Interview

Sänger Gringo Mayer: „Beim SV Waldhof kommen alle Schichten zusammen“

Von 
Alexander Müller
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Im August spielte Gringo Mayer als Vorband von Thees Uhlmann im Mannheimer Stromwerk. © Rinderspacher

Mannheim. Der aufstrebende Singer/Songwriter Gringo Mayer (33) hat sich mit seinem amüsanten kurpfälzischen Mundart-Pop schnell einen Namen gemacht – und besitzt ein großes Faible für den Fußball. „Gibt’s do net“ von seinem aktuellen Album „Nimmi normal“ (2021) ist eine eingängige Hymne für alle Romantiker, die sich über so manche Entwicklung im modernen Fußball aufregen – begleitet von einem herrlichen Video im Stil der ZDF-Hitparade. Im Interview zum Jahresabschluss spricht der Mannheimer über den Lautern/Waldhof-Konflikt in seiner Jugend in Ludwigshafen, seine erkaltete Liebe zum Fußball – und was Hansi Flick noch zu Seppl Herberger fehlt.

Wann hat Gringo Mayer zuletzt ein Fußball-Spiel angeschaut und gedacht: „Gibt’s do net“?

Gringo Mayer: Das letzte Mal, als ich sofort gedacht habe „Gibt’s doch net“ war beim EM-Eröffnungsspiel, als der Däne Christian Eriksen kollabiert ist und die Kameras drauf gehalten haben. Das war ein ganz dickes: „Gibt’s doch net“!

Viele Künstler scheuen vor dem Genre Fußball-Hymne zurück. Ist „Gibt’s do net“ eine Persiflage auf oder eine Hommage an den Fußball-Song? Hatten Sie keine Angst, dass die Fußstapfen von Michael Schanze oder Oliver Pocher noch zu groß sein könnten?

Mayer: (lacht) Angst habe ich keine. Ich habe das Thema Fußball für mich mit der Mundart-Geschichte ermöglicht, weil ich früher nicht gewusst hätte, wie ich einen Song darüber machen soll. Es ist auf keinen Fall ein klassischer lobhudelnder Fußball-Jubel-Song, es ist schon ein kritisches Lied. Das aber natürlich auch Spaß machen soll.

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Sie sind in Ludwigshafen aufgewachsen, genau an der Nahtstelle zweier Fußball-Religionen. Lautern trifft auf Waldhof. War das schon in Ihrer Jugend eine Frage, an der Freundschaften zerbrochen sind?

Mayer: Freundschaften sind glücklicherweise nicht zerbrochen. Ich bin 1988 geboren und wurde als Kind in den 90er Jahren als Fußball-Fan sozialisiert. Da war von Seiten meines Vaters und Großvaters klar, dass man für Kaiserslautern ist. Aber ich habe mich schon früh als echter Sportsmann gefühlt: Auf dem Platz wird entschieden, wer der Bessere ist. Ich hatte auch Kumpels, die auf den Waldhof gegangen sind. Mein Onkel war sogar ein richtiger Waldhof-Ultra.

Sie leben mittlerweile in Mannheim. Wie sind die Sympathien jetzt verteilt?

Mayer: Ich war in den vergangenen Jahren öfter beim Waldhof als auf dem Betzenberg. Die Nähe ist da und es macht Bock, ins Stadion zu gehen, um einen guten Kick zu sehen.

Was finden Sie am SV Waldhof sympathisch?

Mayer: Es war krass, wie viele Zuschauer selbst in der 4. Liga noch gekommen sind. Der Verein hat als Arbeiterclub noch eine gewisse Bodenständigkeit. Alle gesellschaftlichen Schichten kommen da zusammen, das ist wunderschön.

Also wenn der SV Waldhof fragen würde, ob Sie „Gibt’s do net“ mal live vor einer Partie spielen wollen, würden Sie das machen?

Mayer: Na klar, sofort. Es wäre ja auch naheliegend.

Als Sie ein Jugendlicher waren, spielte die TSG 1899 Hoffenheim noch in der Oberliga. Zuletzt kämpfte die TSG mit einem Zuschauerschwund. Woran liegt das?

Mayer: Man muss das trennen. Fußballerisch sind das die absolut Besten in unserer Ecke. Da habe ich einen Riesenrespekt vor. Aber wenn ich aus Bekanntenkreisen höre: „Ich bin Ultra bei Hoffenheim“ – da muss ich schon ein bisschen schmunzeln. Da gehen die SAP-Leute hin, das ist ein Happening für Menschen, die das zu ihrem Lifestyle machen, aber tendenziell wenig Herzblut für den Sport und den Verein haben.

