Ukraine-Krieg

Atomkraftwerk Saporischschja erneut unter Beschuss

UN-General Guterres warnt vor einer Katastrophe. Erneut gibt es gegenseitige Schuldzuweisungen. Kämpfe im Donbass halten an

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dpa
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Das Kernkraftwerk Saporischschja im Südosten der Ukraine befindet sich unter russischer Militärkontrolle. © Uncredited/Russian Defense Ministry Press Service/AP/dpa

Saporischschja/Kiew/Moskau. Das ukrainische Atomkraftwerk Saprischschja ist nach Angaben der russischen Besatzer erneut unter Beschuss geraten. Das Kraftwerk sei mit schwerer Artillerie und Raketenwerfern angegriffen worden, teilte der Vertreter der Besatzungsbehörden, Wladimir Rogow, am Donnerstag im Nachrichtenkanal Telegram mit. Geschossen werde aus Ortschaften, die unter ukrainischer Kontrolle stünden. Überprüfbar waren die Angaben nicht. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte angesichts des Beschusses vor einer möglichen Atomkatastrophe gewarnt.

Der ukrainische Kraftwerksbetreiber Enerhoatom informierte bei Telegram über insgesamt zehn Einschläge in der Nähe des größten europäischen Atomkraftwerks im Süden der Ukraine. „Die Situation im Kraftwerk ist gerade unter Kontrolle“, teilte der Konzern mit. Nach diesen Angaben gab es keinen Brand und auch keine erhöhten Radioaktivitätswerte. Die Ukraine wirft den russischen Truppen vor, das AKW als Festung für Angriffe zu nutzen. Die prorussischen Separatisten wiederum beschuldigen die ukrainischen Streitkräfte, mit Beschuss den Westen zum Eingreifen in den Konflikt bewegen zu wollen. Russlands Staatsfernsehen zeigte Bilder, die Raketeneinschläge am Kraftwerk zeigen sollen.

Rogow lehnte Forderungen der Gruppe sieben führender Industrienationen (G7) - darunter Deutschland - ab, das Kraftwerk wieder unter ukrainische Kontrolle zu geben. „Das wäre, als wenn man einem Affen eine Handgranate in die Hand gibt“, sagte Rogow der russischen Staatsagentur Tass.

Russland verwehrt Zugang

Die Sorge um einen atomaren Zwischenfall in Europas größtem Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine beschäftigt auch die Vereinten Nationen. Auf Antrag Russlands stand am Donnerstag eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats auf dem Programm. UN-Generalsekretär António Guterres warnte vor einer neuen Katastrophe. Guterres äußerte sich vor der Sitzung des mächtigsten UN-Gremiums zutiefst besorgt. „Bedauerlicherweise gab es in den letzten Tagen keine Deeskalation, sondern Berichte über weitere zutiefst besorgniserregende Vorfälle. Wenn sich diese fortsetzen, könnte dies zu einer Katastrophe führen.“ An beide Kriegsparteien appellierte er, die militärischen Aktivitäten sofort einzustellen. Vor dem Rat sollte auch der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, Auskunft geben. Russland verwehrt internationalen Experten bislang allerdings den Zugang.

Im ukrainischen Kernkraftwerk Tschernobyl hatte sich 1986 der schlimmste atomare Unfall auf europäischem Boden ereignet. International gibt es Befürchtungen, dass sich in Saporischschja durch Raketenangriffe etwas Ähnliches wiederholen könnte. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte vor einer Atomkatastrophe ähnlich wie in Tschernobyl. „Wir müssen Europa vor dieser Bedrohung schützen“, sagte er per Videoschalte zum Auftakt einer Ukraine-Geberkonferenz in Kopenhagen.

Im Donbass in der Ostukraine setzten russische Truppen unterdessen ihre Vorstöße fort, die von massivem Artilleriefeuer begleitet waren. Dabei wurden in der Stadt Bachmut am Mittwoch sieben Zivilisten getötet, wie die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft mitteilte. In Donezk beklagten die von Russland unterstützten Separatisten, dass durch ukrainischen Beschuss mehrere Zivilisten getötet worden seien. Nach mehreren Raketentreffern auf eine Brauerei sei giftiges Ammoniak ausgetreten. 

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