Israel im Krieg

Israels Botschafter Prosor: „Wir führen einen Kampf gegen die Barbarei“

Seit vier Wochen ist Israel im Krieg. Ein Krieg, der auch in Deutschland Spuren hinterlässt. Welche Erwartungen Israels Botschafter Ron Prosor an Deutschland hat - und wie er auf die Lage in Gaza blickt

Von 
Esther Lehnardt
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Ron Prosor, israelischer Botschafter in Deutschland, findet deutliche Worte für die Taten der Hamas. © Monika Skolimowska/dpa

Mannheim. Einen Monat ist es her, dass die Hamas Israel angegriffen hat. Das Land ist im Krieg. Auch in Deutschland hinterlässt das Spuren: Demos im ganzen Land, Davidsterne auf jüdischen Läden und Angriffe auf Synagogen. Ron Prosor, israelischer Botschafter in Deutschland, spricht im Interview über die Reaktion der Bundesregierung und seine Erwartungen an die deutsche Öffentlichkeit.

Herr Prosor, wie fühlen Sie sich, wenn Sie gerade in Deutschland unterwegs sind?

Ron Prosor: Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat am Donnerstag ein Betätigungsverbot von Samidoun und Hamas ausgesprochen. Damit hat die Bundesregierung klare Kante gezeigt. Sie macht damit deutlich, in Deutschland gilt null Toleranz für Terrorismus und Antisemitismus. Das ist aus meiner Sicht eine wichtige Entscheidung mit Signalwirkung.

Israels Botschafter Ron Prosor

  • Ron Prosor wurde am 11. Oktober 1958 in Kfar Saba in Israel geboren.
  • Sein Vater stammt aus Berlin. Die Familie emigrierte 1933 nach Israel.
  • Er arbeitet seit drei Jahrzehnten für das israelische Außenministerium, unter anderem in Bonn, Washington und London.
  • Er spricht Hebräisch, Deutsch und Englisch.
  • Der Botschafter ist verheiratet und hat drei Kinder

 

Reicht dieses Verbot der radikal-islamistischen Hamas und des pro-palästinensischen Vereins Samidoun in Deutschland als Maßnahme für Sie aus?

Prosor: Es gibt Menschen, die nur auf das halbleere Glas schauen. Das Verbot der Hamas und von Samidoun ist ein guter Schritt, den ich voll und ganz unterstütze. Wenn Demonstranten „Tod Israel“ oder „Tod den Juden“ schreien, wenn Molotow-Cocktails auf Synagogen geworfen und Davidsterne auf Häuser geschmiert werden, in denen Juden leben, muss das bestraft werden. Nicht nur mit Worten.

Glauben Sie, dass diese Entscheidung der Bundesregierung dazu führt, dass sich Jüdinnen und Juden in Deutschland sicher fühlen können?

Prosor: Es ist ein Anfang. Wenn man konsequent gegen die Hamas und Samidoun vorgeht, werden Juden und Israelis sich in Deutschland in Zukunft sicherer fühlen können. Dazu trägt auch die Arbeit der Innenministerin von Berlin, Iris Spranger, bei. Ich sehe, dass sie wirklich alles tut, um jüdische Einrichtungen zu schützen.

Nach dem Massaker des 7. Oktober erwarte ich, dass sich die deutsche Bevölkerung auf die Seite Israels und gegen das Böse stellt.

Erwarten Sie von der nicht-jüdischen deutschen Öffentlichkeit ein genauso klares Signal?

Prosor: Nach dem Massaker des 7. Oktober erwarte ich, dass sich die deutsche Bevölkerung auf die Seite Israels und gegen das Böse stellt. Israel und Deutschland teilen dieselben Werte: Demokratie, Freiheit und Frieden. Wir führen gerade einen Kampf der Zivilisation gegen die Barbarei. Darum erwarte ich von denjenigen, denen Demokratie, Freiheit und Frieden wichtig sind, dass sie auf der Seite Israels stehen.

Mit Barbarei meinen Sie die Terrortaten der Hamas?

