Gedenken

„Die Verpflichtung bleibt“

Nazi-Terror im November 1938 gab es auch in Lampertheim. Daran wollen Schul- und Gewerkschaftsvertreter erinnern

Von 
Daniela Hoffmann
Lesedauer: 
Kränze zum Gedenken, wo einst die Lampertheimer Synagoge stand. Unser Bild stammt aus dem Jahr 2021. © Berno Nix

Lampertheim. Die Synagoge in der Wilhelmstraße brannte. Geschäfte jüdischer Familien wurden in der Kaiserstraße und der Ernst-Ludwig-Straße verwüstet und geplündert, Männer verschleppt und ins KZ Buchenwald gebracht. Das alles geschah in Lampertheim am 10. November 1938 – einen Tag nachdem der Nazi-Terror schon in den großen Städten Deutschlands gegen die jüdische Bevölkerung gewütet hatte.

Blick auf eigene Region

„Dass das November-Pogrom in Lampertheim sozusagen mit Verspätung stattfand, gibt dem Ganzen eine besondere Qualität“, meint Marius Gunkel, Vorsitzender des DGB-Ortsverbands Lampertheim-Bürstadt. Damit sei es nämlich auch eine eigene Entscheidung vor Ort gewesen, gegen Mitbürgerinnen und Mitbürger vorzugehen, nur weil sie einer anderen Religionsgemeinschaft angehören. „Die Täter waren nicht wenige – zum Teil Nachbarn“, macht er im Gespräch mit dieser Redaktion deutlich.

Stunde der Erinnerung

Die Lampertheimer Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht findet statt am Mittwoch, 9. November, 18 bis 19 Uhr, an der Rückseite des Parkhauses zwischen Römerstraße und Wilhelmstraße – also dem ehemaligen Standort der jüdischen Synagoge.

Die Stadtverordetenversammlung, der Magistrat und der DGB Ortsverband Lampertheim laden dazu ein.

Schüler des Lampertheimer Lessing-Gymnasiums gestalten die Veranstaltung mit. off

Um so mehr ist es dem Ortsvorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes wichtig, die Erinnerungen an die NS-Gräuel wachzuhalten. Und er ist auch ein bisschen stolz darauf, dass es der DGB war, der die Lampertheimer Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht ins Leben rief. „In den 1980er Jahren – weit vor meiner Geburt“ , berichtet er.

Mehr zum Thema

Pogrom

Erinnerung an Nazi-Terror

Veröffentlicht
Von
red
Mehr erfahren
Mahnmal

Des Pogroms gedenken

Veröffentlicht
Von
Marcus Oehler
Mehr erfahren

Auch wenn am heutigen Mittwoch wieder Kränze aufgestellt, Kerzen angezündet und Blumen niedergelegt werden, wo einst die Lampertheimer Synagoge stand, wird der 25-Jährige dabei sein. „Es ist wichtig, dieses Zeichen zu setzen, denn Antisemitismus, Faschismus und Fremdenfeindlichkeit nehmen in Deutschland wieder zu“, betont Marius Gunkel.

Marcel Jüllich pflichtet ihm bei. Allein im vergangenen Jahr habe es in der Bundesrepublik wieder 2738 antisemitische Straftaten gegeben. „Diesem Trend entgegenzuwirken, muss uns Verpflichtung sein – egal, wie jung wir sind und wie lange die NS-Zeit zurückliegt“, erklärt der Geschichtslehrer am Lessing-Gymnasium (LGL).

Der 34-Jährige und seine Kollegin Julia Schubert-Förster werden daher ebenfalls an der Lampertheimer Gedenkveranstaltung teilnehmen. Über 20 ihrer Schülerinnen und Schüler gestalten dabei das Programm mit. Dafür haben die Jugendlichen selbst eine Rede verfasst, eigene Gedichte geschrieben und eine szenische Darbietung vorbereitet, die sie mittels eines Beamers präsentieren wollen. Somit werde der frühere Standort der Lampertheimer Synagoge auch zu einem „außerschulischen Lernort“, wo die Jugendlichen „einen Blick auf die Geschichte der eigenen Region“ werfen können, erklärt der Lehrer. Wenn heute wieder Hetze gegen Juden im Internet kursiere oder auch vor Ort rassistische Äußerungen fielen – wie jüngst ausgerechnet am Rande des Lampertheimer Anti-Rassismus-Laufs – müsse man dem deutlich entgegentreten, ist Marcel Jüllich überzeugt. Das wolle beispielsweise das Kollegium am LGL vermitteln, wo Kinder und Jugendliche mit ganz unterschiedlichem kulturellen Hintergrund zusammen lernen. „Toleranz ist bei uns Teil der Schulkultur “, sagt Jüllich.

Festes Datum im Kalender

Auch Marius Gunkel sieht Lampertheim insgesamt auf einem guten Weg. Früher hätten sich viel weniger Menschen an der Gedenkstunde zum 9. November beteiligt, weiß der Gewerkschaftsmann von seinen Vorgängern. Heute dagegen sei die Veranstaltung im Kalender der politischen Vertreter festgeschrieben und auch in dem von etlichen Einwohnerinnen und Einwohnern. Daher ist die schmale Gasse, wo sich die Gedenktafel für die Synagoge befindet, in den vergangenen Jahren ziemlich voll gewesen“, erinnert sich Marius Gunkel. „Ein gutes Zeichen“, wie er findet.

Redaktion

Copyright © 2025 Südhessen Morgen