Berlin. Wer ins Kino oder in den Biergarten will, muss demnächst an vier Dinge denken: Schlüssel, Portemonnaie, Maske, Schnelltest-Ergebnis. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder spricht bereits von einem „Test-Pass“, den die Bürger in Zukunft benötigen könnten. Wenn die Öffnungspläne von Bund und Ländern greifen, sind schon ab nächster Woche Besuche in Kosmetikstudios oder Barbiershops nur mit einem negativen Schnelltest möglich. Im nächsten Schritt sollen dann Biergärten, Theater, Kinos und Konzerthäuser für Menschen öffnen, die einen Schnelltest gemacht haben. Doch geht das gut? Gibt es dafür überhaupt genügend Tests?
Wo gibt es die neuen Selbst- und Schnelltests?
An diesem Samstag geht es los: Selbsttests für ungeschulte Laien soll es dann bereits in den ersten Discounter-Filialen geben, ab nächster Woche auch in Apotheken und Drogeriemärkten. Die Tests für den Eigengebrauch dienen vor allem dazu, sich selbst über eine mögliche Infektion zu vergewissern. Wer dagegen formal nachweisen will, dass er aktuell nicht infektiös ist, braucht einen Schnelltest plus Bescheinigung über das Ergebnis. Solche Tests gibt es zwar schon länger, doch sollen sie jetzt millionenfach kostenlos verteilt werden: Mindestens einmal pro Woche sollen sich Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte sowie das Personal in Kitas kostenlos testen lassen können. Alle Bürgerinnen und Bürger sollen zudem mindestens einmal pro Woche gratis einen Schnelltest machen können – etwa beim Arzt oder in einem kommunalen Testzentrum. Die Kosten übernimmt ab dem 8. März der Bund. Zudem sollen die Unternehmen ihren Beschäftigten pro Woche das Angebot von mindestens einem kostenlosen Schnelltest machen. Wie das konkret ablaufen soll, ist noch unklar.
Viele offene Fragen gibt es auch bei den Gratis-Tests in Praxen und Testzentren: „Die Logistik dazu ist noch nicht überall zu 100 Prozent da“, sagte Söder am Donnerstag in München. Es seien noch Rechtsfragen zu klären, etwa beim verlässlichen Nachweis eines negativen Testergebnisses. Der CSU-Politiker denkt dabei bereits an ein neues Dokument – einen „Test-Pass“, mit dessen Hilfe jeder belegen kann, dass er aktuell nicht infektiös ist. In den Kommunen fühlen sich viele überrollt: Oliver Hermann, Chef des Brandenburger Städte- und Gemeindebunds, spricht für viele seiner Amtskollegen: „Aus meiner Sicht ist da noch ganz viel offen“, sagte der Bürgermeister von Wittenberge nach der Bund-Länder-Runde.
Wann benötigt man die Tests?
Es klingt absurd: Unklar ist, ob man Tests überall bekommt. Klar aber ist, wo man sie demnächst braucht. Wer körpernahe Dienstleistungen wie Kosmetik oder Rasieren bucht, braucht ab Montag einen tagesaktuellen Test. Zwei Wochen später, wenn die Infektionslage regional stabil unter dem Inzidenzwert von 100 liegt, sollen Biergärten und Straßencafés öffnen können – für Besucherinnen und Besucher mit vorheriger Terminbuchung. Sitzen an einem Tisch Personen aus mehreren Hausständen, ist dann ein tagesaktueller Schnell- oder Selbsttest der Tischgäste erforderlich. Gleichzeitig dürfen dann auch Theater, Konzert- und Opernhäuser sowie Kinos für Besucher mit einem frischen Schnell- oder Selbsttest öffnen. Kontaktfreier Sport im Innenbereich sowie Kontaktsport im Außenbereich wird ebenfalls dann möglich, wenn alle Teilnehmenden über ein negatives Testergebnis verfügen. Wie das genau laufen soll, weiß derzeit niemand. In der Kino-Branche sind sie ratlos und verärgert: Es gebe „einfach viel zu viele offene Fragen“, sagte Christian Bräuer von der Arbeitsgemeinschaft Kino-Gilde.
Gibt es überhaupt genügend Tests?
Das ist die heikelste Frage. Niemand kann im Moment exakt sagen, wie groß die Nachfrage sein wird. Im Beschlusspapier der Bund-Länder-Runde heißt es auffallend vage: „Schnelltests sind in großer Zahl verfügbar.“ Laut Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) liegen aktuell 150 Millionen Schnelltests auf Halde und könnten direkt geliefert werden. Die Länder und Kommunen müssten sie nur abrufen. Der Bund habe sich zudem mindestens 800 Millionen Schnelltests über bilaterale Absichtserklärungen und europäische Rahmenverträge für dieses Jahr gesichert.
Hat sich Jens Spahn verkalkuliert?
Wenn jeder zweite Deutsche einmal pro Woche das Testangebot nutzt, kommt man auf einen Bedarf von rund 150 Millionen. Weil die Tests immer nur für einen Tag Sicherheit bieten, dürften viele Bürgerinnen und Bürger demnächst deutlich häufiger Tests mit geprüftem Nachweis brauchen. Nicht nur die Opposition findet es ärgerlich, dass die Regierung erst jetzt mit voller Kraft Tempo bei den Schnelltests macht: Vier Tage bevor das große Testen ab Montag losgehen soll, hat sie eine Taskforce Testlogistik für „größtmögliche Verfügbarkeit und zügige Lieferung von Schnelltests“ gebildet. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) ist sauer auf die Regierung: „Ich habe kein Verständnis dafür, warum Selbsttests, die jetzt auf den Markt kommen, in Discounter gehen, aber nicht geordert worden sind für Kita und Schule.“
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/politik_artikel,-politik-schnelltests-fuer-alle-geht-das-_arid,1766760.html