Klima

Wie außergewöhnlich sind Trockenheit und Hitze im Südwesten wirklich?

In Baden-Württemberg sinken die Pegelstände der Flüsse, der Wald leidet – Landwirte sind aber noch entspannt

Von 
Thomas Faltin
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Viele Flüsse – wie hier die Dreisam bei Freiburg – sind in diesen Tagen nahe am Austrocknen. © Faltin

Stuttgart. Wie außergewöhnlich sind Trockenheit und Hitze in Baden-Württemberg im Moment? Antworten auf wichtige Fragen:

Ist das, was wir gerade hier im Südwesten erleben, Wetter oder schon ein Teil der Klimakrise?

Laut einem neuen Bericht des Deutschen Wetterdienstes waren in Deutschland seit 2009 alle Frühjahre bis auf 2013 trockener als im Klimamittel von 1981 bis 2010. Bei den Temperaturen ist die Zunahme – in Baden-Württemberg um 1,5 Grad – eindeutig. Dieser Trend setzt sich laut dem Weltklimarat in Europa in den kommenden Jahren fort. Insofern: Ja, das ist Klima, was wir derzeit erleben.

Wie sieht es bei den Flüssen im Land aus?

Die Pegelstände der Flüsse im Südwesten liegen teils kaum noch über dem niedrigsten Stand der letzten 40 Jahre. So hat die Kinzig bei Hausach noch eine Tiefe von 17 Zentimentern – das sind zwei Zentimeter mehr als beim niedrigsten je gemessenen Wasserstand im Jahrhundertsommer 2003. Die Landesanstalt für Umwelt (LUBW) betont, dass die Negativrekorde in diesem Jahr noch gebrochen werden könnten.

Auf dem Rhein sei die Schifffahrt bereits eingeschränkt, was ungewöhnlich früh im Jahr sei, teilt Benjamin Sinaba vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Oberrhein mit. Bei weiter anhaltender Trockenheit werde sich die mögliche Abladetiefe der Schiffe weiter verringern. Auch der Bodensee führt wenig Wasser; der Wasserspiegel ist 80 Zentimeter niedriger als zu dieser Jahreszeit üblich – der Pegel Konstanz zeigt eine Höhe von 339 Zentimetern an.

Die Wassertemperaturen in den Flüssen nähern sich bereits den Werten von 2003 oder haben sie schon erreicht – davon geht eine große Gefahr für alle Lebewesen im Wasser aus. Der Sauerstoffgehalt sei aber selbst im fast stehenden Neckar derzeit noch sehr gut, teilt die LUBW mit. Bedenklich ist die Situation beim Grundwasser: Der Frühsommer 2022 zähle im langjährigen Vergleich zu den Frühsommern mit den niedrigsten Grundwasserverhältnissen.

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Sind die Ernten im Südwesten bedroht?

Im Moment sind die Landwirte noch entspannt. Das Getreide und der Raps seien gedroschen, oder die Ernte stehe bevor, sagt Ariane Amstutz vom Landesbauernverband – zum Abreifen sei trockenes Wetter sogar gut. Um den Wein müsse man sich vorerst auch keine Sorgen machen, weil die Wurzeln der Reben tief in die Erde hinabreichten. Flachwurzelnde Pflanzen wie Salat oder Gemüse müssten dagegen bewässert werden. „Bisher ist alles im Großen und Ganzen okay“, so Amstutz. Doch nun könnte sich alles drehen, sagt Isabel Kling vom Landwirtschaftsministerium: „Sowohl der zweite und dritte Schnitt beim Grünland als auch die Erträge bei späteren Kulturen wie Mais, Zuckerrüben und Sojabohnen werden regional mutmaßlich geringer ausfallen.“ Im Südwesten werde öfter Grannenweizen angebaut, der trockenresistenter ist.

Werden bereits Kraftwerke heruntergefahren?

Im Moment noch nicht. Kraftwerke benötigen Flusswasser zur Kühlung – bei hoher Temperatur oder bei niedrigem Wasserstand müssen die Kraftwerke deshalb gedrosselt oder ganz abgestellt werden. Friederike Eggstein von der EnBW betont aber, dass es beim Kernkraftwerk in Neckarwestheim sowie bei den fünf Kohleblöcken in Karlsruhe, Heilbronn, Stuttgart-Münster und Deizisau derzeit keine Einschränkungen gebe. Etwas anders sieht es bei den fünf weiteren Kohleblöcken aus, die die EnBW als Netzreserve für die Spitzenabdeckung vorhält. Zwei Blöcke in Heilbronn dürften gerade gar nicht betrieben werden, weil das Wasser des Neckars schon zu warm ist. Bei den Anlagen in Marbach und Walheim gäbe es zumindest Einschränkungen, wenn sie angeworfen werden müssten.

Wie steht es um den Wald im Südwesten?

Zwei Drittel der Fläche im Südwesten haben schon die höchste Waldbrand-Warnstufe erreicht. Manche Forstämter sperren deshalb bereits Grillstellen im Wald. Gravierender aber ist, dass die Bäume durch die Trockenheit immer stärker geschädigt werden. „Bewährte Baumarten wie die Fichte sind stehend k. o.“, sagt Forstminister Peter Hauk (CDU). Der Zustand der Wälder sei „sehr besorgniserregend“, durch die Trockenjahre 2018 bis 2020 wiesen bei der letzten Untersuchung mehr als 40 Prozent aller Waldbäume deutliche Schäden auf.

Wie geht es weiter?

In Mitteleuropa ist es eigentlich schon viele Monate zu trocken. In dem Bericht des Deutschen Wetterdienstes heißt es, dass seit September 2021 alle Monate außer dem Februar zu trocken gewesen seien. Und die Vorhersage des Wetterdienstes für die nächsten drei Monate prophezeit relativ wenig Regen: Man gehe von „trockeneren Zuständen im Vergleich zum vieljährigen Mittel von 1991-2020“ aus. Das gilt wohl auch für den Südwesten.

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