und gehen am Ende mit einem 1:1 raus, weil wir uns noch ein Eigentor schießen. Gerade in dieser Saisonphase hat das sehr wehgetan.

Und was war das Highlight?

Glöckner: Ganz klar, das Pokal-Spiel gegen Frankfurt. Die Atmosphäre, so gegen einen übermächtigen Gegner zu bestehen. Das vergisst man einfach nicht. Das war schon toll.

Im ersten Jahr gab nur wenig den Ausschlag, dass Platz neun verbessert werden konnte. Im zweiten Jahr war der Fortschritt deutlicher. Lag es nur am Personal wie Marco Höger und Marc Schnatterer oder ist auch der Rest auf ein anderes Level gekommen?

Glöckner: Sowohl als auch. Einige haben sich im zweiten Jahr dann auch noch mehr an die Liga gewöhnt und selbst die namhaften Neuzugänge mussten ja zunächst das Team sowie die Abläufe kennenlernen und sich an das entsprechende physische Niveau anpassen. Dazu kam, dass wir nicht so viele Ausfälle wie im Vorjahr hatten, die Mannschaft eine gewisse Sicherheit und die Jungs ein gutes Selbstvertrauen aufbauen konnten. Die neue Struktur war in der zweiten Saison auch schon weiter, und somit wir konnten wir uns im Trainerteam nun noch mehr auf das Wesentliche konzentrieren.

Zwei Jahre SV Waldhof

  • Patrick Glöckner wurde am 18. November 1976 in Bonn geboren, er wuchs aber im Rhein-Main-Gebiet auf.
  • Der 45-Jährige gab am 22. September 1996 sein Profi-Debüt für Eintracht Frankfurt.
  • Seine Trainer-Karriere startete Glöckner im Unterbau des FSV Frankfurt und bei Eintracht Frankfurt. Cheftrainer war er bei Viktoria Köln und beim Chemnitzer FC.
  • Nach dem Abstieg der Sachsen im Sommer 2020 wurde Glöckner Nachfolger von Bernhard Trares beim SV Waldhof Mannheim.

Auf die zwei Jahre betrachtet: An der Entwicklung welchen Spielers hatten Sie besonders Spaß? Wer hat den größten Sprung gemacht?

Glöckner: Pauschal lässt sich das schwer sagen. Anton Donkor kam aus Jena, wo er kaum eine Rolle gespielt hat, Marcel Costly oder Dominik Martinovic hatten in ihren Clubs keine Hauptrolle, als sie zu uns kamen. Stefano Russo kam aus der Verbandsliga-Mannschaft und hat sich gut entwickelt. Mit diesen vier Spielern haben vor zwei Jahren vielleicht die wenigsten gerechnet.

Es gab auch Störfeuer während der Saison. Mitten in die Vorbereitung platzte die Vorgabe, in den nächsten zwei Jahren den Aufstieg zu realisieren, im November musste mit Sportchef Jochen Kientz einer Ihrer Vertrauten gehen. Hat das die Arbeit zeitweise belastet?

Glöckner: Es ist immer schlecht, wenn jemand wie Jochen Kientz, der nah an der Mannschaft war, den Verein während der Saison verlässt. Das gibt Unruhe in der Mannschaft. Jeder möchte wissen, was vorgefallen ist und es bestehen verschiedenste Ansichten. Das war sicherlich nicht förderlich, aber im Großen und Ganzen, haben wir uns weiter eingeschworen und die Mannschaft hat sich da sehr am Riemen gerissen.

Und die Aufstiegsvorgabe?

Glöckner: Die und auch ihr Zeitpunkt war schon überraschend, deshalb habe ich das ja auch nie hundertprozentig bestätigt. Ob man das jetzt nach draußen sagt, das muss jeder Verein am Ende für sich selbst wissen. Der SV Waldhof hat sich dafür entschieden, es nach außen zu kommunizieren und da muss man dann als Spieler und Trainer damit leben - auch wenn es das nicht einfacher gemacht hat. Aber wir sind schließlich Profis.

