Wahlanalyse

Wahlanalyse: Die AfD punktet mit dem Thema Flüchtlinge

Die AfD hat zum ersten Mal eine Landtagswahl gewonnen. Matthias Jung von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen analysiert die Abstimmungen in Sachsen und in Thüringen

Von 
Walter Serif
Lesedauer: 
Der Mannheimer Wahlforscher Matthias Jung © Britta Pedersen/dpa

Die AfD gewinnt erstmals eine Landtagswahl in Deutschland, Sahra Wagenknechts BSW wird aus dem Stand in Sachsen und Thüringen zweistellig und die Ampel-Parteien erleben ihre Verzwergung. Bleibt als einzige starke Kraft die CDU. In Sachsen will Ministerpräsident Michael Kretschmer weiterregieren, in Thüringen könnte CDU-Mann Mario Voigt den abgewählten Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) ablösen. Die Union müsste dafür aber wie in Sachsen - so verrückt ist das Wahlergebnis - mit Wagenknechts BSW ins Geschäft kommen. Das alles liefert der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen natürlich viel Stoff für ihre Analyse.

CDU punktet in Sachsen mit Michael Kretschmer

„Wenn auch weniger überzeugend als in früheren Jahren, basiert das CDU-Ergebnis auf einem Mix aus ihrem starkem Spitzenkandidaten, Michael Kretschmer, Sachkompetenz und dem Wunsch nach CDU-Regierungsführung. AfD und BSW zeigen dagegen wenig eigene Qualitäten“, sagt Matthias Jung von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen. Neben den Themen Flüchtlinge beziehungsweise Ukraine/Russland profitieren AfD und BSW von der Rekord-Unzufriedenheit mit der Ampel und Defiziten der CDU/CSU-Opposition im Bund. „Unter allen Sachsen gilt die AfD für 54 Prozent als Gefahr für die Demokratie, eine AfD-Regierungsverantwortung wird deshalb abgelehnt, das hat der CDU natürlich in die Karten gespielt“, so Jung. Interessant ist es auch, dass nur noch 27 Prozent der Sachsen die AfD gewählt haben, um der Bundesregierung einen Denkzettel zu verpassen. 71 Prozent haben sie wegen ihrer politischen Forderungen gewählt. Das überragende Thema heißt „Flüchtlinge (Asyl). Für 70 Prozent aller Befragten (2019: 36 Prozent) kann „Sachsen die vielen Flüchtlinge nicht verkraften“ und für 64 Prozent wird „zu viel“ für sie getan - darunter 93 Prozent im AfD-Lager, wo sich viele im eigenen Leben benachteiligt fühlen.

Große Unzufriedenheit der Thüringer mit der Landesregierung

„Die AfD, die in Thüringen erstmals stärkste Partei bei einer Landtagswahl wird, punktet wie im benachbarten Sachsen klar beim Top-Thema „Flüchtlinge/Asyl“, sie bleibt ansonsten aber genau wie das BSW inhaltlich schwach und hat mit Björn Höcke einen Spitzenkandidaten, der außerhalb der eigenen Reihen extrem kritisch gesehen wird“, sagt Jung. Ministerpräsident Ramelow, dessen Partei mehr als die Hälfte der Stimmen verloren hat, liegt mit seinen Imagewerten zwar vor seinen Herausforderern, hat aber an Zugkraft verloren.

Mehr zum Thema

Kommentar Dieser Wahltag ist das Ende der politischen Stabilität

Veröffentlicht
Kommentar von
Karsten Kammholz
Mehr erfahren
Landtagswahlen

Liveblog: Rechtsruck bei Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen

Veröffentlicht
Mehr erfahren
Politbarometer

Regiert Wagenknecht in Sachsen und Thüringen mit?

Veröffentlicht
Von
Walter Serif
Mehr erfahren

Die Unzufriedenheit mit der Landesregierung ist auf Rekordniveau, auch die Arbeit der Opposition wird kritisch bewertet. So haben sämtliche Parteien zum Teil massive Ansehensverluste. „Die Unzufriedenheit der Menschen beschränkt sich aber nicht nur auf die Politik in ihrem Land. Die Bundesregierung wird so negativ wie noch nie bei einer Landtagswahl bewertet“, sagt Jung. Wie unklar die Lage ist, zeigt die Frage, wer die künftige Regierung führen soll: 33 Prozent nennen die CDU, 26 Prozent die AfD, 20 Prozent die Linke und zwölf Prozent das BSW.

„Dass die AfD in Thüringen mit Björn Höcke, also dem radikalsten Vertreter, den sie hat, einen solchen Riesensprung gemacht hat, liegt auch daran, dass es in Thüringen anders als in Sachsen mit Michael Kretschmer keine politische Persönlichkeit gibt, die das Anti-AfD-Lager mobilisieren kann“, sagt Jung. CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt ist im Vergleich zu Kretschmer zu unpopulär. Ramelow hat zwar gute Imagewerte, ist aber praktisch in der falschen Partei. Die Linke hat sich nach dem Rekordergebnis von 2009 halbiert.

„Das liegt natürlich auch daran, dass Sahra Wagenknecht eine sensationelle Parteineugründung gelungen ist, selbst wenn ihre größten Träume vielleicht nicht in Erfüllung gegangen sind“, sagt Jung.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke