Berlin. Er stand nicht zur Wahl – geht aber als klarer Sieger nach Hause: Die Europawahl war ein Stimmungstest für Deutschland, heraus kam ein Votum für Friedrich Merz. Die Union ist stärkste Kraft, sie hat rund doppelt so viele Stimmen geholt wie die Kanzlerpartei SPD, sie zahlen eins zu eins auf das Konto des CDU-Chefs ein.
„Es zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagte Generalsekretär Carsten Linnemann nach den ersten Prognosen. „Die CDU ist wieder da.“ Und nun? Heute Europa, morgen Kanzleramt? Es sind gerade mal noch 15 Monate bis zur Bundestagswahl. Wenn der Sekt ausgetrunken ist, können sie in der Parteizentrale schon mal die nächste Kampagne planen. In seiner ganzen Laufbahn war Friedrich Merz nie näher an seinem Traum vom Regieren. Doch es gibt ein Restrisiko.
CDU stellt sich ungewöhnlich deutlich hinter Friedrich Merz
Die Union war mit einer simplen, aber erfolgreichen Botschaft in den Wahlkampf gezogen: Freiheit. Wohlstand. Sicherheit. Was man so verspricht als Volkspartei, die weiterhin die politische Mitte für sich beansprucht, aber diese Mitte nach den 16 Merkel-Jahren wieder etwas konservativer deutet. Dazu die neue Parteifarbe, das gelbstichige Hellblau, das früher auch Sebastian Kurz für seine Kampagnen nutzte. Österreichs Ex-Kanzler schickte nach der Vorstellung der neuen CDU-Farbe gleich ein Zwinkersmiley in Richtung Merz: Er finde die Farbauswahl sehr gelungen. Und: „Mit deinen Inhalten und Themen ist dir der Weg ins Kanzleramt gewiss!“ Nicht nur Kurz glaubt an Merz. Es ist vor allem seine eigene Partei, die sich im Moment ungewöhnlich deutlich hinter ihren Chef stellt. Das war vor einem Jahr noch ganz anders: Im vergangenen Sommer lagen die Nerven bei Merz und seiner Partei blank, der Sauerländer war zwischenzeitlich sogar kurz davor, alles hinzuwerfen. Das ist Schnee von gestern.
Merz hat seine Lust auf Zuspitzung gedrosselt, grobe Fehler sind ihm nicht mehr passiert. Selbst im merzkritischen Merkel-Lager herrscht nun so etwas wie taktische Zuneigung. Mit knapp 90 Prozent wurde der 68-Jährige Anfang Mai als Parteichef wiedergewählt.
Knapp drei Jahre nach der verlorenen Bundestagswahl ist die CDU unter Merz fast wieder da, wo sie mit Merkel war. Aber eben nur fast. In den Umfragen auf Bundesebene landet die Union seit Jahresbeginn stabil bei rund 30 Prozent: zu wenig – gemessen am eigenen Machtanspruch. Und dann ist da noch die K-Frage. Merz, so heißt es, könne sich nur noch selbst verhindern. Indem er schwere Fehler mache oder aus eigenen Stücken verzichte. Nach den Wahlen in drei ostdeutschen Bundesländern im September soll die Sache entschieden werden. Es wird unwahrscheinlicher, dass Merz jemand anderem den Vortritt lässt.
Die CDU-Zentrale hat sich deswegen schon mal einen Vorgeschmack auf einen möglichen Kanzlerkandidaten Merz gegönnt: Unter dem Slogan „Gemeinsam für Deutschland und Europa“ plakatierte die Partei Friedrich Merz mit Ursula von der Leyen. Dass beide gar nicht direkt zur Wahl standen? Geschenkt. Das hat schließlich der amtierende Kanzler genauso gemacht.
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