Wie können nationalistische Beiträge eines AfD-nahen Vereins im Amtlichen Mitteilungsblatt der Stadt verhindert werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Gemeinderat zum dritten Mal innerhalb von anderthalb Jahren am Mittwochabend. Die Entscheidung wird knapp: Den Antrag von Bürgermeister Christoph Oeldorf unterstützen CDU, Freie Wähler und FDP, abgelehnt wird er von AfD, Grünen und SPD.
Gebot der Gleichbehandlung ?
Hintergrund: Die Weinstadt ist eine Hochburg des Rechtspopulismus, was 2022 sogar Thema im Landtag war. Nicht nur, weil die AfD Schriesheim ein Mitglied im Gemeinderat und gleich zwei Kreisräte im Kreistag stellt. AfD-Stadtrat Thomas Kröber ist Vorsitzender eines „Demokratie- und Kulturvereins“.
Dieser veröffentlicht regelmäßig Beiträge in AfD-Diktion im Amtlichen Mitteilungsblatt der Stadt - im normalen Veröffentlichungsteil für Vereine, neben Gesangs- und Turnvereinen. „Wir sind an das Gebot der Gleichbehandlung gebunden“, heißt es im Rathaus. Nur die extremsten Entgleisungen hat die Verwaltung daher bislang abgelehnt.
Der Verlag könnte problematische Beiträge viel einfacher ablehnen.
So verfiel sie auf die Idee, das Mitteilungsblatt abzugeben - an den Nussbaum-Verlag, der das Schriesheimer Blättel wie viele andere in der Region bereits druckt. Das zentrale Argument steht in der Verwaltungsvorlage: „Als Herausgeber ist Nussbaum Medien nicht im gleichen Maße an das Neutralitätsgebot gebunden wie es die Stadt ist.“ Sprich: Der Verlag könnte problematische Beiträge viel einfacher ablehnen.
Ein erster Anlauf der Verwaltung scheiterte zu Beginn des Jahres im Gemeinderat. Freie Wähler und FDP machten noch Diskussionsbedarf geltend. Der scheint nun gedeckt. So sollen beide sowie Einzelstadträtin Liselore Breitenreicher wie von Anfang an die CDU dafür sein; bei diesen vier Gruppierungen handelt es sich übrigens exakt um jene, die Christoph Oeldorf im Bürgermeisterwahlkampf unterstützt hatten.
AfD, Grüne und SPD dagegen
Auf der anderen Seite stehen jene, die das nicht taten: natürlich die AfD, aber auch Grüne und SPD. Zentrales Argument der Grünen: „Unserer Einschätzung nach wird auch der Nussbaum Verlag die rechtspopulistischen Artikel nicht verhindern“, so Fraktionschef Christian Wolf: „Er hat sich dazu nie geäußert und sich auch nicht dazu verpflichtet. Der Nussbaum Verlag hat richtige Vereinbarungen vermieden.“
DuK-Verein im Amtsblatt
Am 21. September 2022 propagiert Vorsitzender Thomas Kröber die rechte Theorie vom „Bevölkerungsaustausch“, der „von Regierungsseite, den angeschlossenen Medien und vom abhängigen Bundesamt für Verfassungsschutz . . . vehement bestritten“ werde.
Am 5. Oktober 2022 kritisiert Kröber die offizielle Einbürgerungsfeier der Stadt: „Ist damit gemeint, dass man vermehrt Frauen mit Kopftuch und langen Mänteln sowie Männer mit Bärten auf den Straßen sieht?“
Für die Ausgabe 14. Dezember 2022 wollte er den Satz veröffentlichen: „Aber auch jede Menge Mörder, Vergewaltiger, Deserteure und Psychopathen strömen in unser Land.“ Diesen lehnte die Stadt ab.
„Eine Übertragung auf externe Dienstleister würde das Problem nicht lösen, sondern nur verlagern“, ergänzt Grünen-Stadträtin Fadime Tuncer, zugleich Landtagsabgeordnete. Auch SPD-Fraktionschef Sebastian Cuny sieht „nicht, wie durch die Privatisierung der redaktionellen Verantwortung verfassungsfeindliche Beiträge besser verhindert werden sollen.“ Cuny, ebenfalls Landtagsabgeordneter, ergänzt: „Es erhöht eher das Risiko, dass Redaktion auf Basis privatwirtschaftlicher Interessen durchgeführt wird.“
Und wie sollen nach Meinung von Grünen und SPD derartige Beiträge künftig verhindert werden? Indem die bestehenden Regeln endlich angewendet werden, was bisher nicht geschehe, wie beide Parteien kritisieren. „Wir sind der Meinung, dass mit den bestehenden, vom Gemeinderat verabschiedeten Richtlinien viele rechtspopulistischen Artikel hätten verhindert werden können“, sagt Christian Wolf: „Unserer Meinung nach wendet das Rathaus diese Richtlinien aber nicht an.“
Richtlinien konsequent anwenden
„Die bestehenden Richtlinien des Mitteilungsblattes bieten heute schon diese Möglichkeiten“, betont Fadime Tuncer: „Jedoch werden diese aktuell bedauerlicherweise nicht in den von mir gewünschten Maßen konsequent angewendet.“ Und auch Sebastian Cuny mahnt: „Die aktuellen Richtlinien verpflichten schon heute die Verwaltung und den Bürgermeister, Beiträge, die die Grenzen der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit überschreiten, nicht zu veröffentlichen.“
Auf die Frage, ob sie sich bei einer Abstimmung mit der AfD nicht in schlechter Gesellschaft fühlen, antworten Tuncer und Cuny ausweichend. „Sowohl im Landtag als auch auf kommunaler Ebene kritisiere ich das Verhalten der AfD“, sagt Tuncer. Und Sebastian Cuny versichert: „Ich stehe auf der Seite der Meinungsfreiheit und unserer Demokratie.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Rechtspopulismus Schriesheim: Grüne und SPD stehen auf der falschen Seite