Schriesheim. Auch drei Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Bürgermeisters von Schriesheim hat Hansjörg Höfer eigentlich reichlich zu tun. „Langeweile kenne ich nicht“, versichert der topfitte 69-Jährige. Und dennoch hat er sich gerade eine Mammutarbeit, ja eine fast schon historische Aufgabe aufgeladen: den Erhalt der Strahlenburg für die Schriesheimer Bevölkerung. Denn Höfer ist neben Rainer Beisel und Thomas Rufer einer der drei Träger, ja das Gesicht der entstehenden „Bürgerstiftung Strahlenburg“ und ihres Ansinnens, das Wahrzeichen hoch über der Stadt zu erwerben.
Warum er sich das antut? An einen echten Schriesemer eine seltsame Frage. Aufgewachsen in der Altstadt, hat Höfer die Burg von kleinauf vor Augen. Und dennoch erfolgt die Initialzündung für Höfers jetziges Engagement durch einen Dritten: „Thomas Rufer hat mich angerufen“, berichtet er. Rufer hat ebenfalls eine sehr emotionale Verbindung zu dem mittelalterlichen Bauwerk. Dort haben er und seine Frau Brigitte einst ihre Hochzeit gefeiert.
Als bekannt wird, dass die Burg zum Verkauf steht, ist es Rufer, der Höfer kontaktiert, ihn fragt, ob er bereit wäre, sich einer Initiative anzuschließen, die sie erwerben, betreiben und damit für die Schriesheimer zugänglich halten will. Und er sagt zu.
Zugänglichkeit gefährdet durch Scheich oder Oligarchen
Denn diese Zugänglichkeit ist gefährdet. Durch einen arabischen Scheich oder einen östlichen Oligarchen, für die 3,5 Millionen Euro ein Klacks sind. „Der Verkauf an einen in- oder ausländischen Millionär ist sehr wahrscheinlich“, heißt es im Flyer der Initiative. „Wegen der Nähe zu Heidelberg und dem Flughafen Frankfurt“ wäre dies für einen solchen Personenkreis attraktiv. Zu vielleicht einem Abstecher im Jahr, für die Öffentlichkeit aber ganzjährig geschlossen. „Die Burg würde privat genutzt oder brachliegen. Das Burgtor bliebe dauerhaft zu.“
Und das ist kein Horrorszenario. Denn rein rechtlich ist das Schriesheimer Wahrzeichen nichts Anderes als ein Reihenhaus: nämlich ein Privatgebäude, mit dem der Eigentümer (fast alles) machen kann was er will, auf jeden Fall, es für die Öffentlichkeit schließen. Nur möglichen Umbauten setzt der Denkmalschutz für die Bausubstanz aus dem 13. Jahrhundert Grenzen, nicht jedoch für die in den zurückliegenden 100 Jahren erfolgte Anbauten.
Einzige Lösung ist der Kauf durch die Bürger selbst
Um die Burg für die Bürger offen zu halten, gibt es nur eine Möglichkeit: sie selbst zu erwerben. Der Kaufpreis beträgt 3,5 Millionen Euro. Doch wie aufbringen? Thomas Rufer ist erfahrener Steuerberater, und er weiß, welches die beste Variante ist, um dies umzusetzen: eine gemeinnützige Stiftung und Spenden. Und los geht‘s.
Als das bekannt wird, „gibt es einen Dammbruch“, formuliert Höfer: „Viele haben angerufen, Mails geschickt, kamen aber auch vorbei“, berichtet er. „Und bei allen war dies verbunden mit dem Dank, dass sich jemand für dieses Anliegen engagiert“.“ Manche wollen gleich Geld überweisen oder übergeben. Aber das ist jetzt weder sinnvoll noch möglich. „Erst muss die Stiftung gegründet werden.“ Zusagen für Spenden oder Darlehen werden jedoch schon jetzt angenommen.
