Schriesheim hat formell den ersten Schritt zur Ansiedlung von Windenergieanlagen auf seiner Gemarkung getan: In seiner Sitzung am Mittwoch beschloss der Gemeinderat mit breiter Mehrheit (21 zu 5) die „Prüfung der Windenergiepotenziale und deren Umsetzbarkeit auf Schriesheimer Gemarkung“. Diese soll gemeinsam mit dem benachbarten Dossenheim erfolgen, dessen Gemeinderat am Vortag einen identischen Beschluss gefasst hatte.
Wie aufgeheizt die Stimmung in dieser Frage ist, das zeigt sich bereits in der Bürgerfragerunde zu Beginn der Sitzung. Hans-Jörg Goerlach, Sprecher der Bürgerinitiative „Gegenwind“, fordert die Vertagung des anstehenden Beschlusses – und zwar bis nach dem 6. Oktober, wenn die BI eine Infoveranstaltung abhält. Sein Mitstreiter Eberhard fordert gar, mit einem solchen Beschluss „fünf oder zehn Jahre“ zu warten.
„Ihre Veranstaltung ist ein guter Beitrag zur Diskussion“, entgegnet Bürgermeister Christoph Oeldorf – „wenn wir prüfen, wozu heute ja der Auftrag ergehen soll“. Weitere Wortmeldungen, unter anderem vom AfD-Kreisrat Andreas Geisenheimer, blockt Oeldorf verbindlich, aber eindeutig ab: „Laut Gemeindeordnung sind in der Fragestunde keine Anträge zu stellen, sondern Fragen, und diese auch nicht zu Themen, die auf der Tagesordnung stehen.“
Dort rangiert das Thema als TOP 7 und kommt nach zwei Stunden an die Reihe, wobei Bauamtsleiter Markus Dorn seinen Sachvortrag mit den Worten einleitet: „Wir können dazu noch gar nicht viel sagen.“ Man stehe ja erst ganz am Anfang der Diskussion: „Wir fassen heute keinen Baubeschluss“, versichert er.
Nach Dorns Worten sind im Rahmen der Diskussion zahlreiche unterschiedliche Aktivitäten geplant. Dazu zählen eine Besichtigung ähnlicher Anlagen in Hessen und eine Bürgerinformationsveranstaltung.
Gleichwohl, so lässt Dorn durchblicken, macht man sich innerhalb der Verwaltung natürlich bereits Gedanken, etwa über eine mögliche Trägerschaft. Diese könnte zum Beispiel in Form einer zu gründenden Energiegenossenschaft erfolgen.
Grüne, SPD und CDU klar dafür
Oeldorf selbst macht ergänzend deutlich, was überhaupt der Beweggrund für die jetzige Vorlage ist: „Wir werden monatlich von Investoren befragt“, erläutert der Bürgermeister: „Und bislang wissen wir nicht, wie wir damit umgehen sollen.“
„Seitdem wir uns hier das letzte Mal mit diesem Thema befasst haben, haben sich die Rahmenbedingungen grundlegend geändert“, betont Bernd Molitor von den Grünen unter Hinweis auf eine neue Gesetzeslage und das gestiegene Bewusstsein für Energie als Folge des Ukraine-Krieges. „Deshalb ist es wichtig, zu überlegen, welche und wo andere Energiequellen man erschließen kann. Mehr ist es jetzt auch nicht.“
„Heute wird die Energiewende konkreter und greifbar“, formuliert dagegen SPD-Fraktionschef Sebastian Cuny erfreut und erinnert: „Die Position der SPD dazu ist seit Jahren schon sehr klar.“ Und zwar pro Energiewende – sowohl, um dem Klimawandel entgegenzuwirken, als auch, um Deutschlands Energieabhängigkeit von Dritten zu verringern.
In mehrfacher Hinsicht hat die Windkraft laut Cuny Vorteile: Nach drei bis sieben Monaten Betrieb sei sie finanziert, der Flächenverbrauch beim Bau gering. Gleichwohl: „Modernes Leben bedeutet Eingriffe in die Natur.“ All jene, „die die Energiewende auch in Schriesheim wollen“, ruft Cuny auf, sich aktiv an der Diskussion zu beteiligen: „Diejenigen, die kritisch und ablehnend sind, mobilisieren schon“, mahnt er unter Anspielung auf den Zuschauerraum.
„Die Energiewende kommt, und Windenergie ist dafür ein potenzieller Träger“, unterstützt CDU-Fraktionschef Michael Mittelstädt. „Nachdem Dossenheim zugestimmt hat, sollten auch wir weitermachen“, begründet er das Ja seiner Fraktion: „Wir wollen gerne mitarbeiten, damit wir auch mitbestimmen können.“ Das gesamte Verfahren müsse jedoch von einem Höchstmaß an Transparenz geprägt sein, fordert er.
Einzelstadträtin Liselore Breitenreicher stimmt ebenfalls zu: „Erst die Prüfung bringt uns die Informationen, die wir dringend brauchen.“
„Das Thema wurde in unserer Fraktion kontrovers diskutiert“, berichtet dagegen Bernd Hegmann von den Freien Wählern: „Dabei geht es nicht um Ja oder Nein zur Windkraft“, macht er jedoch klar. Am Ende der Prüfung und einem möglichen Ergebnis pro Windkraft müsse entschieden werden, ob für die Umsetzung ein Beschluss des Gemeinderates ausreiche oder ein Bürgerentscheid notwendig sei.
FDP- und AfD-Stadträte dagegen
„Wenn man der Überzeugung ist, dass Wälder-Abholzen und -Zubetonieren für den Klimaschutz absurd sind, könnte man auch heute schon gegen die Verwaltungsvorlage stimmen“, meint dagegen FDP-Fraktionschef Wolfgang Renkenberger. Anders als seine Fraktionskollegin, die Ortsvorsitzende Ulrike von Eicke, votiert er denn auch dagegen.
„Grundsätzlich ablehnend“ zeigt sich AfD-Stadtrat Thomas Kröber: Wer keine Windkraft wolle, brauche keine Potenziale zu prüfen. Insofern sei der jetzige Beschluss eine Vorentscheidung: „Jetzt soll was losgetreten werden, das man wahrscheinlich nie mehr aufhalten kann.“ Bevor Windräder kommen, müsse es einen Bürgerentscheid geben, so Kröber.
In der Abstimmung ist seine Gegenstimme eine von nur fünf. Die anderen kommen aus CDU (1), Freien Wählern (2) und FDP (1).
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Energiewende Schriesheims Einstieg in Windenergie überfällig und doch mutig