Wohnen

Mit 83 Jahren ein neues Zuhause in Viernheim gefunden

Erika Riehl wohnt in Viernheim in einem großen Haus. Doch je älter sie wird, desto mehr wird es ihr zur Last. Ein Gespräch über Wohnen und Chancen im Alter.

Von 
Marion Gottlob
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Erika Riehl genießt die Zeit auf dem Balkon ihrer Wohnung in der Pamina-Anlage. © Bernhard Kreutzer

Viernheim. Das Problem ist bekannt: In Deutschland ist die Wohnungsnot groß. Wohnraum ist zu knapp, vor allem größerer Wohnraum für junge Familien scheint zu fehlen – andererseits leben ältere Menschen manchmal allein in großen Häusern und großen Wohnungen. Kann man das ändern? Wenn ja, wie? Beate Preuss und Sarah Hofrichter vom SeniorenBüro Viernheim kamen mit Seniorin Erika Riehl zum Gespräch über „Wohnen im Alter“ mit dem Südhessen Morgen zusammen. Preuss betonte: „Die Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt werden nicht ohne das Zutun der Bürgerinnen und Bürger möglich sein.“

Ein Beispiel ist die 83 Jahre alte Erika Riehl: Sie ist in Ludwigshafen aufgewachsen. Sie erzählt: „Mit 16 Jahren kam ich der Liebe wegen nach Viernheim.“ Hier lebte sie Jahrzehnte im familieneigenen Haus, das vor zehn Jahren saniert wurde. Trotzdem wurde in den vergangenen Jahren das Leben in dem Haus fast unmerklich schwieriger. Das Treppensteigen wurde beschwerlich, die Wege –wie zum Beispiel von der Küche zur Terrasse – wurden zu lang. Bei Sturm fürchtete Erika Riehl, dass Ziegel vom Dach geweht würden. Was dann? Riehl sagt: „Ich hatte Sorge, dass ich die Aufgaben nicht mehr bewältigen könnte.“

Durch Zufall erfuhr Erika Riehl von der Viernheimer Pamina-Anlage für betreutes Wohnen für Senioren. Die Anlage gehört zu der Firmengruppe Konzok, die über 700 Seniorenwohnungen gebaut hat. Der Impuls für die zwei Viernheimer Panima-Häuser ging vom Verein Wohnen 60 Plus in Viernheim aus. Im vergangenen Jahr hat sich der Verein aufgelöst.

Nach vier Wochen war das Haus verkauft

Erika Riehl sagt: „Ich bin eine Frau von schnellen Entschlüssen: Nach 14 Tagen hatte ich mich für den Umzug entschieden, nach vier Wochen war das Haus verkauft.“ Der Umzug aus einem Haus in eine Wohnung war keine leichte Aufgabe. Sie lacht: „Ich fragte jedes Stück in dem Haus: Kommst du mit oder bleibst du da?“ Sie trennte sich von einem großen Teil der Bettwäsche, des Geschirrs, der Möbel, der Bücher und Bilder. Sie sagt: „Alles, was uns älteren Menschen lieb geworden ist, kann auch zur Belastung werden.“

Ein Gespräch über das „Wohnen im Alter“ mit Sarah Hofrichter, Erika Riehl und Beate Preuss (von links). © Marion Gottlob

Die Seniorin erklärt auch: „Den Haushalt zu verkleinern, heißt Ballast abwerfen. Von dem, was wir ein Leben lang angeschafft haben, brauchen wir nur noch wenig. Ich habe es als Erleichterung empfunden, Ballast abzuwerfen und die Verantwortung zu reduzieren.“

Erika Riehl: „Das sollte als Chance gesehen werden“

Sie ermutigt ältere Menschen: „Das sollte als Chance gesehen werden, im Alter noch einmal neu zu beginnen.“ Diese Haltung hat vermutlich dazu beigetragen, dass ihr der Neustart vor zwei Jahren so gut gelungen ist. Erika Riehl sagt: „Das Geheimnis ist: Man muss loslassen können.“ Die Seniorin fühlt sich in ihrer neuen Wohnung wohl. Sie hat Freundinnen gefunden. Die „Mädels“ treffen sich regelmäßig für Unternehmungen. Erika Riehl sagt: „Obwohl ich zwei Töchter und vier Enkel habe, fühlte ich mich zuvor manchmal einsam. Das ist nun nicht mehr so.“

