Mannheim. Kai Herdling sprüht nur so vor Tatendrang. Der neue Sportliche Leiter der Nachwuchsabteilung des Fußball-Drittligisten SV Waldhof hat mit dem Mannheimer Traditionsverein viel vor, wie der 40-Jährige im Interview verrät.
Kai, was verbinden Sie mit dem SV Waldhof?
Kai Herdling: Als ich Ende der 90er-Jahre mit Heidelberg-Kirchheim in der Jugend in Mannheim gespielt habe, war der SV Waldhof für mich eine absolute Hausnummer. Da gab es hier in der Region nichts anderes. Waldhof war zu dieser Zeit das Zugpferd.
Und jetzt?
Herdling: Natürlich haben sich die Zeiten ein bisschen geändert, aber die Strahlkraft ist ungebrochen. Es ist möglich, hier etwas zu erwecken, das nachhaltig gut sein kann.
In den 80er Jahren gehörte der Club zu den größten Talentschmieden und bildete seine Bundesligaspieler zum Großteil selbst aus. Ist so etwas noch möglich?
Herdling: Das waren ganz andere Zeiten. Trotzdem ist mir die Historie dieses Vereins natürlich bewusst. Ich komme von der TSG Hoffenheim - und dort haben wir immer gesagt: Wenn es ein Jugendspieler pro Saison zu den Profis packt, dann ist das schon richtig gut. Unser Ziel beim SV Waldhof ist es, in erster Linie Spieler für uns auszubilden. Aber wir möchten auch eine Adresse sein für Spieler, die es nach einer gewissen Zeit bei uns anschließend woanders schaffen. Wir wollen ganz einfach attraktiv für junge Talente und ein Aushängeschild für Jugendarbeit in der Region sein.
Kai Herdling
- Kai Herdling ist beim Fußball-Drittligisten SV Waldhof der neue Sportliche Leiter der Nachwuchsabteilung.
- Er wurde am 27. Juni 1984 in Heidelberg geboren und begann seine aktive Laufbahn bei der SG Heidelberg-Kirchheim. Über die SpVgg Neckarsteinach kam der Stürmer 2002 zur TSG Hoffenheim.
- Herdling spielte für die Kraichgauer zunächst in der Verbandsliga und später mit Roberto Firmino, Carlos Eduardo und Sejad Salihovic in der Bundesliga.
- Nach seiner aktiven Karriere betreute der gebürtige Heidelberger mehrere Akademie-Mannschaften der TSG und machte auch die UEFA-Pro-Lizenz.
- Knapp 22 Jahre verbrachte Herdling bei der TSG. 2008 wechselte er als Spieler für wenige Monate zum damaligen Regionalligisten SV Waldhof, 2012 folgte ein kurzes Intermezzo in den USA bei Philadelphia Union.
- Er gehörte zusammen mit Matthias Kaltenbach und Marcel Rapp zu jenem Trainerteam, das die Hoffenheimer Profis nach der Entlassung von Alfred Schreuder im Endspurt der Saison 2019/20 in die Europa League führte.
Sie sagten zuletzt sinngemäß, dass der SVW sein Potenzial in der Nachwuchsarbeit in der Vergangenheit nicht optimal genutzt habe. Was kann der Verein besser machen?
Herdling: Es wäre nicht fair von mir, wenn ich das jetzt im Detail bewerte. Denn mir fehlt der Einblick in das, was in den vergangenen Jahren gewesen ist. Zuletzt wurde die Jugendarbeit mit Fleiß und Akribie vorangetrieben. Auch die Familie Beetz steht hinter diesem Projekt. Der Waldhof muss in der Jugend wieder eine Hausnummer sein. Wir wollen eine Waldhof-DNA für den Nachwuchs erarbeiten. Diese Idee treibt mich an.
Was ist das konkrete Ziel?
Herdling: Wir brauchen nicht darüber diskutieren, dass die TSG Hoffenheim in der Nachwuchsarbeit in ganz Deutschland zu den besten Clubs gehört. Aber es ist mein Anspruch, die Nummer zwei hinter Hoffenheim in der Rhein-Neckar-Region zu sein.
Und doch werden die besten Spieler immer den Weg in das Nachwuchsleistungszentrum eines Bundesligisten wählen.