Inzwischen sind dadurch schon mehr als 400.000 Euro zusammen. Da wird sicher noch Einiges dazukommen, aber irgendwann wird es stocken. Und so wissen die Organisatoren: Ohne Groß-Mäzene wird es nicht gehen. Die „üblichen Verdächtigen“ für so etwas in der Region sind klar. Höfer deutet an: „Entsprechende Gespräche werden geführt.“
Hoffnung setzen die Aktiven auch auf das Land, das ja zahlreiche Schlösser und Burgen sein Eigen nennt. Zumal aus dem Denkmalschutz-Status eine moralische Verantwortung zur Unterstützung für den Erhalt der Strahlenburg abgeleitet werden könnte.
Mit der grünen Landtagsabgeordneten Fadime Tuncer haben die Aktiven eine ideale Ansprechpartnerin, immerhin ist sie für eine verwandte Art historischer Bauwerke zuständig, nämlich Gedenkstätten. Ihr SPD-Kollege Sebastian Cuny wiederum hat bereits den Landesfinanzminister angeschrieben und seine weitere Hilfe angeboten.
Stadt kann nicht finanziell helfen, aber ideell
Von der Stadt allerdings ist kein Geld zu erwarten. Das hat Höfers Nachfolger Christoph Oeldorf bereits vor längerer Zeit klargemacht. Die Finanzlage der Kommune ist derart dramatisch, dass die Verwaltung froh ist, ihren Haushalt von der Aufsichtsbehörde genehmigt bekommen zu haben. Für größere Geldbeträge oder gar die vollen 3,5 Millionen ist dabei null Spielraum. Höfer hat dafür Verständnis.
Doch abgesehen davon kann die Stadt durchaus das tun, was ihr möglich ist. Eine große Hilfe ist es schon, wenn der Bürgermeister die Schirmherrschaft über das Projekt übernimmt und damit nach außen dessen Seriösität und Unterstützungswürdigkeit bezeugt. Praktische Hilfe wie die Zurverfügungstellung von kommunalen Räumlichkeiten für Veranstaltungen und Aktivitäten ist ebenfalls wertvoll. Thomas Rufer wird am Montagabend auf der Fraktionssprecher-Sitzung den Spitzen der Schriesheimer Kommunalpolitik das Konzept der Aktiven vorlegen.
Problem: Die Zeit drängt. Der wichtigste Miteigentümer, Hans-Peter Lange, ließ durchblicken, dass er den Verkauf „vor Beginn der nächsten Heizperiode“ abgewickelt haben will. Das bedeutet Mitte/Ende Oktober. Bis dahin müssen die 3,5 Millionen oder ein annähernder Betrag vorhanden sein. Ob dies gelingt oder was dann kommt, das ist völlig offen. Verschiedene Szenarien sind denkbar: Was passiert etwa, wenn die Initiative „nur“ zwei Millionen beisammen hat, es aber keine anderen Kauf-Interessenten gibt?
Nicht einfach ist die Sache auch auf Grund der personellen Zusammensetzung auf Seiten der Verkäufer: Der Heidelberger Bauunternehmer Lange kontrolliert 75 Prozent der Immobilie, vier Angehörige der Familie Lauer 25 Prozent. Einig werden müssen sich nicht nur Lange und die Lauers, sondern auch letztere untereinander.
Auch Sanierung und Nutzungskonzeption nötig
Darüber hinaus: Mit dem Kauf ist es nicht getan. Denn danach ist eine Sanierung unumgänglich, deren Kosten bislang auf 1,5 Millionen Euro geschätzt werden. Allerdings können diese durch Eigenleistungen noch gesenkt werden. „Das Waldschwimmbad hat gezeigt, dass so etwas funktioniert“, erinnert Höfer.
Und schließlich ist auch eine Nutzungskonzeption notwendig. Doch für die gilt als Hauptziel der Initiatoren: Die Burg offen halten für die Bevölkerung, als „Treffpunkt und Ort für frohe Begegnungen“, wie es im Flyer heißt. Mit kulturellen Veranstaltungen und privaten Feiern. Zu diesem Zweck muss die Burg natürlich bewirtschaftet werden, gastronomisch. „Mit gutbürgerlicher Küche“, wie Höfer sich wünscht.
Für all dies jedoch „besteht nur ein kleines Zeitfenster“, mahnen die Initatoren auf ihrem Flyer: „Die Gelegenheit bestand viele Jahrzehnte nicht und kommt in absehbarer Zeit nicht wieder. Diese einmalige Chance müssen wir nutzen.“
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