„Lieber Karl“, beginnt Justizminister Marco Buschmann am zweiten Weihnachtstag einen Brief an seinen Kabinettskollegen Lauterbach. Es ist kein Festtagsgruß. Es ist eine Mahnung: „Wir sollten angesichts der erfreulichen pandemischen Entwicklung zum Regelfall zurückkehren und die bundesweiten Schutzmaßnahmen außer Kraft setzen“, schreibt der FDP-Mann.
Lauterbach hatte das lange Zeit abgelehnt. Doch jetzt kommt Bewegung in die Sache.
Der Druck auf den Gesundheitsminister wächst von Tag zu Tag. Ein Bundesland nach dem anderen lockert gerade die regionalen Corona-Regeln. Zum ersten Mal deutet der Minister nun eine Kehrtwende an - er kann sich ebenfalls vorstellen, nicht noch bis Ostern zu warten.
„Noch ist es zu früh“
In einem Interview schloss Lauterbach jetzt ein vorzeitiges Ende der Maskenpflicht nicht mehr aus. „Es kann schon sein, dass wir die Maskenpflicht früher abschaffen“, sagte der SPD-Politiker dem „Stern“. Er wolle sich aber nicht auf ein Datum festlegen. Wichtig sei, die Lage sehr genau zu beobachten und dann zu bewerten. Derzeit sei es „noch zu früh“, sagte Lauterbach. „Wir haben noch volle Kliniken und Ausfall beim Personal.“
Bis zum 7. April gelten die bundesweiten Corona-Regeln - im Kern ist es die Maskenpflicht in Fernzügen und Fernbussen, in Arztpraxen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Wer die Regeln vorher abschaffen will, braucht weder Bundestag noch Bundesrat: Es reicht der Beschluss der Bundesregierung. Doch genau da hakte es bislang. Wieder einmal. Buschmann kontra Lauterbach. Der FDP-Rechtspolitiker gegen den SPD-Gesundheitsschützer.
Aus der FDP-Fraktion kommt jetzt ein Kompromissvorschlag, mit dem auch Buschmann gut leben kann: „Immer mehr Bundesländer haben angekündigt, die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr in Kürze abzuschaffen“, argumentiert Fraktionschef Christian Dürr. Das sei richtig. Nicht nachvollziehbar sei es jedoch, warum man im ICE nach München eine Maske tragen muss, in der U-Bahn vor Ort aber nicht.
„Spätestens zum 1. Februar sollte Bundesgesundheitsminister Lauterbach die Maskenpflicht im Fernverkehr daher bundesweit durch eine Empfehlung ersetzen“, so der FDP-Fraktionsvorsitzende Dürr gegenüber dieser Redaktion. Die anderen Corona-Maßnahmen könnten dann im Frühling enden.
Sorgen wegen neuer Variante
Doch Lauterbach bleibt bisher vorsichtig. Sein Argument: Die Lage in Deutschland mag aktuell entspannt sein - doch was ist mit möglichen Varianten aus China? Oder den USA? „Die neue Variante XBB.1.5 lässt im Nordosten der USA die Krankenhauseinweisungen steigen. Hoffentlich kommen wir durch den Winter, bevor eine solche Variante sich bei uns ausbreiten kann“, sorgt sich Lauterbach.
Der Winter - das ist das dritte Argument für die Anhänger der Maskenpflicht: Solange die Kliniken unter den jahreszeitlichen Virusinfektionen ächzen, muss man nicht ohne Not zumutbare Schutzmaßnahmen aufgeben.
Umgekehrt heißt das: Wenn die Welle in China überstanden ist, wenn sich XBB.1.5 als kontrollierbar erweist, wenn die Lage in Deutschland absehbar stabil ist - dann könnte auch Lauterbach einem schnelleren Aus für die Maskenpflicht zustimmen. Er schließt es jetzt jedenfalls nicht mehr aus.
Was gilt jetzt in den Ländern? Die Länder können einen Großteil der Corona-Schutzmaßnahmen in Eigenregie festlegen - etwa für Busse und Bahnen im Nahverkehr, für die Schulen oder hinsichtlich der Isolationspflicht für Infizierte. Viele haben bereits gelockert oder lockern in den kommenden Wochen - entstanden ist ein Flickenteppich bei der Maskenpflicht und den Isolationsregeln.
Sachsen-Anhalt und Bayern hatten die Maskenpflicht im Nahverkehr schon im Dezember aufgehoben, in Schleswig-Holstein gilt seit Januar nur noch eine Empfehlung. Die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Baden-Württemberg folgen Anfang Februar. In Sachsen soll die Maskenpflicht am 16. Januar fallen.
Der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, der baden-württembergische Grünen-Politiker Manne Lucha, fordert nun einheitliche Regeln in Bund und Ländern: „Es ist richtig, dass viele Bundesländer jetzt schrittweise die Corona-Regeln lockern und die Maskenpflicht im Nahverkehr abschaffen“, sagte Lucha dieser Redaktion. „Bund und Länder sollten hier im Gleichschritt vorgehen: Ziel sollte es sein, dass es ab Februar möglichst einheitliche Regeln im ganzen Bundesgebiet gibt.“
Und mit Blick auf Lauterbach: „Wenn jetzt die Maskenpflicht im Nahverkehr fällt, sollte sie parallel auch im Fernverkehr fallen.“ Im medizinischen Bereich dagegen sei es klug, die Maskenpflicht wie im Infektionsschutzgesetz vorgesehen noch beizubehalten. „Vulnerable Gruppen brauchen weiterhin einen besonderen Schutz“, so der Landtagsabgeordnete.
Klare Aussagen gefordert
In der Ärzteschaft sind weitere Lockerungen vor Ostern umstritten. Die deutschen Hausärzte haben vor allem einen Wunsch an die Politik: Sie sollte „im Bund wie in den Ländern endlich wieder zu klaren Aussagen und einer stringenten Kommunikation finden“, sagte die Vizevorsitzende des deutschen Hausärzteverbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth, dieser Redaktion. „In der aktuellen Lage werden die meisten Menschen von diesem öffentlichen Hin und Her doch nur weiter verunsichert.“
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