Fußball

Der Deutsche mit dem „Hitlerson“-Trikot

Die offen faschistische Fanszene von Lazio Rom zieht mittlerweile auch Neonazis aus anderen Ländern an

Von 
Julius Müller-Meiningen
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Der sogenannte römische Gruß, der an den Hitler-Gruß erinnert, wird im Fanblock von Lazio Rom regelmäßig gezeigt. © Gregorio Borgia/dpa

Rom. In Italien kann man so etwas offenbar machen. Mit dem Namen „Hitlerson“ auf dem Trikot hatte sich am Sonntag ein Fan in der Kurve von Lazio Rom beim Stadtderby gegen den AS Rom gezeigt. Den Namen gibt es im Team nicht, bei Lazio spielt nur ein gewisser Felipe Anderson. Dass der Fußballfan mit der Aufschrift auf Adolf Hitler anspielte, wurde auch durch die Trikotnummer deutlich, die er gewählt hatte. Die Nummer 88 steht in Neonazikreisen für den achten Buchstaben im Alphabet, also für HH, in diesem Zusammenhang eine Anspielung auf den Nazi-Gruß „Heil Hitler“.

Nun stellte die italienische Polizei per Videoaufzeichnungen die Identität des Rechtsradikalen fest: Er stammt aus Deutschland. Der harte Kern der Anhänger von Lazio Rom ist berüchtigt für seine Faschismus-Sympathien. Nun fühlen sich auch Neonazis aus dem Ausland von diesem Ambiente angezogen. Zudem regiert in Italien seit Herbst eine Ultrarechts-Regierung mit der Partei Fratelli d’Italia an der Spitze, deren Mitglieder ebenfalls Sympathien für den Faschismus pflegen. Es fühlt sich inzwischen manchmal so an, als sei die Apologie des Faschismus in Italien kein Delikt, sondern Teil der nationalen Kultur. Kürzlich erst stolperte der von der Regierung nominierte Chef der italienischen Digitalagentur 3-I über ein Mussolini-Zitat. Claudio Anastasio trat zurück.

Justiz reagiert zurückhaltend

In dieses Bild fügen sich die Exzesse in den Fußballstadien. Wiederholt hatten die Lazio-Anhänger am Sonntag antisemitische Chöre gesungen, die Sportjustiz ermittelt. Protest kam nur von der jüdischen Gemeinde. Ruth Dugherello, die Vorsitzende, twitterte: „Eine ganze Kurve, die antisemitische Chöre singt, ein „Fan“ auf der Tribüne mit dem Hitlerson-Hemd und der Nummer 88 und wir, wie immer, sind die einzigen, die sich empören und protestieren.“ Die jüdische Gemeinde fühlt sich angesichts der allgemeinen Indifferenz allein gelassen.

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Alexander Müller
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Nach Bekanntwerden der Episoden ermittelte der italienische Staatsschutz. Drei Männer wurden identifiziert. Einer von ihnen zog sich im Stadion das „Hitlerson“-Trikot über, die drei wurden dabei gefilmt, wie sie den römischen Gruß, eine Variante des Hitler-Grußes, zeigen. Angst haben die Neofaschisten offenbar nicht. Stattdessen posieren sie stolz in den sozialen Netzwerken. Strafverfolgung müssen sie in Italien nicht befürchten.

Der Tatbestand „Apologie des Faschismus“ wird von italienischen Richtern meist nur dann für gegeben angesehen, wenn ,,eine ernste und konkrete Gefahr der Neuorganisation der faschistischen Partei“ erkannt wird, also so gut wie nie. Bei den Stadion-Episoden ist das natürlich nicht der Fall. Der Tatbestand wurde 1952 per Gesetz festgelegt, das Verfassungsgericht legte ihn stets sehr eng aus. Spätere Versuche der Politik, auch Nazi-Gesten wie den römischen Gruß oder Propaganda unter Strafbarkeit zu stellen, schlugen zuletzt im Jahr 2017 fehl.

Der Verein Lazio Rom distanzierte sich von „jeglicher diskriminierender, rassistischer oder antisemitischer Kundgebung oder Aktion“. Die Frage ist, wie wirksam solche Bekenntnisse angesichts der herrschenden politischen Klasse in Italien sind. Zweiter Mann im Staat ist Senatspräsident Ignazio La Russa. Der Sohn eines faschistischen Funktionärs aus Sizilien hat sich mehrfach öffentlich stolz über die Mussolini-Büsten gezeigt, die er zuhause aufbewahrt.

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