Eisschnelllauf - Krankenschwester und Short-Track-Trainerin Gundi Pawasserat zieht ihre Kraft aus den Runden auf dem Eis

„Sport kann Wunden heilen“

Von 
Sibylle Dornseiff
Lesedauer: 
Gundi Pawasserat freut sich über jedes Training, das sie absolvieren kann und über die Erfolge ihrer Schützlinge. © PIX

Mannheim. Wenn es den Sport nicht gäbe, wäre Gundi Pawasserat schon lange am Ende. „Der Eisschnelllauf und meine Familie halten mich“, ist die Cheftrainerin des MERC überzeugt. Denn hauptberuflich ist die 57-jährige Krankenschwester. Am Ludwigshafener Klinikum arbeitet sie normalerweise pro Monat 15 Nächte in der Onkologie, aber seit der Pandemie ist alles anders.

„Die Situation ist krass. Das Haus ist voll, wir haben eine extreme Fluktuation auf den Stationen, die Teams sind aufgelöst, es gibt so kaum noch Kontakte untereinander. Die junge Generation schafft die Anforderungen nicht immer, wir Älteren sind zusätzlich belastet“, muss sie nun 18 bis 20 Nachtdienste übernehmen. „Ich schaffe das nur durch den Sport. Nur so bekomme ich den Kopf mal frei“, freut sie sich jeden Nachmittag auf die Fahrt von Oggersheim nach Mannheim und über die Erfolge, die ihre Schützlinge erzielen. Obwohl gerade der Short-Track in den beiden Lock-Downs schwer leiden musste.

Erschwerte Bedingungen

Weil Eisschnelllauf nicht auf der Liste der vom Landessportverband geförderten Sportarten steht, bedurfte es großer Anstrengungen, dass wenigstens die Kader-Angehörigen im Eissportzentrum Herzogenried trainieren durften. „Nur 40 Minuten und nur in Kleingruppen. Allein die Matten, um die Bahn aufzustellen, kostete viel Zeit. Ansonsten waren wir immer im Freien und haben Athletik trainiert. Für unser Bundeskadermitglied Till Schäfer war es enorm schwer, die Vorgaben des Bundestrainers zu erfüllen. Wir mussten das Tagespensum auf drei Tage verteilen.“

Mehr zum Thema

Schulsport

Mannheimer Turnerinnen holen in Berlin den Sieg

Veröffentlicht
Von
Franziska Schweiger
Mehr erfahren
Sportveranstaltung

Special Olympics in Mannheim: „Heimspiel, wir sind bereit“

Veröffentlicht
Von
Lea Seethaler
Mehr erfahren

Der Abiturient ist ein gutes Beispiel, wie die Nachwuchsförderung in Mannheim funktioniert. Gundi Pawasserat legt in der Eislaufschule das Fundament, Tochter Jennifer leitet die Anfängergruppe, sie selbst und Sohn Patrick trainieren die Fortgeschrittenen. Um die Kaderleute kümmert sich die Chefin, die nach einer international hochkarätigen Karriere noch immer bei weltweiten Masters-Wettkämpfen Medaillen absahnt, dann wieder selbst.

„Wir verstehen uns als Ausbildungsclub. Sobald unsere hochtalentierten Jugendlichen auf dem Sprung zu den Erwachsenen sind, arbeiten wir mit Dresden zusammen“, findet sie es richtig, dass die Besten in die sächsische Hauptstadt ziehen – allerdings weiter für den MERC starten. „Wir könnten zeitlich und personell die Voraussetzungen nicht mehr bieten“, sieht Pawasserat den Eisschnelllauf in Baden-Württemberg in einer Nische. „Weil wir kein geförderter Sport sind, erhalten nicht einmal unsere Kaderleute eine finanzielle Unterstützung und die des OSP steht in Frage. Das wurde uns aber erst mit Beginn der Pandemie so richtig bewusst.“

Zwar sind im Mannheimer EZH „nur“ Eishockey und Eiskunstlauf (Nachwuchs-Mädchen) als Bundesstützpunkte ausgewiesen, „aber wir haben uns als ein Ganzes verstanden und auch Eisschnelllauf und Curling zumindest teilweise gefördert“, erinnert sich Lutz Pauels, der ehemalige Präsident des Eissportverbandes Baden-Württemberg. So gab es vom Verband und dem Verein immerhin Zuschüsse für die Fahrten zu den Wettkämpfen. Nun bangt Pawasserat um die weitere Karriere von Enni Wielsch, die im Nachwuchsbundeskader 2 eine Kandidatin für die Europäischen Olympischen Jugendspiele (EYOF) ist. „Sie wird jeden Tag von Heilbronn nach Mannheim gefahren. Auch dafür gab es eine kleine Entschädigung. Der Verein alleine kann es nicht leisten.“

Talente überzeugen mit Rekorden

Doch Pawasserat ist ein von Grund auf optimistischer und zukunftsorientierter Mensch. Einerseits prüft der MERC, wie Mannheim als Stützpunkt anerkannt werden kann. Andererseits ist sie stolz auf ihre Schützlinge – vier weitere sind im höchsten Landeskader. Mit den Deutschland-Cups in Rostock und Dresden gab es erst zwei große Wettkämpfe für die Juniorinnen und Junioren der Klassen D- und C. Tim Alter, Vincent von Gilsa, Tija Schäfer und Nicole Matskevych haben dabei mehrere persönliche Rekorde aufgestellt. Die 14-jährige Nadine Pawasserat – die jüngste Tochter der Trainerin – eroberte sogar das Treppchen. Nachdem sie sich bereits in Rostock auf vier Strecken verbessert hatte, steigerte sie sich in Dresden erneut auf 333, 500, 777 und 1000 Metern und wurde in der Gesamtabrechnung Dritte.

Gundi Pawasserat freut sich zudem über die Tatsache, „dass der Sport in der Pandemie Wunden heilen kann“. Wie bei Vera Dmochowski. Als Kind und Jugendliche trainierte sie beim MERC, mit Beginn der Berufsausbildung legte sie eine Pause ein und kehrte nach einschneidenden persönlichen Erlebnissen zurück aufs Eis. Ihre Eltern erkrankten schwer an Covid, sie selbst hat bis heute mit Long-Covid-Folgen zu kämpfen. „Früher war sie immer aufgeschlossen, redete viel, war immer präsent. Bei ihrer Rückkehr war sie anfangs kaum wiederzuerkennen, in sich gekehrt, still. Doch sie wurde sofort in die Gruppe integriert und nun blüht sie auf. Bei ihr sieht man ganz deutlich, wie Körper und Geist zusammengehören.“

Freie Autorin Spezialgebiete Sport und Kultur:Sport: Turnen, Tanzen, Leichtathletik, Kanu, Eiskunstlauf, Short-Track, Curling, Judo, Triathlon, Rope Skipping, Turf, Reiten, Volleyball.Kultur: Theater/Schauspiel, Tanz, Ballett

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen