Schriesheim

Wie das Projekt Branich-Tunnel Schriesheim verwirklicht wurde

Genau vor zehn Jahren, am 1. August 2013, erfolgte der Durchstich des Branich-Tunnels Schriesheim, der drei Jahre später für den Autoverkehr eröffnet wurde. Dem Ereignis gingen jahrzehntelange Diskussionen voraus

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Konstantin Groß
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Es ist geschafft: Bürgermeister Hansjörg Höfer (l.) und seine Ehefrau Birgit Ibach-Höfer (2. v. r.) als Tunnelpatin am 1. August 2013 mit ihren „Patenkindern“, den Mineuren des Tunnelbaus. © Marcus Schwetasch

Schriesheim. Seit Jahrhunderten ist die Schriesheimer Talstraße zentrale Erschließungstrasse zwischen Odenwald und Rheinebene. Mit Pferdefuhrwerken und dem aufkommenden Autoverkehr in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts klappt das noch. Doch in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg macht die zunehmende Motorisierung im Zeichen des Wirtschaftswunders deutlich, dass dies nicht so bleiben kann. Es dauert aber ein halbes Jahrhundert, bis eine Lösung realisiert wird: Am 1. August 2013 erfolgt der Durchstoß durch den Branich-Tunnel, der drei Jahre später in Dienst gestellt wird.

Erste Ideen für eine Umfahrung der Talstraße kommen bereits in den 1950er Jahren auf. Dabei übrigens nicht zur Entlastung der Anwohner vom Verkehr mit seinem Gestank und Lärm, sondern für bequemeres Fortkommen des Individualverkehrs; Ziel ist die autogerechte Stadt.

Schriesheim Branichtunnel Eröffnung 18/06/16 Bild: Marcus Schwetasch © Marcus Schwetasch

Entsprechend sind die Pläne, die 1956 entstehen. Sie sehen eine Umgehungsstraße von Dossenheim her entlang des Berghanges unterhalb der Strahlenburg vor - nicht auszudenken, wie sich deren Silhouette heute präsentieren würde, wäre das umgesetzt worden. In den 1960er Jahren kommt eine zweite Variante auf: am Hang des Branich.

Auch die Zielsetzung ändert sich, als die Zustände in der Talstraße immer schlimmer werden. Es sind die Anwohner Valentin Merkel und Philipp Gaber, die am 7. November 1973 eine Bürgerinitiative gründen, um den aktuellen Bürgermeisterwahlkampf dafür zu nutzen, ihr Anliegen voranzubringen. Mit ihrem Kalkül ist die BI erfolgreich: Der Wahlsieger Peter Riehl ist Mitglied ihrer Initiative. Seine ganze Amtszeit über, 32 Jahre, wird er halten, was er im Wahlkampf versprochen hat: sich dem Ziel eines Tunnels zu verschreiben.

Im August 1976 beschließt der Gemeinderat einen entsprechenden Antrag an die Landesregierung. „Das Planfeststellungsverfahren wird schwierig“, antwortet der für Verkehr zuständige Wirtschaftsminister Rudolf Eberle (CDU) - und er sollte damit wahrlich Recht behalten.

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Zunächst setzt Riehl alles daran, das Projekt in der Straßenbauplanung des Landes, dem Generalverkehrsplan, zu verankern. Wichtige Etappe wird eine Bürgermeisterkonferenz mit dem zuständigen Minister Dietmar Schlee (CDU). Anstatt wie seine Amtskollegen für ihr Anliegen Plädoyer zu halten, sagt Riehl: „Auch ich könnte hier mein Projekt jetzt wortreich vorstellen, doch bei uns in Schriese wird um 12 Uhr zu Mittag gegessen.“ Und macht einen unkonventionellen Vorschlag: „Herr Minister, machen Sie eine Pause und kommen Sie mit uns zu einem Vesper nach Schriesheim und verschaffen Sie sich dort vor Ort selbst einen Eindruck von der Talstraße.“

So gelingt es, dem Minister die Lage vor Ort zu demonstrieren - es ist Freitagmittag, Berufsverkehr, und in der Talstraße geht mal wieder nichts. „Ja, ich bin überzeugt“, bekennt denn auch der Minister. Und das Projekt Branich-Tunnel landet im Generalverkehrsplan des Landes. Die erste Hürde ist also geschafft.

