Viernheim. Erneut wird die Stadtverordnetenversammlung erst nach dem Jahreswechsel über den Haushaltsplan abstimmen. Grund ist das Fehlen wesentlicher Daten der Einnahmenseite, wie Bürgermeister Matthias Baaß mitteilt. Er habe die Fraktionsvorsitzenden über die damit einhergehende Unsicherheit bei der Finanzplanung informiert und sei auf Verständnis gestoßen, sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion. Baaß will den Etatentwurf 2026 nun im Dezember vorlegen. Die Verabschiedung ist für Februar geplant.
Über viele Jahre hatte der Finanzdezernent den Haushaltsplan im November ins Parlament eingebracht, der Beschluss folgte dann üblicherweise einen Monat später. Von diesem Prozedere wurde erstmals im aktuellen Haushaltsjahr abgewichen. Grund war ein kurzfristig um drei Millionen Euro gestiegenes Defizit, das Baaß zum Großteil über eine massive Grundsteuererhöhung ausgleichen wollte. Die Stadtverordneten lehnten diesen Vorschlag ab. Nachdem eine Arbeitsgruppe sich intensiv mit der Thematik beschäftigt hatte, kam es erst in diesem April zur Verabschiedung. Statt von 620 auf 815 stieg der Hebesatz der Grundsteuer B letztlich nur auf 765 Prozent. Einsparungen der Verwaltung und eine zusätzliche Gewinnausschüttung der Stadtwerke sorgten außerdem dafür, dass der Haushaltsplan genehmigungsfähig war.
Einnahmeausfälle aus dem Kommunalen Finanzausgleich und erhöhte Aufwendungen durch die Kreis- und Schulumlage hatten vor rund einem Jahr das Minus im Etatplan für 2025 von 3,7 auf 6,7 Millionen Euro anwachsen lassen. Beim Haushaltsjahr 2026 geht es insbesondere um die noch nicht absehbaren finanziellen Konsequenzen aus politischen Entscheidungen auf Bundesebene. Bundesregierung und Bundesrat haben etwa vereinbart, Steuermindereinnahmen der Kommunen auszugleichen, die sich aus der Entlastung der Unternehmen (Wachstumsbooster) ergeben. „Die Höhe der Ausgleichszahlungen pro Gemeinde und die Art der Zuteilung ist noch nicht abschließend geklärt“, nennt Bürgermeister Baaß einen wesentlichen Punkt, der die Finanzplanung zum jetzigen Zeitpunkt erschwert.
Höhe der Zuweisungen des Landes noch unklar
Ebenso ist noch offen, welchen Anteil die Kommunen in Hessen aus dem Sondervermögen des Bundes für Länder- und Kommunalinvestitionen in die Infrastruktur erhalten. Der Gesetzentwurf wurde Mitte September in den Bundestag eingebracht. Baaß rechnet mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens frühestens im November. Parallel dazu habe der Bund den Entwurf einer Bund-Länder-Verwaltungsvereinbarung vorgelegt, den Land Hessen und Spitzenverbände bereits als stark überarbeitungsbedürftig eingeordnet hätten. Der Bürgermeister erklärt dies unter anderem mit den sehr komplexen Anforderungen an die Projektvorbereitung.
Neben Daten vom Bund wartet das Viernheimer Kämmereiamt auf wesentliche Zahlen des Landes, die sich im künftigen Haushalt niederschlagen werden. So hat Wiesbaden über die Zuweisungen des Kommunalen Finanzausgleichs für 2026 laut Baaß „noch nicht entschieden“.
Umfangreiche Aufgaben, die ihnen von höherer Ebene aufgetragen werden, haben Städte und Gemeinden in den vergangenen Jahren immer mehr in finanzielle Bedrängnis gebracht und ihre Handlungsspielräume eingeschränkt. Ihren Unmut brachten die 22 Bergsträßer Verwaltungschefs im Frühjahr gemeinsam in einem offenen Brief an die Entscheidungsträger in Wiesbaden und Berlin zum Ausdruck. Tenor: „So kann es nicht weitergehen!“ Besonders hoch sind die städtischen Aufwendungen für die Kinderbetreuung. Innerhalb von zehn Jahren sind sie von fünf auf nunmehr 14,5 Millionen Euro gestiegen. Für Baaß steht außer Frage: „Es läuft dauerhaft auf eine Erhöhung der Elternbeiträge hinaus.“ Um den Stadtverordneten mit Blick auf die bevorstehenden Haushaltsberatungen eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu bieten, präsentiert die Verwaltung nun den Ausschüssen, die in dieser Woche tagen, eine detaillierte Kostenübersicht.