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Trotz der erfolgreichen Entwicklung trennen sich nun die Wege. Hätten Sie sich bessere Rahmenbedingungen gewünscht, um ein Ziel wie den Zweitliga-Aufstieg seriös angehen zu können. Hätte Sie es dann vielleicht doch gereizt?

Glöckner: Wenn wir inhaltlich zusammengekommen wären und beide Seiten ein gutes Gefühl mit der entsprechenden Wertschätzung gehabt hätten, dann wäre das natürlich denkbar und reizvoll gewesen. So war es nun aber, dass jeder eine etwas andere Idee hatte, um den nächsten Schritt zu gehen. Aber das ist ja auch okay.

Hätten Sie sich ein größeres Zeitfenster Richtung 2. Liga gewünscht?

Glöckner: Nochmal: In dieser Liga hat keine Mannschaft dieses Ziel herausgegeben. Da waren wir die Einzigen. Andere Mannschaften mit anderen Etats und einer anderen Infrastruktur blieben da bescheidener. Vielleicht war das ja auch so gedacht, um mehr Gier oder Selbstvertrauen herauszukitzeln. Ob das am Ende was gebracht hat und auch die Verbesserung auf Rang fünf dahingehend ein Erfolg war, müssen die Verantwortlichen bewerten. Aber da das Ziel für nächstes Jahr fortbesteht, scheint das ja zu passen.

Wenn Sie auf die zwei Jahre zurückblicken und könnten die Uhr zurückdrehen - hätten Sie etwas anders gemacht?

Glöckner: Es war wichtig, hier den Bock bei den Hörnern zu packen und einiges zu ändern. Hier wurde in den Zeiten des Amateurfußballs lange Jahre null komma null gemacht, es war einfach nichts da. In Summe war es anfangs vielleicht sehr viel, was wir als Trainerteam auf dem Tisch hatten, das hat viel Energie gekostet und da hätte man im Vorfeld einige Dinge besser eruieren und mit klaren Zeitvorgaben abarbeiten können. Aber am Ende war es eine schöne Entwicklung und ich denke, dass ich den Waldhof jetzt mit einer guten Struktur übergeben habe.

Schauen wir nach vorne: Sehen Sie den SVW im nächsten Jahr wieder oben mit dabei?

Glöckner: Der SVW kann bestimmt eine gute Rolle spielen, aber ohne die Mannschaft zu kennen, ist das kaum zu beurteilen. Doch wir haben etwas vorgelegt, und wenn der Waldhof sich daran messen lassen will, muss er eigentlich oben dran bleiben können.

Was nehmen Sie aus Ihrer Zeit hier beim SVW mit? Ein bisschen verschwitzte Arbeitskleidung mit der Raute oder doch mehr?

Glöckner (lacht): Erstmal viele Freunde und ich hoffe, dass ich hier neben der sportlichen Note nicht nur die Entwicklung und Strukturen, sondern auch Werte hinterlassen konnte, die die Waldhof-Familie noch enger zusammengebracht haben. Mir war immer ein ehrliches, respektvolles, freundliches und offenes Verhältnis zu allen wichtig.

Wie sehen Ihre persönlichen Pläne für die nächste Zeit aus?

Glöckner: Bis Mittwoch bin ich noch auf einem Trainer-Kongress in Freiburg, danach wollte ich den Rest der Woche erst einmal komplett abschalten - und dann schauen, was die nächsten Wochen so bringen.

Gibt es schon Angebote oder droht doch das Arbeitsamt?

Glöckner: Wenn was kommt, wo auch ich meinen nächsten Schritt machen kann, möchte ich natürlich schnellstmöglich weitermachen. Aber wenn ich noch etwas warten muss, um dann das Richtige zu finden, dann soll es so sein.

Redaktion Sportredakteur, Schwerpunkte SV Waldhof, Rhein-Neckar Löwen.

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