Stuttgart. Möglichst schnell nach den Pfingstferien will Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) ein spezielles Förderprogramm für Schüler auflegen, die durch Corona Lernlücken haben. Am kommenden Dienstag wird der Ministerrat über das Modellprojekt beraten. Weitere Hilfen plant die Grünen-Ministerin in den Sommerferien.
Der Aufruf war ein voller Erfolg. Schon nach wenigen Tagen waren die 500 Lehramtsstudierenden gefunden, die als Aushilfslehrer demnächst an die Schulen kommen sollen. „Das Programm ist ausgebucht. Es gibt inzwischen eine Warteliste für Nachrücker“, berichtet ein Sprecher von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Sie bereitet mit Schopper unter dem Titel „Bridge the Gap“ gemeinsam das Konzept vor, das sich mit „überbrücke die Lücke“ übersetzen lässt.
Wie wird Förderbedarf festgestellt?
Noch vor den Sommerferien will Bundesbildungsministerin Anja Karliczek den Lernstand von Schülern erheben und so Wissenslücken identifizieren. Das werde mit den Ländern jetzt vereinbart, kündigte die CDU-Politikerin vor wenigen Tagen an. Sie will sogar entsprechende Tests zur Verfügung stellen.
In Baden-Württemberg ist Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) vom Vorpreschen ihrer Kollegin wenig begeistert. Sie verweist auf die ohnehin nach den Sommerferien anstehenden bundesweiten Vergleichstests für die Klassenstufen 3, 5 und 8. Die sollen für die Feststellung des Förderbedarfs genutzt werden.
Für die anderen Jahrgangsstufen lässt Schopper gerade ein Konzept erstellen. „Möglichst einfach und solide“ will die Grünen-Politikerin bei allen Schülerinnen und Schülern den Lernstand erheben. pre
Monatelange Schulschließungen, Notbetreuung, Fernlernen und Wechselunterricht haben bei vielen Schülern Lücken gerissen. 20 Prozent der deutschen Schüler hätten einen stark erhöhten Förderbedarf, haben die Forscher des Münchner Ifo-Instituts in einer Ende April veröffentlichten Studie berichtet.
Mit „Bridge the Gap“ will Schopper jetzt in einem ersten Schritt Lernlücken angehen. „Das Modellprojekt soll schnellstmöglich in den ersten 14 Tagen nach den Pfingstferien beginnen und bis zu den Sommerferien dauern“, erläutert ihr Sprecher. Schulen, die erhebliche Lernrückstände bei ihren Schülern sehen, können sich für die Teilnahme melden. Selbstständig unterrichten dürfen die Nachwuchskräfte, die mindestens vier Fachsemester absolviert haben müssen, nicht. Pro Woche vier Stunden Förderangebote sind angedacht. Eine halbe Million Euro stellt die Regierung für die Bezahlung bereit.
Erfahrungen sammeln
Mit diesem Modellprojekt in einem noch relativ überschaubaren Rahmen sollen zugleich wichtige Hinweise für ein landesweites Förderprogramm nach den Sommerferien gewonnen werden, heißt es im Kultusministerium. Die Ministerin jedenfalls ist schon vor dem Start überzeugt: „Das Modellprojekt ist eine tolle Sache.“ Die Studierenden könnten Schüler mit besonderem Förderbedarf unterstützen und selbst wichtige Erfahrungen für ihren Beruf sammeln. Das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung soll sie auf den Einsatz vorbereiten und sie bei der Arbeit begleiten.
Die im vergangenen Jahr in den zwei letzten Wochen der Ferien angebotenen freiwilligen Nachhilfekurse will Schopper wiederholen. Die Rückmeldungen aus den Reihen der 61 500 Teilnehmer seien „durchaus positiv“ gewesen. 95 Prozent hätten den Unterricht als angemessen bewertet. Die im vergangenen Jahr aufgekommene Kritik an ungeeignetem Unterrichtsmaterial werde berücksichtigt. Im Unterschied zum Vorjahr soll es diesmal neben der Vermittlung von Fachwissen auch um die Lösung von Lernblockaden der Schüler gehen. Die Lernbrücken in den Sommerferien haben meist Lehrer angeboten, zum Teil auch Referendare.
Wachsender Beliebtheit erfreuen sich die „Sommerschulen“, die ein breiteres Angebot haben. Sie gehen nach Angaben des Kultusministeriums über reinen Nachhilfeunterricht hinaus. Schüler mit Förderbedarf könnten fachliche Defizite aufholen, aber auch Neues lernen und soziale Kompetenzen weiterentwickeln. „Sommerschulen“ sind dieses Jahr an 82 Standorten mit 2500 Teilnehmern geplant (2020 nur 54).
Rückenwind mit Geld des Bundes
Bis zu zwei Milliarden Euro will Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) für ein Aktionsprogramm zum Ausgleich von Coronafolgen bei Kindern den Ländern zur Verfügung stellen. Etwa die Hälfte des Betrags ist für die Nachhilfe gedacht, 250 Millionen fließen für Schulsozialarbeit. Weitere 750 Millionen sind für bestehende Bundesprogramme zur Sprachförderung in den Kindergärten vorgesehen.
In Baden-Württemberg läuft das Förderangebot unter dem Titel Rückenwind. „Wir haben erste Planungen aufgenommen“, berichtet Schoppers Sprecher. Die Lernrückstände sollen verteilt über das kommende Schuljahr aufgeholt werden. Es sei an zusätzliche Angebote neben dem Unterricht gedacht, aber auch an Vertiefungen in der regulären Schulzeit. Dabei sollen zusätzliche Kräfte die Lehrer unterstützen.
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