Innenstadt

Viernheimer Barbier Lorenzo ein Meister seines Fachs

Nostalgie pur und eine wahre Wohltat: In der Viernheimer City hat ein klassischer italienischer Barbier aufgemacht. Ein Selbstversuch.

Von 
Martin Schulte
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Lorenzo rasiert Jörg den Nacken aus. Bei dem Barbier in Viernheim sind alle per Du. © Martin Schulte

Viernheim. Irgendwo in Italien, oder? Da, wo es noch Leute gibt, die sich auf dieses Handwerk verstehen? Nix da. Viernheim. Mitten in der leider oft totgesagten Innenstadt, in der Fußgängerzone. Es ist eine Wohltat, die sich gewaschen hat. Im Wortsinne. Ein heißes Tuch. Danach warmer und wohlduftender Schaum, mit dem Pinsel aufgetragen. Wieder ein heißes Tuch, Schaum muss wieder weg. Neuer Schaum. Jetzt kommt das Messer. Kein Elektroteil. Ein Messer. Am Ende ein kaltes Tuch. Die Rede ist von des Autors Schädel (manche sagen Glatze). Und Lorenzo. Signore Lorenzo Mazzuca hat in der Rathausstraße 4 im September seinen Herren-Salon aufgemacht. Dieser Salon ist wenige Quadratmeter groß, eher kuschelig klein. Aber sie haben es in sich – der Laden und der Lorenzo.

Wie sagte Buchhändlerin Alexandra Kohm-Killat von „Schwarz auf Weiß“ unlängst im Gespräch mit dieser Redaktion? „Es tut sich immer etwas in unserer Innenstadt. Man muss eben nur mal herkommen und sich umschauen.“ Wie recht sie hat. Es ist erneut Zeit für einen Perspektivwechsel.

Barbier Lorenzo: „Es ist meine Passion.“ © Martin Schulte

Der Kochbuchladen in der Rathausstraße 4 hat ja schnell wieder dichtgemacht. Aber gleich darauf ist der 36-jährige Lorenzo (hier sind alle per Du), der klassische italienische Barbier, dort eingezogen. Und seinen Salon zu betreten, bereitet großes ästhetisches Vergnügen.

Fast vergessene Utensilien seiner Zunft

Lorenzo hat altes, klassisches Mobiliar und fast vergessene Utensilien seiner Zunft in ganz Deutschland und dem nahen Ausland zusammengekauft. Eine fantastische Reise in die Vergangenheit. Und über allem wacht Don Vito Corleone. Die Wände sind voll von Filmszenen aus „Der Pate“. Der bleischwere Blick von Marlon Brando ist allgegenwärtig. Das Gangster-Epos von 1972 ist Lorenzos absoluter Lieblingsfilm.

Außer Brando fallen einem erlesene Whiskys auf. „Du kannst auch ein kaltes Bier haben oder einen Espresso.“ „Espresso, bitte.“ „Ich brauche keine Schankgenehmigung, weil ich den Leuten die Getränke schenke. Das gehört bei mir zum Service.“

Vorbereitung zur Rasur. © Martin Schulte

Jetzt zum Glatzkopf, dessen Träger selbstverständlich zahlender Kunde ist. Das erste heiße Tuch soll die Poren öffnen und beruhigen, erklärt der Meister. Dass er einer ist, das sagen nicht nur die Kunden, er hat es schriftlich. Die Urkunde der Handwerkskammer hängt hinter der Kasse. Auch die ein altertümliches Exemplar, so eins mit Kurbel an der Seite.

Mit ruhigster Akribie führt er das Messer

Der Schaum, den Lorenzo dann mit dem zweiten heißen Tuch abwischt, dient der Reinigung. Dann kommt das Messer. Mit ruhigster Akribie führt Lorenzo es über den Kopf. Es ist zu hören, wie die Stoppeln klein beigeben. Das kalte Tuch soll die Poren wieder verschließen. Zum Schluss ein wohlduftendes Wässerchen aus dem Flacon mit der faustgroßen Pumpe dran. Entspannung pur. Es ist mehr als eine Rasur, eher eine Behandlung.

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33 Euro kostet das Labsal. „Ich bin teurer als manche Konkurrenz. Aber ich brauche pro Kunde eine halbe bis dreiviertel Stunde. Jeder Kopf ist anders, jeder Haarschnitt individuell. Und meine Arbeit braucht Zeit. Ich rase ja nicht mit dem Elektroschneider über den Kopf.“

Aschenbecher in den Armlehnen – alles wie früher. Aber geraucht wird drinnen nicht. © Martin Schulte

Jörg ist dran. Der 45-Jährige ist aus Ludwigshafen gekommen. Bevor Lorenzo sich in Viernheim selbstständig gemacht hat, war er in einem Salon im Mannheimer Jungbusch angestellt. Daher kennen die beiden sich. „Diesem Barbier folge ich gerne bis nach Viernheim“, sagt Jörg.

„Schmeiß mal Deinen Mafia-Kompressor an“

Solange er noch etwas sagen kann. Denn schwups ist sein Gesicht komplett unter einem heißen Tuch verborgen, nur die Nasenspitze lugt noch raus. Vorbereitung auf die Bartrasur. Dann kommt der Kopf. Lorenzo zieht mit dem Kamm eine exakte Linie oberhalb der Schläfen rund um den Kopf und scheitelt das Haar in zwei Teile. „Das ist die Hutlinie, die breiteste Stelle des Kopfes. Wenn ich hier nicht akkurat arbeite, verpasse ich dem Jörg einen Eierkopf.“

Das Firmenlogo auf dem – wie es sich gehört – weißen Kittel. © Martin Schulte

Noch ein Kunde. „Was zu trinken?“ „Schmeiß mal Deinen Mafia-Kompressor an.“ Also, die Espresso-Maschine. Es herrscht ein herrlich lockerer Ton hier drin. Locker, aber nicht oberflächlich. So muss es früher gewesen sein beim Barbier. Man kennt sich, redet über Gott und die Welt. Es dreht sich um sehr persönliche Lebensthemen. Aber auch um Politik. „Wie steht Ihr zu dem Stadtbild-Ausdruck von Friedrich Merz“, fragt Jörg etwa.

Lorenzos Salon liegt in dem weniger belebten Teil der Viernheimer Fußgängerzone zwischen Grimminger und Salerno. Insofern eine um so größere Bereicherung. Dass direkt neben ihm auch ein Frisör ist, beunruhigt ihn nicht. „Der Bessere wird sich durchsetzen.“ So wie der Barbier das sagt, erübrigt sich die Frage, auf wen er tippt.

Redaktion Reporter.

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