Beate Preuss nennt Zahlen: In Deutschland leben Menschen im Alter zwischen 25 und 40 Jahren durchschnittlich auf rund 42 Quadratmetern pro Person, zwischen 40 und 55 Jahren auf 44 qm und ab 70 Jahren häufig auf 69 qm. Ein Viertel der Menschen im Ruhestand lebt sogar auf rund 100 qm pro Person. Eine Befragung der Bevölkerung in Viernheim von 2024 zeigte: Mehr als die Hälfte der Viernheimer wohnen in Eigentum, mehr als 40 Prozent im eigenen Haus. Preuss sagt: „Es gibt den Remanenzeffet, also den Beharrungseffekt: Familien in einmal bezogenen Wohnungen verbleiben dort, auch wenn sich durch familiäre Veränderungen, wie Auszug der Kinder, der Bedarf an Wohnfläche vermindert hat.“

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Preuss erläutert auch: „Die Bereitschaft von älteren Menschen, im Alter leerstehenden Wohnraum zu vermieten, ist gering. Doch hier kann man ansetzen: Man kann ältere Menschen unterstützen, Wohnraum gegen Hilfe zu vermieten.“ Eine Viernheimer Seniorin hat eine Wohnung in ihrem Haus an Flüchtlinge aus der Ukraine vermietet und erhält Hilfe im Garten. Sie sagt: „Ich muss mich um nichts kümmern, meine Mieter helfen im Garten.“

Eine Möglichkeit könnte sein, eine Wohnung oder ein Haus durch Um- und Ausbau in mehr Wohneinheiten aufzuteilen. Doch das hört sich leichter an, als getan. Geklagt wird über die Vielzahl von Vorgaben und auch steuerlichen Hindernisse für so eine Umwandlung. Eine Betroffene, die sich kundig machte: „Das habe ich doch nicht gemacht. Es gibt einen Dschungel an Vorschriften.“

Seniorenwohnungen auch in der Saarlandstraße

Das „Betreute Wohnen“ wie in den Pamina-Häusern ist eine Option. Für Menschen mit geringer Rente und dem Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein gibt es in Viernheim Seniorenwohnungen der Baugenossenschaft in der Saarlandstraße und in der Carlo-Mierendorff-Straße. Hier liegt die Einkommensgrenze für einen Einpersonenhaushalt bei 18.166 Euro und für zwei Personen bei 27.561 Euro.

Einige Senioren wünschen sich eine Rentner-WG. Hofrichter sagt: „Das ist realistisch, weil die heutigen Senioren in ihrer Jugend Erfahrungen in einer WG gesammelt haben.“ So wollte eigentlich eine Seniorin, die für eine Wohngemeinschaft Mitbewohner suchte, am Gespräch teilnehmen. Doch dann hat sie kurzfristig eine Wohnung für sich gefunden.

In einigen Kommunen werden Plattformen angeboten, damit Menschen Wohnraum tauschen können. Man kann sich dann melden, wenn man eine zu große Wohnung hat und etwas Kleineres sucht. Oder umgekehrt. Nun ist die Baugenossenschaft Viernheim in der Vorplanung für das Projekt „Wir – Wohnen im Ruhestand“ im Baugebiet am Schmittsberg II. Es wird ein Mehrfamilienhaus mit barrierefreien Ein-, Zwei- und Dreizimmer-Wohnungen sein. Preuss erläutert: „Das Angebot richtet sich speziell an Menschen ab dem 65. Lebensjahr.“

Viele Generationen wohnen auf einem Grundstück

Mehrgenerationenprojekte sind eine weitere Möglichkeit. In Viernheim gibt es ein solches Projekt nicht. Doch gerade hier wohnen oft mehrere Generationen auf dem gleichen Grundstück. Entweder teilen sich Großeltern, Eltern und Kinder mehrere Wohnungen in einem Haus – oder auf einem Grundstück stehen mehrere Häuser für die verschiedenen Generationen. Preuss sagt: „Gerade in Viernheim wird gerne in den Garten gebaut oder frühere Scheunen werden in Wohnraum umgewandelt. Von der Straße aus sieht man selten, wie viele Häuser auf einem Grundstück zu finden sind.“

So wurde das frühere Haus von Erika Riehl zu einem Haus für mehrere Generationen: Großeltern, Eltern und Kinder wohnen hier unter einem Dach. Die Seniorin hat den neuen Besitzern einen großen Teil ihrer Möbel überlassen. Gerne besucht sie die neuen Besitzer. Dann staunt sie manchmal: Die Eichenküche wurde mit einem neuen Anstrich in eine moderne Wohnküche verwandelt; die Wendeltreppe wurde so geschickt abgeschliffen, dass sie wie neu wirkt. Erika Riehl strahlt: „Ich freue mich darüber, dass mein früheres Haus so gut genutzt wird und seinen neuen Bewohnern Freude macht. Ich bin darüber so happy.“

Freie Autorin

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