Schriesheim. Um die erwarteten Geflüchteten aus der Ukraine unterzubringen, will die Stadt Schriesheim ihre bestehenden Notunterkünfte am Sportzentrum erweitern. Dies hat der Gemeinderat nach hitziger Diskussion gegen die Stimmen der Grünen Liste beschlossen. Umstritten war nicht der Ausbau an sich, sondern der Standort.
Wie Stadtbaumeister Markus Dorn berichtete, muss Schriesheim voraussichtlich 175 Geflüchtete aus der Ukraine aufnehmen. Um sie unterzubringen, hat die Stadt bereits zum 1. April ein Dutzend Wohnungen angemietet, die teilweise auch schon belegt sind. Sie sucht daher weiterhin Wohnungen und Häuser, um sie anzumieten oder zu kaufen.
Da aber auch dies nicht ausreicht, soll die bestehende Obdachlosenunterkunft am Wiesenweg erweitert werden. Dort können vier Container gestellt werden, die zwölf Personen Platz bieten. Dorn mahnte eine rasche Entscheidung an, da die Lieferzeit für Container schon jetzt drei bis sechs Monate betrage. Die Kosten liegen bei 200 000 bis 250 000 Euro.
Die Grüne Liste lehnte den Standort Wiesenweg ab. Bei den Geflüchteten aus der Ukraine „handelt es sich vorwiegend um Frauen, Kinder, ältere Menschen und auch Menschen mit Behinderung“, begründete Stadträtin Dagmar Wenger. Viele davon seien traumatisiert. „Sie brauchen ein Umfeld, in dem sie sich gut aufgehoben und sicher fühlen.“ Das Obdachlosenquartier am Wiesenweg erfülle diese Bedingung nicht. Alternativ schlugen die Grünen die Freifläche an der KSV-Halle oder den Festplatz vor dem Rathaus vor.
Ja von CDU und Freien Wählern
„Wir können uns mit dem Wiesenweg gut anfreunden“, meinte dagegen die CDU-Vorsitzende Christiane Haase und begründete dies mit der schnelleren Verfügbarkeit an diesem Standort. Den Festplatz lehnte sie ab; dort seien die Geflüchteten „auf dem Präsentierteller.“
Auch die Freien Wähler unterstützten den Wiesenweg. „Wir haben ja einen gewissen Zeitdruck“, begründete Stadtrat Matthias Meffert. „Ich kann mir das auf dem Festplatz erst mal nicht vorstellen“, meinte er zu einer dortigen Unterbringung samt nötiger Einfriedung.
„Wir sind nicht glücklich über die Situation der Container am Wiesenweg, obwohl es dort ruhiger geworden ist“, machte Stadträtin Gabriele Mohr-Nassauer den Zwiespalt der SPD gegenüber dem Verwaltungsvorschlag deutlich: „Ich verstehe jeden, der den Antrag am liebsten ablehnen würde, mir geht es genauso.“ Gleichwohl stimmte die SPD zu. Auch, weil man „nicht Flüchtlinge zweier Klassen schaffen“ dürfe, von denen die einen auf den Festplatz dürfen und die anderen im Wiesenweg bleiben müssen.
„Der Wiesenweg ist für Notunterkünfte ein brauchbarer Standort“, meinte sagegen Wolfgang Renkenberger. „Der Festplatz hat schon zwei Funktionen: nämlich als zentraler Festplatz und auch als Parkplatz. Also zwei Funktionen, die für unser Gemeinwesen enorm wichtig sind“, argumentierte der Liberale: „Wenn man dort auch noch Menschen ansiedelt, wäre das eventuell eine Überbelastung, auch dieser Menschen“, mahnte er.
Am Tag nach der Sitzung stellte Renkenberger klar, „dass ich nicht Menschen mit Parkplätzen aufgerechnet oder verglichen habe“, wie er in einer Presseerklärung betonte: „Sollte durch eine unglückliche Formulierung meinerseits ein solcher Eindruck entstanden sein, tut es mir leid, und dann möchte ich mich entschuldigen.“ Anlass dafür war heftige Kritik von Grünen-Rätin Wenger: „Ich finde das unglaublich, mit was hier Menschen verglichen werden. Die sind weniger wert als ein Parkplatz. Da könnte ich heulen.“
Eindrucksvolle Schilderung
In einem bewegenden Appell schilderte Wenger ihre persönlichen Erlebnisse: „Ich war an der polnischen Grenze. Ich bin mit Frauen und Kindern im Bus zurückgefahren, die saßen weinend neben mir. Das waren Frauen, wie wir hier sitzen. Und diese Frauen haben im letzten Jahr ihre Kinder eingeschult, so wie wir unsere Kinder hier eingeschult haben. Und ich frage die Frauen und Eltern hier: Würdet Ihr Eure Kinder und Enkelkinder am Wiesenweg untergebracht sehen wollen?“
„Jeder Flüchtling, der hierher kommt, würde sich über diesen Platz mehr freuen, wie dass er vor Ort in der Ukraine, in Polen, in einem Zeltlager an der Grenze untergebracht ist“, verteidigte CDU-Fraktionschef Michael Mittelstädt den Standort Wiesenweg. Hier würden sie „in Sicherheit, in der Obhut des Gemeinderates von Schriesheim verwaltet.“ Zugleich plädierte er dafür, die Diskussion über Standorte „aus der Öffentlichkeit herauszuhalten“.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Ukrainische Flüchtlinge Im Schriesheimer Gemeinderat zu viel Klein-Klein