Herdling: Ja, vermutlich ist das so. Aber die Zeiten haben sich auch in der Nachwuchsarbeit geändert. Talentsuche ist ein globaler Markt. Die TSG Hoffenheim hat vor 17 Jahren die jungen Talente vom VfL Neckarau geholt - zum Beispiel Pascal Groß. Aber mittlerweile schauen sich die Hoffenheimer nicht mehr nur in Mannheim oder Heidelberg um. Die holen Jugendspieler aus Frankreich oder Belgien. Das verändert auch den Markt für uns. Es verbessert sogar unsere Möglichkeiten für Spieler aus der Rhein-Neckar-Region. Es kann auch ein Anreiz sein, sich erst hier bei den Profis in der 3. Liga zu etablieren und sich dort dann für höhere Aufgaben zu empfehlen.
Wie wollen Sie Talente finden?
Herdling: Fußball ist die Sportart Nummer eins in Deutschland und Mannheim ist eine fußballverrückte Stadt. Ich bin mir sehr sicher, dass es hier sehr viele Kinder gibt, die wir einfach von unserem Club und Konzept überzeugen müssen. Es geht um die Botschaft: „Ihr braucht nicht weit fahren. Wir haben hier einen coolen Verein, wir haben eine gute Ausbildung, wir kümmern uns um euch.“
Der Fokus galt beim SV Waldhof über viele Jahre der ersten Mannschaft. Aber muss ein Verein wie dieser nicht andersherum aufgebaut werden und organisch wachsen mit starken Jugendteams und einer zweiten Mannschaft, die höher als in der Verbandsliga spielt?
Herdling. Klar, definitiv. Das ist aber auch mein Anspruch und das Ziel der Familie Beetz. Da geht es übrigens gar nicht nur ums Sportliche. Man muss die Sache auch von einer wirtschaftlichen Seite betrachten. Wenn man sehr gute Jugendspieler ausbildet, ist das im modernen Fußball schlichtweg eine gute Einnahmequelle.
Sie haben schon viele Jahre im Akademie-Bereich gearbeitet. Wie sind Sie überhaupt in diese Nachwuchsschiene gerutscht?
Herdling: Ich war damals 25 Jahre alt und Kapitän der zweiten Hoffenheimer Mannschaft. Manchmal war ich auch bei den Profis dabei, aber eigentlich war klar, dass es nichts mit der ganz großen Bundesligakarriere wird. Und dann kam Bernhard Peters (damals Sportdirektor in Hoffenheim: Anmerkung der Redaktion) zu mir.
Was wollte er?
Herdling: Er hat mich gefragt: „Was willst du nach deiner Karriere machen?“ Und ich meinte: „Hey, ich bin 25 Jahre alt. Mach’ mal langsam.“Aber Bernhard ließ nicht locker und von mir kam die klassische Antwort eines Fußballers: „Ich werde Trainer.“ Worauf Bernhard sagte: „Okay, dann fangen wir jetzt damit an. Du wirst Co-Trainer der U 15.“ So fing alles an und zu meiner Mannschaften gehörten damals Niklas Süle und Davie Selke.
Sie haben in Hoffenheim auch bei den Profis gespielt. Was haben Sie aus dieser Zeit für Ihre jetzige Aufgabe mitgenommen?
Herdling: Ich hatte das ganz große Glück, in meiner Karriere mit Trainern wie Hansi Flick, Julian Nagelsmann, Markus Gisdol und Huub Stevens zu arbeiten. Mit denen war ich auch anschließend immer im Austausch. Ich habe zudem beim FC Liverpool hospitiert und hatte das große Glück, mit Jürgen Klopp ein paar Tage zu verbringen. Und ich bin beim Hamburger SV gewesen und habe mir die Arbeit von Tim Walter angesehen.
Heutzutage gibt es unter den Fußballern fast nur noch die klassischen Karrieren mit einer langen Ausbildung in einem Nachwuchsleistungszentrum. Sie kamen als 29-Jähriger zu Ihrem Bundesliga-Debüt. Ist solch ein Weg oder auch der von Miroslav Klose überhaupt noch möglich?
Herdling: Es wird immer schwieriger. Aber ich würde nicht sagen, dass es ausgeschlossen ist. Im Fußball ist nichts unmöglich. Viel hat auch mit Glück und Glauben zu tun.
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