Halle. Als Terrence Boyd am Freitagabend beim Halleschen FC zum 3:0-Zwischenstand traf (66.), setzte er kurzzeitig zum Flieger-Jubel an und breitete die Arme aus. Schließlich war dieser Treffer beim 4:1 (1:0)-Erfolg des SV Waldhof die Vorentscheidung und Boyd hatte zudem in seinem dritten Einsatz für den neuen Club nicht nur erstmals getroffen, sondern nach seinem Tor zum 1:0 (25.) gleich noch den ersten Doppelpack geschnürt. Doch schnell zog der Torjäger hinter der Grundlinie die Flügel wieder ein und ließ sich etwas zurückhaltender feiern. „Beim zweiten hätte ich fast nochmal gejubelt. Da hatte ich es kurz vergessen, aber in so einer Situation kannst du ja nicht klar denken. Ich bin ja auch nur ein Mensch“, sagte Boyd nach der Partie gegen die alten Kollegen mit einem unübersehbaren Schmunzeln.
Spiel gegen Ex-Club Hallescher FC
Der Grund für Boyds Zurückhaltung, die sich schon in der abwehrenden Jubel-Geste nach dem 1:0 offenbarte, war jedem bewusst, der sich zuvor etwas mit der Vita des Stürmers auseinandergesetzt hatte. Vom Sommer 2019 bis zum Januar 2022 spielte der gebürtige Bremer für die Hallenser und erzielte in 85 Spielen 39 Tore. Dass er sich nun ausgerechnet beim ersten Aufeinandertreffen mit dem Ex-Club - nun im Waldhof-Trikot - mal wieder von seiner torgefährlichsten Seite zeigte, bugsierte den Routinier durchaus ein bisschen in die Zwickmühle der Emotionen.
Die eigenen Treffer etwas stiller zu feiern, war für Boyd aber einfach eine Selbstverständlichkeit. „Das gehört sich ja so. Ich war zweieinhalb Jahre hier und das war eine schöne Zeit“, erinnerte sich der Angreifer am MagentaSport-Mikrofon an diesen Abschnitt seiner Karriere, der vor zwei Jahren mit dem Wechsel zum 1. FC Kaiserslautern endete. „Abgehauen“ sei er damals, ordnete Boyd diesen Transfer ein, aber auch damals habe schon der Wunsch mitgespielt, wieder näher bei der Familie in Heidelberg zu sein. „Diese Bindung möchte ich nicht durch den Beruf Fußballer kaputtmachen“, betonte der 32-Jährige Vater von zwei kleinen Töchtern erneut. Auch der Waldhof hatte in der Winter-Transferphase 21/22 schon den Finger gehoben, konnte mit dem Angebot der Pfälzer aber letztlich nicht mithalten.
Akzeptanz im SVW-Fanlager braucht Zeit
Dass es nun endlich im zweiten oder wahrscheinlich eher dritten Anlauf mit dem Wechsel nach Mannheim geklappt hat, könnte sich für die Waldhöfer auszahlen. „Dafür haben wir ihn schließlich geholt“, nahm Trainer Rüdiger Rehm den Doppelpack Boyds und die beiden weiteren Treffer von Jalen Hawkins (48.) und Fridolin Wagner (68.) gerne zur Kenntnis. Dass alle in der Waldhof-Kurve den Ex-Lauterer wegen seiner ersten beiden Tore für Blau-Schwarz nun bedingungslos ins Herz geschlossen hätten und heile Welt herrscht, wäre aber zu kurz gedacht. Das mussten Boyd und seine Teamkollegen nach dem Spiel erfahren, als es trotz der bislang wohl besten Auswärtsleistung aus der Kurve wieder „Trainer raus“-Rufe und weitere Unmutsbekundungen gab, die das Team veranlassten, früher als gedacht in Richtung Kabine abzudrehen.
Boyd wollte darauf nicht näher eingehen, aber wer genau zuhörte, wusste was Sache war. „Der Druck ist gewaltig - auf vielen Ebenen. Sagen wir es mal so“, kommentierte er die weiter brisante Situation im Tabellenkeller und machte sich trotz seiner ersten Tore auch über seine eigene Akzeptanz im Fan-Lager der Mannheimer keine Illusionen. „Das braucht wohl alles seine Zeit“, sagte der erfahrene Kicker, der in seiner Karriere schon ziemlich alles erlebt hat. Deshalb kann auch für Boyd der weitere Weg nur darin bestehen, die Leistung vom Freitagabend zu bestätigen.
„Man hat von der Mannschaft gesehen, dass wir dem Druck Stand halten, dass wir was drauf haben. Und jetzt hoffe ich mal, dass wir das auch so mitnehmen“, blickte der SVW-Königstransfer nach vorne. „Es war wichtig, dass wir für den Kopf so ein Erfolgserlebnis hatten und jetzt hoffentlich einen Run starten, weil wir weiter punkten, punkten, punkten müssen. Es hat sich noch nichts getan in der Tabelle und jetzt müssen wir in Ruhe Schritt für Schritt nach vorne kommen“, wusste Boyd, dass der Waldhof in Halle nach dem Null-Punkte-Start ins neue Jahr fast schon einen Pflichtsieg eingefahren hatte, um im Abstiegskampf nicht vorzeitig abgehängt zu werden.
Mit weiteren Vorstellungen wie in Halle könnte die Wende aber durchaus gelingen - auch wenn das Zusammenspiel mit dem Stürmer weiter so funktioniert. Schon die Vorarbeit von Minos Gouras zum 1:0 ließ sich für das Fußball-Lehrbuch verwenden. „Eine überragende Flanke, da kannst du nicht mehr viel falsch machen.“, lobte Boyd den Flügelspieler und später auch den jungen Außenverteidiger Luca Bolay als Vorlagengeber zum 3:0.
„Das habe ich auch von den anderen Außen gefordert. Spielt die Dinger vorne rum zwischen Innenverteidiger und Torwart“, formuliert Boyd das Erfolgsrezept, um die Stärken des Neuzugangs auszunutzen. Und sollte das künftig öfter klappen, wird Boyds Flieger dann sicher auch vollständig abheben.
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