Mannheim. „Die 18,53 Meter haben sich gut angefühlt, aber nicht so, als seien sie schon das Ende.“ Yemisi Ogunleye strahlt, als sie von ihrer neuen persönlichen Bestmarke erzählt, die sie am Wochenende bei den Halleschen Werfertagen erreichte. Fast ein Quantensprung, denn zuletzt lag ihr Rekord bei 18,14 Meter (2022). Es klingt paradox, aber die Kugelstoßerin von der MTG Mannheim hat derzeit einen Lauf. Schon die ersten Monate des Jahres deuteten den positiven Trend der 24-Jährigen an: Platz eins in Manchester (18,04 Meter), Silber beim Werfer-Europa-Cup im portugiesischen Leiria (18,09) und Gold mit dem DLV-Team.
Bei der Hallen-DM wurde sie zwar „nur“ Vierte, doch bei den deutschen Hochschulmeisterschaften am vergangenen Donnerstag in Darmstadt gewann sie überlegen den Titel mit einem neuen Rekord von 18,20 Meter. Den pulverisierte sie zwei Tage später in Halle bei starker internationaler Konkurrenz. Sie wurde Fünfte, war zweitbeste Deutsche hinter Sara Gambetta (4./18,78) und ist nun auch in der DLV-Bestenliste die Nummer zwei.
„Ich werde meine Ziele etwas korrigieren müssen“, sagte sie gut gelaunt bei der Meisterfeier der MTG. „Eigentlich wollte ich in diesem Jahr die 18 Meter stabilisieren und mich für die Universiade qualifizieren. Jetzt geht es darum, die 18,50 konstant zu stoßen.“ Schon in Darmstadt hatte sie eine gute Serie, in Halle hätte sie mit jedem ihrer vier gültigen Versuche den eigenen Rekord gebrochen. Die Startvoraussetzung von 17,20 Meter für die neuerdings genannten World Universitiy Games im chinesischen Chengdu (28. Juli bis 8. August) hat sie locker erfüllt.
WM-Norm in Reichweite
„Klar, werde ich jetzt auch die WM- Norm für Budapest von 18,80 angreifen, die auch die Norm für die Olympischen Spiele in Paris ist.“ Und wenn sie dann vor die Wahl gestellt wird, China oder Ungarn? „Es wird dann wohl die WM sein. Aber es ist sehr schade, dass wir nicht auch bei der Universiade starten können. Beides lässt der Terminplan nicht zu, dazwischen liegen nur elf Tage. Das betrifft viele gute Athletinnen und Athleten, uns entgehen so mögliche Medaillen“, hält sie die Terminierung der WM (19. bis 28. August) für nicht geglückt.
Die Studentin an der PH Heidelberg (Sonderschulpädagogik) ist überhaupt ein Mensch, der viel an andere denkt. Vor allem, wenn sie rekapituliert, wem sie ihre Karriere verdankt. Zum einen der Möglichkeit, nach einem ausgeklügelten Plan weiterhin in Mannheim trainieren zu können: Die Vormittage verbringt sie dreimal im OSP Rhein-Neckar bei Athletik-Coach Mareike Rittweg, zweimal am BSP Stuttgart beim Stoßtechnik-Spezialisten Artur Hoppe. An sechs Abenden arbeitet sie mit Iris Manke-Reimers, zu der sie seit ihrer ersten Begegnung 2015 ein enormes Vertrauensverhältnis aufgebaut hat.
„Ich vermag alles durch den, der mich stark macht, Christus“
„2014 wollte ich als Mehrkämpferin so richtig durchstarten, dann kam der erste Kreuzbandriss“, erinnert sich die in einer Bellheimer Turnerfamilie groß gewordene Ogunleye, die selbst jahrelang auch an die Geräte ging. „Ich habe damals nicht geahnt, dass aus so einem schlimmen Ereignis etwas so Schönes entstehen kann“, hebt sie den Anteil ihrer Heimtrainerin an ihrem Werdegang ganz bewusst hervor. Denn die stand auch nach dem zweiten Kreuzbandriss 2016 hinter ihrer „Yemi“, die 2015 nach Rang sieben bei der U-18-WM den nächsten Rückschlag verkraften musste. Dabei half der gläubigen Christin auch ihr Lebensmotto: „Ich vermag alles durch den, der mich stark macht, Christus“ (Philipper 4,13).
Weil die Knieprobleme blieben, beschlossen sie und ihr Coach die Umstellung auf die Drehstoßtechnik, die sich mehr und mehr auszahlt. Schon 2020 gewann sie DM-Bronze und verblüffte die Konkurrenz, als sie diesen Erfolg 2021 wiederholte. „Diese Medaille hat ganz viel Gewicht“, war ihr Freudensprung nach den 18,13 Meter von Braunschweig sogar ein mediales Ereignis. „Erstmals über 18 Meter - das war emotional und befreiend“, schildert sie ihre Gefühle von damals. „Aber mit dem Drehstoß ist man nie am Ziel, man kann immer nur weiterlernen“, erlebt sie das Auf und Ab der Technik immer wieder.
Zwar sind Weiten jenseits der 18 Meter (noch) keine Selbstläufer, werden aber immer häufiger. Auch weil Manke-Reimers immer darauf bedacht war, nichts zu forcieren. „Iris wird im Wurfbereich oft unterschätzt. Ich finde es cool, dass wir jetzt das Gegenteil beweisen. Wir sind ein unglaubliches Team und an einem Punkt, an dem Leistungssport richtig beginnen kann.“
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