Mannheim. Die hitzige Atmosphäre im Kulturhaus Waldhof am Speckweg lädt sich langsam auf. Bis der Erregungspegel bei Bernd Beetz, Präsident des SV Waldhof, auf der Mitgliederversammlung in die höheren Bereiche ausschlägt, dauert es eine Stunde. Gegen Ende der 90-minütigen Veranstaltung ist der 72-Jährige von den kritischen Fragen aus dem Plenum aber derart genervt, dass er seinem Stellvertreter Tobias Schmidt auf dessen Anregung zu einer kurzen Pause barsch erwidert: „Komm jetzt, lass uns durchziehen.“
Dass die Stimmung nicht wie bei den bisherigen Mitgliederversammlungen unter Präsident Beetz von Harmonie geprägt sein würde, war nach den Schlagzeilen um die ungewisse Zukunft der SVW-Jugend absehbar gewesen. Das Nein des DFB zu einem professionellen Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) in Mannheim aufgrund der Kooperation des SV Waldhof mit dem Hopp-Verein „Anpfiff ins Leben“ (AiL) im Jugend-Bereich hat zur Trennung von AiL im Sommer 2023 geführt. Der SVW muss den blau-schwarzen Talentschuppen nun wieder in Eigenregie finanzieren - und dafür fehlen jährlich rund 350 000 Euro, die bisher „Anpfiff ins Leben“ zugeschossen hat.
Ein Angebot von Beetz, die Lücke über ein Darlehen zu schließen, hatte der Aufsichtsrat des e.V. aus Sorge um die langfristige Solidität der Vereinsfinanzen abgelehnt, die von Vizepräsident Horst Seyfferle vorangetriebene Suche nach einem Großsponsor für den Jugendbereich blieb bisher erfolglos. Das ist der Hintergrund, vor dem die zunehmend gereizte Stimmung auf der Versammlung im Kulturhaus Waldhof spielt.
„Pfui“-Rufe gegen Beetz
Auch der in aller Eile zusammengeschusterte Rettungsplan des Präsidiums kann viele Mitglieder nicht überzeugen. Seyfferle stellt ein Organigramm für den Waldhof-Unterbau vor, das an die bisherige Struktur unter AiL angelehnt ist - nur, dass künftig fast alle bisher bezahlten Tätigkeiten von Ehrenamtlern übernommen werden sollen. Der Etat beliefe sich auf 540 000 Euro, gegenfinanziert über Mitgliedsbeiträge, Spenden und Zuwendungen der Spielbetriebs-GmbH wie eine einprozentige e.V.-Beteiligung am Merchandise. Außerdem will die GmbH die Jugendteams über fünf Jahre mit dem Material des neuen Profi-Ausrüsters Uhlsport versorgen. Gegenwert: 210 000 Euro.
Beetz ist der Hauptadressat der Kritik an diesem Not-Konzept. Bei Stefan Fulst-Blei, dem Sprecher des Aufsichtsrats des e.V., ist der Tadel noch freundlich-diplomatisch formuliert. „Ohne klääne Buwe kann es keine großen Buwe geben“, sagt der SPD-Politiker. Anders sieht das da schon bei der Aussprache aus, den Wortmeldungen der Mitglieder. Wie bei Frank Rudolph, Vater eines Jugendspielers, der einen emotionalen Appell an das Präsidium richtet. „Wir bewegen uns auf einem ganz schmalen Grat. Wenn ich höre, es geht ums Überleben der Jugend, stellen sich bei mir die Nackenhaare auf. Das kann nicht sein. Wir sind die Buwe, und das aus Tradition“, sagt Rudolph und fordert Beetz auf, alle Möglichkeiten zu prüfen, die bisherigen Juniorentrainer doch weiterbeschäftigen zu können.
Der schwelende Unmut an der Basis über die Jugend-Krise bricht sich Bahn. Dariush Hafezi, Aufsichtsratsmitglied im Hauptverein, tritt vor und kritisiert, dass die Bedeutung des e.V. bei der Familie Beetz gesunken sei. „Ich bin Ihnen sehr dankbar, für das, was Sie gemacht haben“, sagt er an die Adresse des Präsidenten. „Aber ich habe auch das Gefühl, dass sich Ihre Prioritäten verändert haben. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie immer noch mit Leib und Seele dabei sind, den e.V. genauso voranzubringen wie die GmbH.“ Es könne nicht sein, dass die Verantwortung für die Sanierung der Jugend an die Mitglieder delegiert werde. „Da nutzt es auch nichts, Herr Beetz, wenn Sie sagen: Macht doch, macht doch, macht doch. Das ist eigentlich Aufgabe des Präsidiums“, sagt Hafezi.
Beetz’ Stimme wird lauter, aufgebrachter. Er greift Hafezi direkt an. „Ich finde das extremst polemisch und enttäuschend, weil gerade Sie im Aufsichtsrat sehr aktiv waren, meinen Vorschlag (das Darlehen, d. Red.) nicht anzunehmen. Das Präsidium hat das geleistet, was der Aufsichtsrat vorgegeben hat. Ich kenne Sie ja, Sie polemisieren seit Jahren“, ruft der 72-Jährige. Diese Aussage sorgt für deutlich vernehmbare „Pfui“-Rufe im Saal.
Nach diesem Wortgefecht versucht Beetz, die Wogen wieder zu glätten. „Auch ich bin enttäuscht. Ich habe Hunderttausende in die Jugend gesteckt. Und das mit dem NLZ hätte ich mir auch anders vorgestellt. Die Frustration teile ich mit Euch. Jetzt müssen wir einen neuen Anlauf nehmen. Ich möchte Euch bitten, das mitzutragen und zum Erfolg zu führen“, appelliert der Präsident.
Aber auf welchem Niveau wird die Ausbildung in der Waldhof-Jugend ohne AiL und die nötige finanzielle Ausstattung ab dem Sommer 2023 erfolgen können? Gil da Silva, früherer U-17-Trainer und im Zuge des gescheiterten NLZ-Projekts vom SVW gekündigt, äußert sich sehr skeptisch: „Das Konzept, das hier gezeigt wurde, wird nicht ausreichen, um da mitzuhalten, wo wir es eigentlich wollen. Dann können wir gegen die Gartenstadt spielen. Das ist auch okay, aber nicht der Anspruch des SV Waldhof.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Hitzige Stimmung auf Waldhof-Mitgliederversammlung: Blau-schwarze Risse