Neujahrsempfang

Marcel Reif beim TSV 1846 Mannheim: „Deutschlands Umgang mit Franz Beckenbauer war nicht okay“

Er ist der womöglich bekannteste deutsche Sportreporter und hat mit seiner Rede im Bundestag viele berührt: Nun war Marcel Reif beim TSV 1846 in Mannheim zu Gast.

Von 
Sylvia Osthues
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Neujahrsempfang des TSV 1846 mit Gastredner Marcel Reif (3. v. l.), TSV-Präsident Holger Diekmann (l.), Sportbürgermeister Ralf Eisenhauer (2.v.l.) und TSV-Vizepräsident Bernd Kupfer © Sylvia Osthues

Mannheim. Leistungen des Sports und der Vereine in der Gesellschaft sind unverzichtbar und wichtig für das Zusammenleben: Das betonte der renommierte Sportjournalist und Moderator Marcel Reif beim Neujahrsempfang im Sport- und Gesundheitszentrum TSV Mannheim von 1846 e.V. – an einem inspirierenden Nachmittag voller spannender Themen, anregender Gespräche und musikalischer Highlights.

Holger Diekmann, Präsident des TSV 1846, hieß die zahlreichen Gäste aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Vereinen willkommen. Er erklärte: „Sport und Vereine sind so wichtig wie nie. Vereine als Ort außerschulischer Bildung und sozialer Kleber tragen zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts bei.“

Was das vergangene Jahr für den fast 4900 Mitglieder starken TSV einzigartig machte, sei das erste Schutzkonzept gegen interpersonelle Gewalt. Gefeiert worden sei zudem ein kleines Jubiläum, nämlich zehn Jahre Sportzentrum TSV und Sport-Kita „Purzelbaum“, die einzigartig in Mannheim ist.

TSV 1846 Mannheim plant zwei neue Kitas

„Dieses Jahr sollen zwei weitere Kitas im Bußjägerweg und auf Franklin folgen mit 80 bis 60 Plätzen“, so Diekmann. Das freute Sportbürgermeister Ralf Eisenhauer (SPD). Der TSV als Partner der Stadt stehe „nicht nur für den sportlichen Erfolg, sondern als wichtiger Ort der Bewegung und Begegnung auch für den sozialen Zusammenhalt“, sagte er.

Sporttalk zwischen Bernd Kupfer (l.) und Marcel Reif beim TSV 1846 Mannheim. © Sylvia Osthues

„Wie wichtig sind Sport und Vereine für das gesellschaftliche Miteinander?“ lautete das Thema des folgenden spannenden Sporttalks. Im Interview mit Vizepräsident Bernd Kupfer sprach Sportjournalist Marcel Reif über die Reaktionen auf seine sehr persönliche Rede im Bundestag im Januar 2024 sowie negative und positive Entwicklungen in Gesellschaft und Politik – eine tiefgehende und lebendige Diskussion mit besonderen Einblicken.

Auf die Eingangsfrage, was ihn mit der Region verbindet, erläuterte Reif, was für ihn „Heimat“ ist: „Das ist der Platz, wo Menschen leben, die mir wichtig sind.“ Reif erinnerte sich zurück an die Zeit in Kaiserslautern, wo er einige Jahre als Kind gelebt hat, nachdem seine Eltern (der Vater war polnischer Jude) mit ihm aus Tel Aviv nach Deutschland gezogen waren. Beim Fußballspielen beim 1. FC Kaiserslautern habe er als Achtjähriger, als er noch nicht der deutschen Sprache mächtig war, „mit den Füßen sprechen“ können. Dadurch habe er an Anerkennung und Selbstbewusstsein gewonnen. „Das hat mir sehr geholfen, mich zu integrieren“, hob er die integrierende Wirkung des Sports aus eigener Erfahrung hervor.

Über den MERC und die Adler habe sich dann seine Liebe zum Eishockey entwickelt und ihn zum „Reportertum“ gebracht. „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Es ist nicht nur der Fußball, sondern es war mehr. Ich habe dem Sport was zu verdanken“, sagte Reif. Wenn er auch „zweifle am Wildwuchs“, beispielsweise die unschönen Reaktionen, wenn ein Elfmeter verschossen wird.

Marcel Reif verteidigt Franz Beckenbauer

Franz Beckenbauer habe ihn einmal öffentlich kritisiert. Dennoch habe es viele Begegnungen gegeben, hätten sie sich menschlich verbunden gefühlt. „Wie das Land mit ihm umgegangen ist, ist nicht okay“, fand der in der Schweiz beheimatete Sportjournalist. Zur besorgniserregenden Gewalt und Hass sogenannter Fußball-Fans meinte Reif: „Es geht um die Frage, ob der Verein haftbar ist. Er sollte sich beteiligen an den Kosten.“ Der Verein habe sich „eine Subkultur geleistet und Dinge sich verkrebsen lassen“. Daran müsse er arbeiten, damit das nicht in die falsche Richtung geht. „Es kann nicht sein, dass bei einem Hochrisikospiel die Polizei für andere Aufgaben nicht mehr da“, sagte Reich.

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Auf die Frage, ob der Sport Dinge abfedern kann, erwiderte er. Manche Sportler sähen den Jungen neben sich, der schwarz ist. „Das mag dir noch fremd sein oder mit einem Fragezeichen verbunden, aber ob schwarz, himmelblau oder kariert, er ist natürlich ein Mensch“, betonte Reich. „Wer das nicht begreift, wäre besser eine Kaulquappe geblieben.“

Für seine viel beachtete Rede im Deutschen Bundestag wurde Marcel Reif am Wochenende von der Metropolregion gleich zweimal ausgezeichnet. Auf die Frage, was die Politik von dem wichtigen Satz seines Vaters „Sei ein Mensch“, der bei der Gedenkstunde bewegte, mitgenommen habe, sagte Reif: „Mir ist Eitelkeit nicht fremd.“ Aber er habe „nicht das Gefühl, die drei läppischen Worte könnten ein Kompass sein für viele“. Doch er hoffe es. Er habe nicht für seinen Vater sprechen wollen, sich aber überzeugen lassen, „wie wichtig es ist, dass die zweite Generation die Worte weitergibt“.

Auf die Frage, was er an die anwesenden Politiker weitergeben möchte, hatte Reif erklärt: „Für die Gesamtgesellschaft unheimlich wichtig ist das Ehrenamt, dessen Bedeutung erkannt und das gefördert werden muss: Das ist nicht nur für den Verein, sondern für die Gesellschaft getan.“

Das TSV 1846 Orchester unter Leitung von Ionel Ungariano sorgte für den passenden musikalischen Rahmen. Im Anschluss lud der TSV ein zu einem Stehempfang, bei dem die Gäste Gelegenheit hatten, sich auszutauschen und den Nachmittag in angenehmer Atmosphäre ausklingen zu lassen.

Freie Autorin

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