Mannheim. Manchmal schreibt das Leben kuriose Geschichten. Am 3. Mai wird Andreas Mrusek 65 Jahre alt, das Rentenalter ist erreicht. Zwei Tage vorher gab der SV Waldhof am Mittwoch bekannt, dass der Techniker, ohne den im Carl-Benz-Stadion gar nichts läuft, eine Festanstellung erhält. Nach drei Jahrzehnten, in denen Mrusek für einen Minilohn oder zu Ober- und Regionalligazeiten zeitweise sogar ehrenamtlich für den Verein schuftete.
„Andreas hat für uns an der Geschäftsstelle einen hohen Stellenwert. Er ist immer erreichbar gewesen, wenn es Probleme gab und war vor allem immer lösungsorientiert für den SVW im Einsatz“, begründete Geschäftsführerin Jennifer Schäfer die Entscheidung.
Er kennt gefühlt jedes Kabel im Carl-Benz-Stadion: Ohne Andreas Mrusek läuft beim SV Waldhof nichts
Eine späte und überfällige Wertschätzung für den Elektro-Fachmann, der im Carl-Benz-Stadion gefühlt jedes Kabel kennt. Und der seine Aufgabe gemäß seiner persönlichen Wurzeln in Schlesien seit jeher mit preußischer Disziplin angeht. „Ich habe in 30 Jahren nur ein Heimspiel verpasst“, sagt Mrusek. „Da hatte ich kurz vorher einen Autounfall.“ Er war fast immer dabei seit der Eröffnung der Neuostheimer Arena am 25. Februar 1994 im Zweitliga-Spiel gegen Hertha BSC.
Mrusek hat den Absturz der Blau-Schwarzen in die Niederungen des Amateurfußballs und den Wiederaufstieg 2019 miterlebt. „Meine Treue zum SVW hat mich zwei Ehen gekostet“, sagt der Stadiontechniker heute mit einem Lachen. „In den Papieren zur ersten Scheidung stand: ,Der ist mehr beim Waldhof und im Stadion als daheim’.“ Neben seinem Hauptjob bei Daimler-Truck in Mannheim war mindestens jedes zweite Wochenende für den Fußball reserviert. Das ist eben kein beziehungsfreundliches Modell.
Der Abstiegskampf des SV Waldhof zehrt an den Nerven: "Bin überzeugt, dass wir es noch packen“
Bei seinem jahrelangen Arbeitgeber Benz ist Mrusek mittlerweile in die Rente verabschiedet worden, beim Waldhof macht er weiter - und erstmals nach drei Jahrzehnten voller Aufopferung mit einem vernünftigen Gehalt. Bei einem normalen Heimspiel ist der Elektro-Techniker schon mal zwölf Stunden im Einsatz, er filmt die Pressekonferenzen und schraubt im Stadion, wenn irgendetwas nicht funktioniert.
Der Abstiegskampf in dieser Saison zehrt auch an Mruseks Nervenkostüm. „Eine meiner sehnlichsten Wünsche ist, dass wir drinbleiben. Ich bin auch überzeugt, dass wir es noch packen“, sagt er.
Und wie sieht er die in Mannheim heiß diskutierte Frage Neubau oder nicht? „Ich liebe das Carl-Benz-Stadion. Es ist noch viel zu gut, um es abzureißen“, sagt Mrusek. „Wenn wir ein neues Stadion bekämen, müsste es mindestens genauso gut sein oder besser. Wir können auf keinen Fall ein Stadion mit nur 15 000 Plätzen gebrauchen, das wäre nicht nach vorne geschaut.“
Seit der Rückkehr in den Profifußball vor fünf Jahren hat die Stadt in diesem stimmungsvollen Stadion englischer Prägung schon viel modernisiert. Unter anderem wurden eine Rasenheizung eingebaut und das Flutlicht erneuert. Geschätzte Gesamtinvestitionen seitdem: rund elf Millionen Euro.
„Wir haben vieles schon bewältigt im Stadion“, lobt Mrusek. Er sieht allerdings zwei große Probleme, die zeitnah angegangen werden müssen. „Was mir am meisten Sorgen macht, ist die Anzeigetafel. Ich als technischer Verantwortlicher im Stadion sage: Die macht es nicht mehr lange, sie muss gegen eine neue, modernere ausgetauscht werden“, sagt Mrusek. Die aktuelle Anzeigetafel wurde zur Saison 2008/2009 angeschafft, als die TSG Hoffenheim im Ausweichquartier in Mannheim ihre erste Bundesliga-Hinrunde bestritt.
Einsatz im Carl-Benz-Stadion: Ans Aufhören denkt der Elektro-Fachmann nicht
Handlungsbedarf sieht Mrusek außerdem bei der Stromversorgung. „Verglichen zu vor 30 Jahren hat sich der Strombedarf im Stadion verdoppelt“, erklärt er. Hinzugekommen seien eine Geschäftsstelle, eine Küche, ein neuer VIP-Tower oder die elektronische Bandenwerbung. „Wenn wir bei Spielen mit großem Zuschaueraufkommen alle 30 Essensstände im Umlauf öffnen, müssen wir Zusatzaggregatoren anmieten, die auch Geld kosten“, sagt Mrusek.
Der Eindruck täuscht nicht „Mister Carl-Benz-Stadion“ brennt auch nach 30 Jahren für seine Aufgabe, brennt für den SV Waldhof. Das beste Beispiel für seinen bedingungslosen Einsatz: Obwohl er am Freitag seinen 65. Geburtstag feiert, stellt sich Mrusek am Vormittag noch hinter die Kamera, um die Pressekonferenz mit Trainer Marco Antwerpen vor der Partie beim FC Ingolstadt (Sonntag, 19.30 Uhr) für die sozialen Kanäle des Vereins zu filmen.
Ans Aufhören denkt der Jubilar nicht. „Ich habe in der 2. Liga beim Waldhof begonnen. Und als wir abgestiegen sind, habe ich gesagt: Ich mache so lange weiter, bis wir mindestens wieder in der Liga sind, als ich angefangen habe“, sagt Mrusek. „Ich bin jetzt 65 und ich hoffe, dass ich das noch erleben darf.“
Wenn das Ende seines Engagements doch irgendwann einmal nahen sollte, könnte das Management des Carl-Benz-Stadions aber in der Familie bleiben. Pascal Linde (18), einer von fünf Enkeln Mruseks, hilft neben seiner Ausbildung bei der der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH schon heute mit, wenn im Wohnzimmer des SV Waldhof etwas repariert werden muss. Sollte er den Job irgendwann übernehmen, wäre das eine weitere kuriose Geschichte, die das Leben manchmal schreibt.
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