Mexiko-Stadt.. Sie fliehen vor Gewalt, vor Drogenkartellen, vor dem Kollaps staatlicher Strukturen. Doch für viele Menschen aus Mittel- und Südamerika, die im Norden ein sichereres Lebens suchen, wird die Flucht selbst zur tragischen und mitunter tödlichen Gewalterfahrung.
Bei Menschenhandel geht es um viel Geld
„Der Menschenhandel bringt den Kartellen viel, viel Geld“, weiß die mexikanische Journalistin und Buchautorin Marta Duran de Huerta, die sich auf organisierte Kriminalität spezialisiert hat. „Die armen Menschen werden verkauft, ausgebeutet. Sie arbeiten als Sklaven, die Frauen werden zu Zwangsprostituierten“, sagt sie. Überlebende Entführungsopfer haben ihr berichtet, dass sie zuhause anrufen und um eine Geldüberweisung bitten mussten. Wer das nicht tat, wurde erschossen. Das alles passiere in vielen Herkunftsländern - aber auch noch in Mexiko, sagt Marta Duran. „Auf jeder Etappe der Flucht lauern Gefahren.“ Mitunter würden ganze Busse mit Flüchtenden gekidnappt.
Maria (Name geändert) und ihre 18, 16 und 14 Jahre alten Nichten aus Honduras hatten vergleichsweise Glück. Auch sie sind vor Gewalt geflohen und leben derzeit in einer Flüchtlingsunterkunft in Guadalajara. Ihr Ziel: die USA, wo die Mutter der drei Teenager lebt. „Es lief eigentlich ganz gut, bis wir über die Grenze nach Mexiko kamen“, erinnert sich Maria. „Doch dann wurde unsere Gruppe von einer Bande gestoppt.“ Die bewaffneten Männer interessierten sich vor allem für die damals 17 Jahre alte Nichte Marias, wollten sie mit sich zerren. In der Aufregung knieten sich zwei junge Flüchtende nieder und begannen zu beten - mit Erfolg, denn die Banditen ließen von dem Mädchen ab. „Wir haben ihnen unser ganzes Geld gegeben, um meine Nichte zu behalten“, sagt Maria mit leiser Stimme.
Vor allem Menschen, die sich allein durchschlagen, meist mit Ziel USA, sind in Gefahr. Und auch diejenigen, die sich aus Unkenntnis an die Migrationspolizei wenden. „Die arbeiten oft mit den Kartellen zusammen“, weiß Marta Duran.
Tausende Geflüchtete kampieren in Mexiko-City - die organisierte Kriminalität ist nicht weit
In Mexiko-City kampieren derzeit Tausende nicht registrierte Flüchtlinge. Oft schlagen sie ihre Lager in der Nähe von kirchlichen Armenspeisungen auf - in der Hoffnung auf warme Mahlzeiten. Doch die organisierte Kriminalität ist nicht weit. „Die Iglu-Zelte und Bretterbuden vermieten die Banden für rund zehn Euro die Woche“, sagt Jelena Hawellek vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR). Eine riesige Summe für diese Menschen.
Das UNHCR betreibt Aufklärungsarbeit in den irregulären Camps, versucht Alternativen aufzuzeigen. Eine davon ist, Asyl bei COMAR, der mexikanischen Kommission für Flüchtlingshilfe, zu beantragen. Dort gibt es psychosoziale und medizinische Unterstützung und Hilfe bei der Suche nach einem Platz in einer Flüchtlingsunterkunft. Allerdings werden die Ausweise, die Flüchtlinge bis vor einem Jahr bei der Erstregistrierung erhielten, im Moment nicht ausgegeben. Warum, wissen auch die UNHCR-Mitarbeiter nicht. Für die Flüchtenden ist das dramatisch. Denn nur mit dem Ausweis können sie offiziell arbeiten, öffentliche Verkehrsmittel nehmen.
Immerhin: Die Asylprüfung in Mexiko dauert nur fünf bis sechs Monate, die Anerkennungsquote ist mit 75 bis 80 Prozent hoch. Ist diese Hürde geschafft, erhalten die Geflüchteten eine permanente Aufenthaltserlaubnis - und damit die Hoffnung auf ein Leben in Sicherheit.
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