Stuttgart. Die Digitalisierung ist kein Selbstläufer. Das muss auch FDP-Landeschef Michael Theurer feststellen, nachdem die Südwest-Liberalen am Samstag die erste Stunde ihres Parteitags in der Stuttgarter Messe damit beschäftigt sind, ihr elektronisches Abstimmungsverfahren ins Laufen bringen. Und die Zeit drängt, denn bis zum EM-Spiel der Deutschen um 18 Uhr will man fertig sein.
Im Südwesten ist nach der grün-schwarzen Koalitionsbildung jedoch die Messe gelesen. Jetzt will Theurer die Partei einstimmen auf die Bundestagswahl im Herbst. Und das geschieht zunächst durch den Blick zurück: 10,5 Prozent bei der Landtagswahl 2021, 12,7 Prozent im Südwesten bei der Bundestagswahl 2017 – für Theurer sind dies alles Beweise dafür, dass die Liberalen in Baden-Württemberg auf dem richtigen Weg sind. Diese Ergebnissen zeigten, dass die FDP in Berlin mit Rückenwind aus dem Südwesten rechnen könne.
Theurer selbst ist bereits seit 2013 Landeschef der Partei. In seiner Rede thematisiert der 54-Jährige bewusst, dass die FDP in der Pandemie schon frühzeitig eine andere Position als CDU, Grüne und SPD hatte – und offensiv für Öffnungsperspektiven drängte. Diese Positionierung ist für viele Wahlforscher derzeit der zentrale Grund dafür, dass sich die FDP in den bundesweiten Umfragen im deutlich zweistelligen Bereich befindet. „Wenn nicht wir für die vielen kleinen und mittleren Unternehmen kämpfen, dann kämpft niemand mehr für sie“, sagt Theurer über die Probleme bei der Ausbezahlung der Corona-Hilfen des Bundes für die Wirtschaft. Dazu attackiert Theurer die Bundesregierung und deren Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wegen des Impfstoffmangels und anderer Probleme in der Pandemie – wie beispielsweise bei der Masken-Beschaffung.
Und im Baden-Württemberg? „Hier macht die CDU alles mit. Man muss die Orientierung bei der sozialen Marktwirtschaft schon mit der Lupe suchen“, so Theurer. Die CDU insgesamt gebe „ein jämmerliches Bild ab“. Dabei betont er nochmals, dass die FDP im Land regieren wollte – aber im Gegensatz zur CDU nicht um jeden Preis.
Doch zurück zum Bund. „Ich fordere Annalena Baerbock auf zu erklären, ob sie im Bund auch eine grün-rot-rote Regierung machen würde“, sagt Theurer. Überhaupt nimmt er in seiner Rede vor allem die Grünen ins Visier: Selbst wenn Deutschland frühzeitig klimaneutral sein würde, sei das weltweit betrachtet nur ein sehr geringer Beitrag. Stattdessen solle Deutschland lieber Klimaschutztechnologien exportieren – und würde so einen wesentlich größeren Beitrag zum Umweltschutz leisten. Doch der Abgesang auf den Verbrennungsmotor sei falsch. „Wenn bis 2030 insgesamt 40 Prozent Elektroautos in Deutschland zugelassen wären, hätten immer noch 60 Prozent keine Elektroautos“, so Theurer und verweist auf die Wasserstofftechnologie. Sie sieht die FDP als zentrales Element künftiger Antriebstechniken.
Steuern senken, Soli abschaffen, Steuerrecht reformieren – der Rest ist nichts Neues. Theurer schließt seine Rede mit den Worten: „Ich bin stolz, ein baden-württembergischer freier Demokrat zu sein.“
Bei der Wahl einige Stunden später wird Theurer als Landesvorsitzender mit 88,1 Prozent der Stimmen bestätigt. Da seine Zustimmung unter 90 Prozent liegt, wird der Ausgang unter den Delegierten als ein eher ehrliches Ergebnis gewertet, aber nicht herausragend. Am Nachmittag endet der Parteitag dann – rechtzeitig vor dem Anpfiff des EM-Spiels der Deutschen.
FDP in Baden-Württemberg
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Bundestagswahl FDP droht wieder Opposition im Bund