Dennoch müssen viele weitere genommen werden, auch in Schriesheim selbst. Dies betrifft vor allem den Widerstand der Umweltschützer vom BUND und den Grünen.

Trotz allem: 1995 kommt das Projekt im Generalverkehrsplan sogar in den „Vordringlichen Bedarf“, fünf Jahre später wird das Planfeststellungsverfahren eingeleitet. Doch im März 2001 müssen alle Pläne wieder überarbeitet werden; nachdem die Bundesregierung in Folge mehrerer dramatischer Tunnel-Unglücke in der Schweiz höhere Anforderungen an die Sicherheit stellt, müssen Fluchtstollen eingeplant werden.

Kurz danach ein weiteres Hindernis: das Neubaugebiet Nord, das unmittelbar an der Einfahrschneise des Tunnels liegt. Als auch dies berücksichtigt ist, überbringt Regierungspräsidentin Gerlinde Hämmerle am 20. Oktober 2004 im Rathaus persönlich den Planfeststellungsbescheid. Jetzt fehlt „nur“ noch das Geld. Damals rechnet man mit 45 Millionen Euro - am Ende sind es 92 Millionen.

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Mehrmals ist Peter Riehl auf Vermittlung des Landtagsabgeordneten Georg Wacker zu Gesprächen in Stuttgart. Bei jenem mit Verkehrsminister Stefan Mappus, dem späteren Ministerpräsidenten, kommt es 2005 zum Eklat. Es wird sehr laut. Vize-Bürgermeister Siegfried Schlüter, eigentlich ein CDU-ler durch und durch, reagiert mit der Bemerkung: „Ich bin jetzt schon so lange in der CDU. Aber das, was ich hier erlebe, ist eigentlich ein Grund auszutreten.“ Doch Mappus setzt sich nicht durch. Denn noch ist Günther Oettinger sein Chef und hat das Sagen. Und er ist derjenige, der dem Tunnel auch zum Durchbruch verhilft.

Den Anlass bildet kurioserweise ein Eisenbahn-Projekt: Stuttgart 21. Angesichts der Milliarden-Investitionen in der Hauptstadt sieht sich die Landesregierung aus politischen Gründen gezwungen, im Sinne der Ausgewogenheit Großprojekte der Verkehrsinfrastruktur auch in anderen Landesteilen umzusetzen.

In Nordbaden stehen dafür der Tunnel und die Ladenburger Brücke zur Auswahl. Doch im Gegensatz zu dieser beruht die Planung des Tunnels nicht nur auf einem breiten politischen Konsens in der Region, sondern ist auch bereits rechtskräftig.

Am 22. Januar 2008 kündigt Oettinger vor der Landespressekonferenz in Stuttgart ein Sonderprogramm der Landesregierung für den Straßenbau in allen Regierungsbezirken an. Für Nordbaden ist der Branich-Tunnel Schriesheim enthalten. Zehn Monate später bereits erfolgt der Erste Spatenstich.

Der Bau ist ein technisches Meisterwerk. 40 Meter Höhenunterschied werden überwunden. Der Tunnel befindet sich bis zu 130 Meter tief im Berg, der aus festem Granit besteht. Sprengungen sind nötig. 170 000 Kubikmeter Aushub werden entfernt, was 17 000 Lkw-Ladungen entspricht. Am 1. August 2013 erfolgt der symbolische Durchstich durch Tunnelpatin Birgit Ibach-Höfer, die Ehefrau des Bürgermeisters. Es folgt der Ausbau im Inneren.

Am 18. Juni 2016 wird der Tunnel eingeweiht. Doch die Freigabe für den Autoverkehr kann nicht erfolgen - ein Defekt in der Sicherheitstechnik. Erst vier Tage später kann die Umgehung befahren werden und entlastet seither die Talstraße um Tausende von Fahrzeugen täglich.

Schriesheim Arbeiten im Tunnel 11/10/12 Bild:Marcus Schwetasch © Marcus Schwetasch
Luftbild, Luftbilder Schriesheim, Zufahrt Branichtunnel, Branich-Tunnel Bild: bjz 17.09.2018 © Bernhard Zinke

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