Gringo Mayer

  • Der Sänger, Songschreiber und Gitarrist Gringo Mayer wurde 1988 unter dem Namen Tim G. Mayer in Ludwigshafen geboren und lebt in der Mannheimer Neckarstadt. Mit seiner Band Die Felsen trat er Ende 2010 erstmals auf, 2015 trennten sich die Wege der Gruppe.
  • Anschließend gründete Mayer „Gringo Mayer“ zunächst als Bandprojekt. 2018 erschien die erste EP „Oh, Gringo“. Er selbst nennt seinen Stil „Indie-Blues aus der Pfalz“.
  • Mayers Solo-Debütalbum „Nimmi normal“ mit der Fußball-Hymne „Gibt’s do net“ wurde am 19. November veröffentlicht. Das Album kann via Bandcamp (gringomayer.bandcamp.com) als Schallplatte und auf CD bezogen werden.
  • Weitere Informationen gibt es im Netz unter: www.gringomayer.de, www.facebook.com/gringomayer

„Ich brauch kä Video. Des sieht ma doch a so“, heißt es in „Gibt’s do net“. Was hat Gringo Mayer gegen den Videobeweis?

Mayer: Ich war im Vorfeld nicht dagegen, ihn einzuführen, um den Sport fairer zu machen. Irgendwie geht es mir mittlerweile aber glaube ich wie vielen: Diese Überregulierung von allem nervt.

Viele Fans trauern wie Sie den guten alten Zeiten nach. Welche Entwicklungen im modernen Fußball gehen ihnen denn so richtig auf die Nerven?

Mayer: Einmal die Inflation von Spielen, weil gefühlt jeden Tag irgendwo eines läuft. Es ist nichts Besonderes mehr. Dazu kommen gesellschaftliche Dinge. Ich überlege mir schon, ob ich es cool finde, wenn ein 20-Jähriger Steaks mit Goldrand isst. Bei mir ist die Identifikation mit den Spielern verloren gegangen.

Mit dem Bammentaler Hansi Flick hat wieder ein waschechter Kurpfälzer das Amt des Bundestrainers übernommen. Was fehlt ihm noch zum regionalen Trainer-Übervater Seppl Herberger?

Mayer: Ihm fehlt auf jeden Fall noch das erfolgreiche Ende seiner Karriere. Hansi Flicks Problem ist vor allem, dass er in einer Zeit Trainer ist, in der Fußball immer mehr polarisiert. Seppl Herberger wird deshalb immer einen viel romantischeren Eindruck hinterlassen. Obwohl ich sagen muss: Hansi Flick wirkt auf mich wie ein feiner Kerl und macht einen richtig guten Job.

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Im Fußball stehen nun erst einmal wieder Geisterspiele an. Kultur und Sport sind zwei Bereiche, die die von den Einschränkungen der Pandemie mit am härtesten getroffen worden sind. Mit welchen Hoffnungen blicken Sie auf das Jahr 2022?

Mayer: Ich bin weiter naiv und glaube daran, dass nächstes Jahr besser als dieses wird. Ich persönlich hatte Glück, weil ich im ersten Lockdown mein Album aufgenommen habe. Als es im Juli fertig war, gingen auch schon die ersten Konzerte wieder los. Ich hoffe, dass es im April langsam besser wird. Ich verdränge das aber auch ein bisschen.

Und dann gibt es da 2022 ja noch eine Fußball-Weltmeisterschaft, ab November in Katar. „Gibt’s do net“ scheint uns thematisch die passende Hymne für dieses äußerst umstrittene Turnier zu sein. Planen Sie, die Single zur WM noch einmal zu veröffentlichen?

Mayer: Bisher nicht, aber das ist eine gute Idee (lacht). Es wäre total schlüssig, das zu machen.

Ist das Turnier in Katar mit all seinen Problemen wie Menschenrechtsverletzungen und Korruption das beste Beispiel dafür, warum sich die Menschen vom Fußball abwenden?

Mayer: Auf jeden Fall. Viele haben vor ein paar Jahren gesagt: Die WM in Russland schaue ich mir nicht mehr an. Bei mir hat das nicht geklappt. Aber bei Katar ist ein Punkt erreicht, wo alle sagen: Jetzt hört’s auf. Diese WM ist das offensichtlichste Beispiel dafür, wie es schon seit vielen Jahren abläuft. Das ist die perfekte Perversion. Schade, dass so wenige Spieler und Trainer öffentlich dagegen Stellung beziehen. Irgendwann muss es doch wieder in eine andere Richtung gehen!

Redaktion Fußball-Reporter: Nationalmannschaft, SV Waldhof, Eintracht Frankfurt, DFB

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