Ein Krippenplatz kostet mehr als 1900 Euro pro Monat
Demnach liegt der durchschnittliche monatliche Gesamtaufwand für einen Krippenplatz derzeit bei 1.934 Euro. Davon zahlen die Eltern im Schnitt 193 Euro, also etwa zehn Prozent. Den mit Abstand größten Anteil von 60 Prozent – das sind über 1.160 Euro pro Platz und Monat – trägt die Stadt Viernheim. Weitere Anteile übernehmen das Land Hessen (27 Prozent) sowie der Kreis Bergstraße im Falle einer Betreuung von Integrationskindern (drei Prozent).
Im Bereich der Kindertagesstätten für über Dreijährige betragen die monatlichen Gesamtkosten pro Platz im Durchschnitt 847 Euro. Die Eltern steuern hier nur drei Prozent bei. Der Großteil wird durch öffentliche Mittel gedeckt: Die Stadt Viernheim übernimmt knapp 400 Euro, das Land Hessen etwa 320 Euro, und der Rest wird vom Kreis und konfessionellen Trägern geschultert. Der Kostenbeitrag der Eltern ist so gering, weil die ersten sechs Betreuungsstunden durch das Land Hessen freigestellt und somit kostenlos sind. Für längere Betreuungszeiten entstehen moderate monatliche Elternbeiträge zwischen 36 Euro (für 7,5 Stunden Betreuungszeit pro Tag) und 96 Euro (zehn Stunden).
Belastung steigt durch zusätzliche Einrichtungen
Für die Verdreifachung der Betreuungskosten seit 2015 sieht die Stadt vielfältige Gründe: gestiegene Energie- und Sachkosten, höhere Löhne infolge von Tarifabschlüssen, mehr Personal durch gesetzliche Vorgaben sowie längere Öffnungszeiten. Zu Buche schlagen auch die zusätzlichen Einrichtungen, wie das „Entdeckerland“ (seit 2018), die Kita Lorscher Straße (2020), die Bauernhof-Kita „Naturverwurzelt“ (2025) sowie die Kita im alten Rathaus (2025). Aktuell gibt es in Viernheim 17 Kindertageseinrichtungen – die 18. entsteht gerade im früheren Vogelpark-Restaurant. Zudem werden die Kita St. Michael mit dem Pfarrer-Volk-Haus und die Kita Kapellenberg erweitert. Mit den zusätzlichen Einrichtungen verbunden ist ein erhöhter Ausbildungsbedarf: Seit vergangenem Jahr finanziert die Stadt Ausbildungsplätze für künftige Fachkräfte aus eigenen Mitteln.
„Viele gehen davon aus, dass die Elternbeiträge die Betreuungskosten zu einem Großteil decken“, sagt Matthias Baaß. „Doch das Gegenteil ist der Fall.“ Die monatlichen Kosten pro Platz in einer Krippe oder Kita überstiegen die Gebühren bei Weitem, wie die aktuellen Zahlen eindrücklich zeigten. Nach Einschätzung des Bürgermeisters wird die Belastung für die Stadt durch die neu hinzukommenden Einrichtungen sogar noch weiter steigen. Ein Ende der finanziellen Misere der Kommunen ist also nicht in Sicht. Dabei hätte Baaß eine Idee: „Wenn die Länder uns die Kosten für die Kindergärten abnehmen, wären alle Probleme gelöst.“
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/viernheim_artikel,-viernheim-haushaltsberatungen-in-viernheim-verzoegern-sich-das-sind-die-gruende-_arid,2334030.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/viernheim.html