Viernheim. Die Sonne brennt heiß durch die Windschutzscheibe des gelb-weißen VW-Busses, als Antonio Limonciello den Motor anlässt. „Jetzt geht’s los“, sagt der Viernheimer und lächelt. Noch keine zehn Meter ist er gefahren, da winkt ihm ein Radfahrer fröhlich zu. Dann ein Autofahrer. Limonciello grüßt zurück. „Das ist das Schöne an meinem Beruf“, sagt der 74-Jährige. „Die Leute lachen und winken immer, wenn sie mich sehen!“ Antonio Limonciello verkauft selbstgemachtes Eis aus einem Auto. Seit über 50 Jahren.
Leise quietschend biegt das Auto langsam um eine Kurve, als Limonciello das Industriegebiet ansteuert, sein erstes Ziel am frühen Nachmittag. „Ich muss vorsichtig fahren, nicht wie mit einem normalen Auto in die Kurven gehen oder bremsen. Sonst fliegt hinten alles durcheinander“, erklärt er. Zum Beispiel die Erdbeeren, die er vor der Abfahrt in dem kleinen Regal verstaut hat, das er selbst gebaut hat.
Von der Deutschen Post ausrangierter Wagen
In Eigenarbeit hat er das von der Deutschen Post ausrangierte und günstig erworbene Auto in einen Eiswagen verwandelt. Genau nach seinen Wünschen. „Ich weiß blind, wo alles verstaut ist“, erklärt er lachend. Derzeit fährt Limonciello seinen fünften Eiswagen. Das Einbauen von Tiefkühltruhe, Regal, Waschbecken und Boiler für das vom Gesundheitsamt geforderte heiße Wasser in ein normales Auto ist kein Problem für den gelernten Werkzeugmacher und Autoschlosser. Auch wenn es schon ein Weilchen her ist, seit er zuletzt diese Berufe ausgeübt hat.
1970 zog Limonciello aus Italien nach Deutschland und arbeitete zunächst als Bauschlosser in Viernheim. „Damals lernte ich einen Italiener kennen, der Eiswagen fuhr und der meinte: Komm, mach mit!“ Ein Jahr lang lehnte Limonciello beharrlich ab. Er mochte seinen Beruf als Schlosser. Aber dann wollte er es doch ausprobieren.
1973 kündigte er seinen Job, kaufte einem Eisverkäufer einen Wagen ab, übernahm dessen Tour in Pfungstadt und erweiterte sie spontan um einige Vororte. Dort biss er erstmal auf Granit. „Drei Tage lang habe ich in den Vororten keine einzige Kugel Eis verkauft“, erinnert er sich und verzieht das Gesicht. Bis eine erste Kundin im Örtchen Hahn an seinen Wagen trat und das Eis brach. 16 Jahre lang fuhr Limonciello danach seinen Eiswagen durch Pfungstadt und besonders gern durch Hahn. Bis heute bestehen viele Freundschaften dorthin - und viele Hahner fahren extra nach Viernheim für eine Kugel Eis.
Denn Antonio Limonciello verkauft nicht einfach nur die kalte Süßigkeit, die seit 1974 von seiner Familie selbst hergestellt wird. Er liebt seine Arbeit - und er liebt die Gespräche mit seinen Kunden. „Es ist schön, mit den Menschen zu reden“, sagt er.
Viele seiner Kunden kennt er seit Jahren. Sie und ihre Eisvorlieben. So wie Deborah, die - natürlich winkend und lächelnd - an diesem Nachmittag an den Eiswagen tritt. „Einmal wie immer für meinen Mann und für mich den Nussbecher“, ordert sie. Limonciello nickt. „Für deinen Mann ohne Sahne und für dich ohne Alkohol?“ Deborah muss lachen. „Du kennst uns halt.“
Herzlicher Ton
Während im Eiswagen mit ruhiger Hand eine Kugel nach der anderen in Becher gedrückt, Sahne gespritzt und Soße geträufelt wird, fließen die Worte durch das kleine Verkaufsfenster. „Geht’s dir gut, Toni?“ Was macht die Gesundheit, wohin geht es in Urlaub, was macht die Familie? Der Ton ist herzlich. Nochmal winken, dann schiebt sich Limonciello zurück durch die schmale Tür zwischen Führerhaus und Eiswagen und startet den Motor.
Zwei Ecken weiter hält er wieder, schwingt die Glocke aus dem Fenster, wartet. Seit März ist er so unterwegs, jeden Tag, vom frühen Nachmittag bis 21 Uhr am Abend. „Das sind lange Tage, oft 15 Stunden lang“, sagt er und fügt an: „Ohne Pause.“ Dazu kommen Veranstaltungen, für die er mit seinem Eiswagen gebucht werde, wie Geburtstage oder Firmenfeiern.
Die vergangenen 20 Tage habe er durchgearbeitet, sagt Limonciello. Dabei ist der 74-Jährige längst Rentner. „Aber ich kann nicht zuhause bleiben und den ganzen Tag nur auf dem Sofa sitzen, nein“, sagt er vehement. Ende September tritt er immer seine Winterpause an. Dann sitze er den ganzen Tag in seinem Eiscafé Riviera, das er 1992 mit seiner Frau Verena in der Schulstraße eröffnet hat, lese Zeitung und erhole sich von den anstrengenden Sommermonaten. „Aber immer an Weihnachten werde ich zappelig und denke an die nächste Saison.“ Er braucht seine Fahrten mit dem Eiswagen - und seine Kunden warten auf ihn.
Schon als Kind ein Eis gekauft
Oft sind es Viernheimer, die schon als Kind sein Eis gekauft haben. „Antonio Limonciello hat viele Bürger ihr ganzes Leben lang begleitet. Auch meine Kinder saßen damals an der Straßenecke auf einem Stromkasten und haben gewartet, bis es endlich klingelt“, erinnert sich Bürgermeister Matthias Baaß, als er dem Jubilar gratuliert.
Aber es sind längst nicht nur Kinder, die sich über den Eiswagen freuen. „Ich habe Toni gesagt, er soll bitte immer vor meinem Bürofenster halten“, sagt ein Mitarbeiter der Firma Casco lachend. Heute haben er und eine Kollegin extra ein Meeting unterbrochen, um sich ihr Eis zu holen. Für die Kollegin muss es immer Engelblau sein, weiß Limonciello.
Und vor dem nächsten Stopp flüstert er schelmisch: „Eine Kugel Schokolade“, bevor er vom Führerhaus nach hinten in den Eiswagen wechselt, um einen weiteren treuen Kunden zu bedienen - der prompt eine Kugel Schokoladeneis bestellt.
Am Abend und an den Wochenenden fährt der Eisverkäufer immer durch die Wohngebiete am Rande Viernheims. Am Schmittsberg, am Tivoli, in der Ziegelhütte - „dort, wo der Weg zum Eiscafé in der Innenstadt weit ist“, erklärt Limonciello. Und dort, wo es ihm gefällt. „Mit meinem Wagen suche ich mir meine Kunden. Und wenn es irgendwo nicht gut ist, fahre ich weiter.“
Aber bei aller Freiheit seines Berufes - eines muss sein, hat er gelernt: „Schokolade- und Vanilleeis dürfen im Wagen nicht fehlen!“ Genau wie alle Bestandteile für Spaghettieis. „Das ist der Renner.“ Wenn es nach Limonciello geht, darf es so noch einige Jahre weitergehen. „Es geht mir gut, also fahre ich“, sagt er und fügt lachend an: „Solange ich mir die Route noch merken kann - und die Vorlieben meiner Kunden.
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