Prosor: Genau.

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Das heißt, die Terrororganisation und nicht alle Palästinenser?

Prosor: Ich meine die Terrororganisation Hamas, aber auch die Infrastruktur der Hamas. Nicht alle Palästinenser sind die Hamas. Das ist klar. Aber manchmal ist der Unterschied nicht so groß. Es ist eine Tatsache, dass Teile der palästinensischen Bevölkerung die Taten des 7. Oktober unterstützt haben. Es sind all diejenigen, die die Ideologie der Hamas verharmlost haben. Die palästinensische Führung und Präsident Mahmud Abbas haben die Taten der Hamas nicht verurteilt. Es kam auch nichts aus Jordanien oder Ägypten und übrigens auch nichts von vielen muslimischen Verbänden in Deutschland. Mit denjenigen, die die Taten der Hamas nicht klar verurteilen, haben wir ein Problem. Da muss gelten: Null Toleranz.

Blicken wir nach Israel: Die Menschen dort sind davon ausgegangen, dass die israelische Armee auf jedes Szenario vorbereitet ist. Wie konnte es also zu so einem Angriff kommen?

Prosor: Sie stellen eine hervorragende Frage. Wir werden uns mit dieser Frage gründlich auseinandersetzen. Aber nicht jetzt. Jetzt haben wir eine Priorität: die Infrastruktur von Hamas und ihre Führung zu beseitigen. Wenn das geschafft ist, werden wir diese Frage beantworten.

Die humanitäre Lage macht jeden traurig, der ein Mensch ist. Aber wir müssen uns auch fragen: Wer ist für diese Bilder verantwortlich? Es ist die Hamas.

Das Land ist seit vier Wochen im Krieg. Mittlerweile ist auch die Bodenoffensive in Gaza angelaufen. Die Bilder, die uns aus Gaza erreichen, sind brutal. Wie blicken Sie auf die humanitäre Situation dort?

Prosor: Die humanitäre Lage macht jeden traurig, der ein Mensch ist. Aber wir müssen uns auch fragen: Wer ist für diese Bilder verantwortlich? Es ist die Hamas. Sie schießt Raketen aus Wohngebieten, richtet Kommandozentralen unter Krankenhäusern ein. Das ist das zynische Kalkül der Hamas. Sie nimmt zivile Opfer bewusst in Kauf und missbraucht die eigene Bevölkerung als menschliche Schutzschilde. Israel wird nie Zivilisten direkt angreifen. Aber wenn diese Zivilisten als Schutzschild benutzt werden, dann passiert das, was wir nun sehen und bedauern.

Die Hamas kalkuliert also mit den Bildern der Zerstörung aus Gaza?

Prosor: Ja, sie benutzt diese Bilder. Der Hamas ist die eigene Bevölkerung egal. Israel fordert die Menschen auf, in den Süden des Gazastreifens zu fliehen. Die Hamas verhindert das. Die Welt muss verstehen: Die Bevölkerung des Gazastreifens muss von der Hamas befreit werden.

Bewohner des Kibbuz Kfar Azza fesseln sich die Hände und tragen Augenbinden während einer Solidaritätsdemonstration mit Freunden und Verwandten von Menschen die im Gazastreifen als Geiseln genommen wurden. © Oded Balilty/dpa

240 Menschen hat die Hamas als Geiseln verschleppt. Haben Sie noch Hoffnung für sie?

Prosor: Die Geiseln zu befreien, ist eines der Ziele der Bodenoffensive. Aber es ist sehr schwierig. Jede Geisel hat eine eigene Geschichte. Es sind Menschen aus 41 Ländern. Darunter sind Kinder, Frauen, Holocaust-Überlebende. Eine der Geiseln ist ein neun Monate altes Baby. Das ist unmenschlich. Die Hamas benutzt die Geiseln für ihre Kriegsführung. Aber ja, ich habe noch Hoffnung für sie.

Redaktion Online-Redakteurin und Leiterin des Leben-Bereichs des Mannheimer Morgens

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