Viernheim/Ried. Menschen demonstrieren zu Abertausenden gegen die CDU im Bund. Allein in Berlin waren es am Samstag nach Polizei-Angeben 160.000. Sie werfen der Partei vor, mit der AfD zu paktieren. Es geht um das Zustrombegrenzungsgesetz, das Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz am Mittwoch vergangener Woche in den Bundestag eingebracht hat. Der Antrag ging mit den Stimmen der AfD durch. Der Gesetz-Entwurf allerdings scheiterte freitags darauf. Diese Redaktion spricht mit lokalen Protagonisten der CDU. Der identische Tenor: Von Paktieren kann keine Rede sein.
Alexander Bauer sitzt für den Wahlkreis Bergstraße West im Wiesbadener Landtag. Der Bürstädter erscheint ungehalten ob dieser Lesart. „Es ist so dringend wie wichtig, das genauso das, was der Antrag beschreibt, endlich umgesetzt wird“, sagt er. Es sei Aufgabe von Politik, Probleme zu lösen. Schönreden löse keine Probleme.
Bauer auf die Frage, ob es falsch war, den Antrag mithilfe der AfD durchzubringen: „Nein.“ Wenn man etwas für richtig halte, werde es durch Stimmen der AfD nicht falsch. Dass viele Kritiker an der gesetzlichen Umsetzbarkeit des Merz'schen Fünfpunkteplans zweifeln, sei kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen. „Denn Gesetze kann man ändern.“ Etwa, was den Familiennachzug von Zuwanderern ohne klare Bleibeperspektive betreffe.
Merkels Kritik „ein Schlag ins Genick“
Er habe zuletzt an einem Infostand der CDU natürlich auch Kritik erfahren. Aber eben auch Zuspruch. Viele hätten gesagt, die Partei wolle nun die Probleme lösen, die die AfD groß gemacht hätten. Zur scharfen Kritik von Alt-Kanzlerin Angela Merkel sagt Bauer: „In dem Wort Ratschlag steckt auch das Wort Schlag. Und ihre Kritik war ein Schlag ins Genick. Frau Merkels Migrationspolitik hat uns die aktuellen Probleme doch beschert.“
Über den Zeitpunkt der Abstimmung ist Volker Ergler, CDU-Fraktionschef im Viernheimer Stadtparlament, „mega, mega unglücklich“. Eine neue Migrationspolitik sei dringend notwendig. Aber man hätte nach der Bundestagswahl womöglich leichter eine Mehrheit für das Gesetz gefunden, wenn eine stabile Regierungskonstellation aus der demokratischen Mitte zustande gekommen wäre.
Ergler sieht den Fall der Brandmauer nicht. „Wenn wir politische Beschlüsse vom Zutun der AfD abhängig machen, kapitulieren wir vor dieser Partei“, sagt der Viernheimer. Von Paktieren könne keine Rede sein. „Sollte die CDU tatsächlich eines Tages mit der AfD zusammenarbeiten, bin ich die längste Zeit Mitglied gewesen“, sagt Ergler.
„Klarer Wunsch nach Veränderung“
Sein Fraktionskollege und Parteivorsitzender in Viernheim, Torben Kruhmann, sagt, er habe in vielen Gesprächen erfahren, dass die Menschen den klaren Wunsch nach Veränderungen in der Migrationspolitik haben. „Und den Wunsch, dass sich die demokratische Mitte dazu zusammenrauft.“
Kruhmann sieht keinen Fehler von Merz, diesen Antrag eingebracht zu haben. Er nehme den Bundesvorsitzenden beim Wort, der beteuert, es werde keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Er bedauere allerdings die mangelnde Einigkeit der politischen Mitte. „Wenn wir uns aber vom Abstimmungsverhalten der AfD abhängig machen, geben wir dieser Partei eine Macht, die sie nicht verdient hat“, betont Kruhmann.
Auf die Frage, wie er die Umsetzbarkeit des Merz'schen Plans einschätzt, sagt Kruhmann, es gebe Europarechtler, die hier Möglichkeiten sähen. Außerdem könne man Gesetze ändern. Das schlimmste Signal an die Bevölkerung sei vorzugeben, man könne es halt nicht ändern. „Das wäre fatal für das Vertrauen in die Politik.“ Zumal es den breiten Konsens gebe, dass Veränderung notwendig sind.
