Handball-EM

Georgien hat (noch) keine Punkte, aber viel Spaß in Mannheim

Georgiens Torwart Zurab Tsintsadze gehört in der Mannheimer SAP Arena zu den Publikumslieblingen und genießt die Auftritte. Der EM-Neuling möchte beweisen, dass seine junge Mannschaft zurecht einen Platz im Starterfeld hat

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Thorsten Hof
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Georgiens Torwart Zurab Tsintsadze konnte die schwedischen Profis immer wieder ärgern und spielte sich in der SAP Arena so in den Fokus. © Ludvig Thunman/Imago

Mannheim. Zum offiziellen „Player of the Match“ reichte es für Zurab Tsintsadze am Samstagabend zwar nicht, doch der Torhüter Georgiens war in der Partie des Außenseiters gegen Schweden (26:42) in der Gruppe E mindestens der Spieler der Herzen in der Mannheimer SAP Arena. Das lag nicht nur daran, dass sich der 27-Jährige vom polnischen Erstligisten KS Azoty-Pulawy mit seinen zehn Paraden im Torhüter-Duell mit den beiden schwedischen Keepern (13 gehaltene Bälle) nicht verstecken musste, sondern vor allem an einer Aktion Mitte der zweiten Halbzeit. Als Tsintsadze den Ball jenseits der Bande einsammeln musste, überquerte er das Hindernis auf dem Rückweg mit einem sehenswerten Sprung aus dem Stand - und die Halle tobte.

„Ich wollte keine Show machen. Ich war einfach nur zu faul, noch mal die Hände zu benutzen“, sagte der Keeper nach der Partie lachend. Die Herzen der 13 293 Fans gewann er ab diesem Zeitpunkt endgültig. Angesichts der klaren Verhältnisse im Spielverlauf hatten die Zuschauer nun ihren Spannungsmoment gefunden und bejubelten lautstark jede weitere Parade des 1,85 Meter großen Schlussmanns, dem es danach noch ein paar Mal gelang, die Schweden zu ärgern.

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„Das hat natürlich einen riesigen Spaß gemacht. Wir spielen hier gegen die Besten der Besten“, so Tsintsadze, der nach dem Spiel das Grinsen lange nicht aus dem Gesicht bekam. Er betonte nochmals den Anspruch des EM-Neulings bei seinem Debüt im Kreis der großen Nationen. „Wir wollen hier Erfahrungen sammeln und lernen, um den georgischen Handball weiter voranzubringen“, sagte der Keeper. „Und gelernt habe ich heute viel zu viel“, nahm Tsintsadze die 42 schwedischen Einschläge lachend mit einer großen Portion Galgenhumor.

Nicht zur Zählkandidat

Doch als reiner Zählkandidat sind die Osteuropäer vom Kaukasus nicht nach Deutschland gekommen. Nach den erwartbaren Niederlagen gegen die Niederlande (29:34) und Gruppenfavorit Schweden rechnet sich Georgien immerhin im letzten Gruppenspiel an diesem Montag (18 Uhr, SAP Arena) gegen die ebenfalls noch erfolglosen Bosnier durchaus etwas aus.

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„Wir haben ganz bestimmt eine Chance“, sagt Tsintsadze - und das dieses Mal ganz ohne Augenzwinkern. Schließlich holte sich die junge Mannschaft aus der ehemaligen Sowjetrepublik in der EM-Qualifikation mit einem überraschenden 31:30 in Ungarn die nötigen letzten Punkte für das Ticket nach Deutschland und schrieb damit in der Heimat Sportgeschichte. Die ersten Zähler auf dem EM-Parkett wären nun ein weiterer Meilenstein für Georgien, deren Nationalmannschaften man sonst eher vom Fußball oder Rugby kennt.

Der Beste fehlt verletzt

Als Einzelkönner sind einige georgische Handballer da schon etwas weiter. So steht Torhüter Tsintsadze nach seiner Zeit beim nordmazedonischen GRK Ohrid mittlerweile in Polen unter Vertrag und möchte sich mit seinem Team von der Weichsel für den Europapokal qualifizieren, Georgiens bislang besten Torschützen, Giorgi Tskhovrebadze (14 Treffer), kennen die Handball-Insider zudem vom Bundesligisten VfL Gummersbach. Irakli Kbilashvili sowie Teimuraz Orjonikidze sind ebenfalls in Nordmazedonien aktiv und Nikoloz Kalandadze hat es sogar in die französische Liga nach Chambery geschafft. Der Schlüsselspieler der Georgier muss bei der EM 2024 allerdings verletzt passen.

„Leider sind wir nicht komplett, aber wir werden unser Bestes geben“, kündigte Trainer Tite Kalandadze an. Der Chefcoach bewegt sich bei den Auftritten in Mannheim zwischen dem eigenen Anspruch und dem Staunen eines kleinen Jungen über die Größenordnung dessen, was in Deutschland alles auf den Neuling einprasselt. So gab er nach der Partie am Samstag routiniert sein Statement für die internationale Presse, bat dann aber im Anschluss etwas schüchtern um ein Selfie mit Schwedens Europameister Coach Glenn Solberg.

Das soll allerdings nicht heißen, dass die Georgier meinen, ihre Wege würden sich nicht weiter mit denen der größeren Handball-Nationen kreuzen. „Wir haben eine sehr junge Mannschaft, die sich noch weiterentwickeln kann“, so Tsintsadze, der das Potenzial des Teams noch lange nicht ausgereizt sieht. „Natürlich wollen wir zuerst beweisen, dass wir zurecht an diesem Turnier teilnehmen. Aber ich hoffe, wir können diesen Weg dann auch fortsetzen“, sagte der Schlussmann, der in der EM-Quali bei vier von sechs Spielen als wertvollster Spieler ausgezeichnet wurde - und seit Samstagabend in Mannheim zu den Publikumslieblingen zählt.

Redaktion Sportredakteur, Schwerpunkte SV Waldhof, Rhein-Neckar Löwen.

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