Politik

Wut statt Zustimmung für Fridays for Future

Die Umweltbewegung Fridays for Future ruft zum Klimastreik auf und will die Straße zurückerobern. Doch der Rückhalt schwindet. Die Bürger sorgen sich mehr um die wirtschaftliche Entwicklung als um Klimaschutz

Von 
Thorsten Knuf U.theresa Martus
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Pressekonferenz von Fridays For Future vor dem Bundeskanzleramt. In der Mitte Klimaaktivistin Luisa Neubauer. © Marc Vorwerk/DPA

Sie wollen die Straße zurückerobern. Für den kommenden Freitag hat Fridays for Future (FFF) erneut zum großen Klimastreik aufgerufen. Der Anspruch ist global, die Dringlichkeit hoch. Im Aufruf heißt es: „Nie zuvor war es wichtiger als in diesem Jahr, dass Menschen weltweit für Klimaschutz aufstehen und zeigen, dass ehrliches, schnelles Handeln dringend notwendig ist.“

Noch vor ein paar Jahren wären dem in Deutschland Massen gefolgt. Doch zuletzt sanken die Teilnehmerzahlen. Die meisten Bürger beschäftigen derzeit vor allem Wirtschaftskrise und Inflation. Und wenn es um Klimaschutz geht, denken viele Menschen zunächst an das umstrittene Heizungsgesetz der Berliner Ampelkoalition. FFF muss also kämpfen um Aufmerksamkeit - und steht dabei in Konkurrenz zu anderen Teilen der Klimabewegung.

Rückblende: Inspiriert vom Schulstreik der Schwedin Greta Thunberg blieben ab Herbst 2018 auch in Deutschland immer mehr Schülerinnen und Schüler dem Unterricht fern und gingen an Freitagen zum Demonstrieren auf die Straßen. Die Bewegung wuchs schnell, in Spitzenzeiten schlossen sich mehr als eine Million Menschen den Protesten an, machten Druck auf die damals noch schwarz-rote Regierung. Mit der Corona-Pandemie Anfang 2020 kamen zunächst auch die Proteste zum Erliegen.

Bei der Bundestagswahl im 2021 war der Klimaschutz gleichwohl das entscheidende Thema. Kurz zuvor hatte Hochwasser das Ahrtal sowie weitere Gebiete verwüstet. Ebenfalls 2021 gab es ein historisches Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Die Karlsruher Richter schrieben der Politik ins Stammbuch, dass sie endlich Ernst machen müsse mit dem Klimaschutz, um die Freiheit der jüngeren Generationen zu schützen.

Gruppe zum Hassobjekt geworden

Inzwischen allerdings wird der Klimaschutz von den meisten Menschen im Land nicht mehr als das vordringlichste Problem gesehen. Viele Bürger haben andere Sorgen. Ende August ergab der ARD-„Deutschlandtrend“, dass 28 Prozent der Befragten die wirtschaftliche Lage als das wichtigste Problem betrachten, gefolgt von Zuwanderung und Flucht mit 26 Prozent. Das Thema Umweltschutz und Klimawandel kam mit 18 Prozent der Nennungen nur noch auf Platz drei. Im April hatte es mit 28 Prozent noch auf Platz eins gelegen.

Ein Teil der Klimabewegung versucht in dieser Situation, mit radikaleren Formen des Protests durchzudringen und Klimaschutz wieder nach oben auf die Agenda zu setzen. Seit Anfang 2022 setzt die Letzte Generation vor allem auf Straßenblockaden, um den „fossilen Alltag“ zu durchbrechen. Die Aktionen erregen Aufmerksamkeit - und Wut. Innerhalb kurzer Zeit ist die Gruppe für viele zum Hassobjekt geworden. Immer wieder machen Videos die Runde, auf denen zu sehen ist, wie Autofahrer gegenüber Aktivisten gewalttätig werden. Auch politisch ist die Stimmung aufgeheizt. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach von einer „Klima-RAF“.

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter zeigt sich entsetzt „über die Häme, die unsere politischen Mitstreiter seit Monaten über die Klimabewegung auskippen“. Mit der Wut auf „Klimakleber“ könne man wunderbar Populismus betreiben. „Was wir brauchen, sind aber konkrete Lösungen für ein konkretes Problem.“ Und man müsse klarmachen, dass Klimaschutz Freiheit, Sicherheit und neue Jobs schaffe.

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Doch ob die Aktionen der Letzten Generation dazu beitragen, Menschen davon zu überzeugen, kann bezweifelt werden. Zahlen des Meinungsforschungsinstituts Kantar Emnid im Auftrag der Organisation More in Common aus dem Sommer zeigen, dass der Ärger über die Letzte Generation auf den Rest der Bewegung abfärbt: Sagten 2021 noch 68 Prozent der Befragten, dass die Klimabewegung in Deutschland „grundsätzlich“ ihre Unterstützung habe, stimmten dem 2023 nur noch 34 Prozent zu.

„Die Stimmung gegenüber Klimaaktivismus hat sich insgesamt verschärft“, sagt Protestforscher Simon Teune. Trotzdem sei seiner Meinung nach noch nicht klar, ob die Letzte Generation dem Anliegen Klimaschutz mehr schade oder nutze. „Es kann sein, dass vor dem Hintergrund von deren Aktionen FFF eher als diejenigen Akteure der Bewegung erscheinen, mit denen man in Dialog treten will.“

Große Herausforderung

Darauf setzt auch FFF. Sie könne den Frust vieler Menschen über Blockaden verstehen, sagt Sprecherin Annika Rittmann. „Grade diese Menschen sind gefragt, mit uns auf die Straße zu gehen, um zu zeigen, dass es auch andere Aktionsformen gibt.“ Doch auch sie räumt ein, dass Anschlussfähigkeit für die Bewegung eine „Herausforderung“ sei. „Die Vision einer klimagerechten Welt kommt offenbar noch nicht überall an. Daran werden wir deswegen weiterarbeiten.“ Klimapolitik dürfe nicht dazu führen, dass Menschen sich abgehängt fühlten.

Um das deutlich zu machen, setzt die Bewegung vermehrt auf Bündnisse: Schon im Januar hatten sich die Aktivistinnen und Aktivisten für einen Aktionstag mit der Gewerkschaft Verdi zusammengetan, in der vergangenen Woche schlugen sie zusammen mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband vor dem Kanzleramt auf und forderten die Einführung des versprochenen Klimagelds. FFF müsse es schaffen, „bessere Lösungen zu zeigen, als es der Politik gelingt“, so Rittmann. Dem soll auch der Aktionstag am Freitag dienen. Allerdings: Auch die Letzte Generation hat Aktionen angekündigt.

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