„Kommunen an der Belastungsgrenze“
Michael Heidrich will im März in Bürstadt zum Bürgermeister gewählt werden. Es ist als Unabhängiger angetreten, gehört aber der CDU an und wird von ihr unterstützt. Die Kommunen seien in puncto Zuwanderung längst an der Grenze des Belastbaren. Er teile die Haltung der Bundes-CDU, so Heidrich. Selbst der Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf von den Grünen fordere eine Begrenzung der Zuwanderung.
Heidrich meint, es wäre besser gewesen, die Bundestagswahl abzuwarten. „Man hätte das nicht davor mit harter Hand derart auf die Spitze treiben sollen.“ Wie hätte er entschieden als Bundestagsmitglied? „Ich hätte mit Ja gestimmt. Schließlich geht es um Überzeugung und Haltung.“
Für die Demos gegen die CDU habe er Verständnis. „Es ist eine Frage der Abwägung. Und sich die zu stellen, ist jedermann gutes Recht.“ Und Merkels Kritik? „Die hätte sich da heraushalten müssen. Wer nicht mehr im Amt ist, soll sich auch nicht einmischen.“
„Brauchen eine neue Sicherheitspolitik“
Bürstadts noch amtierende Bürgermeisterin Bärbel Schader hat sich in ihren knapp zwölf Jahren Amtszeit vehement für Flüchtlingshilfe und Integration engagiert. Sie kritisiert den Merz'schen Plan keineswegs. „Aber ich bin sehr traurig, dass alles so gekommen ist. Wir reden doch nicht erst seit ein paar Tagen über die Zuwanderungsproblematik. Wir reden seit Jahren darüber.“
Die Partei sei nicht gegen Migration per se. Bürstadt habe viele gute Erfahrungen gemacht mit gut integrierten und zupackenden Geflüchteten. Aber es brauche Regeln, um Menschen ohne Bleibeperspektive nicht weiter auf die Kommunen zu verteilen, sagt Schader. „Die Kommunen halten das nicht mehr aus.“
„Wir reden zu viel über Nebenschauplätze“, sagt sie. „Es ist doch ganz klar: Wir brauchen eine neue Sicherheitspolitik. Wenn ich allein an die Auflagen für den Weihnachtsmarkt denke, wird mir ganz anders.“ Sie sei erschüttert darüber, dass es keinen Konsens der politischen Mitte gebe. „So steuern wir auf Verhältnisse wie in der Weimarer Republik zu.“ So schwarz sieht Bürstadts Bürgermeisterin. Zumindest im Moment.
Zu den landesweiten Demos gegen ihre Partei sagt sie: „Ach, wir sind im Wahlkampf.“ Wer von seinem Antrag überzeugt sei, der müsse ihn auch stellen - ganz gleich, wer mitstimme, so Schader.
„Es geht um die Sache im demokratisch gewählten Bundestag“
Alexander Scholl, Fraktionsvorsitzender in Lampertheim, will dort im Juni zum Bürgermeister gewählt werden. Scholl bedauert ebenfalls den fehlenden Konsens der politischen Mitte. „Doch es muss sich etwas ändern in der Migrationspolitik. Die Kommunen kriegen das nicht mehr geregelt.“ Die Frage sei, wann Demokratie Demokratie sei, führe zu nichts. „Es geht um die Sache. Und die wurde von einem demokratisch gewählten Bundestag behandelt“, sagt Scholl.
Lampertheims Stadtverordnetenvorsteher Franz Korb macht es kurz. Er zitiert den ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck: „Unsere Herzen sind weit, aber auch unsere Mittel sind begrenzt.“ Dem sei eigentlich nichts hinzuzufügen.
Manuel Hegemann, CDU-Vorsitzender in Biblis, schließt sich den Befragten an. Und: „Unsere Haltung ist unmissverständlich: Die AfD ist eine gefährliche Partei. Sie stellt grundlegende Prinzipien unserer Verfassung infrage. Sie verachtet demokratische Institutionen und die repräsentative Demokratie. Deshalb sehen wir als CDU die AfD als politischen Gegner, mit dem es keine Zusammenarbeit geben kann.“
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