Schriesheim

Uhu verdreht Schriesheimern den Kopf

Seit gut einem Jahr lebt die Vogeldame bei Falknerin Sandra Merkel. Seitdem hat sie es zu einer gewissen Berühmtheit gebracht

Von 
Jasper Rothfels
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Falknerin Sandra Merkel mit Uhu Tinkerbell in den Weinbergen unterhalb der Strahlenburg in Schriesheim. © Jasper Rothfels

Schriesheim. Tinkerbell ist 13 Jahre alt, und sie kann schon mal etwas zickig sein. Dann faucht sie viel und bewegt sich nervös auf der Hand. Tinkerbell ist nämlich kein gewöhnlicher Teenager, sie ist ein weiblicher Uhu. Zickig ist sie aber selten. „Man kann sie gut anfassen, auch Fremde können das“, sagt Falknerin Sandra Merkel. Die fast drei Kilo schwere Uhu-Dame und ihr Partner Bob leben seit gut einem Jahr bei Merkels in einer Voliere, und in dieser Zeit hat Tinkerbell es zu einer gewissen Berühmtheit gebracht – etwa bei Schul- und Kindergartenkindern.

Großer Jäger mit Rundumblick

Der Uhu zählt zu den größten lebenden Eulenarten. Er kann bis zu 75 Zentimeter groß werden und eine Spannweite bis zu 180 Zentimetern erreichen.

Männchen sind nach Angaben der Schriesheimer Falknerin Sandra Merkel kleiner als Weibchen.

Der in der Dämmerung aktive Jäger kann den Kopf um 270 Grad drehen und damit von hinten nahende Beutetiere oder Feinde erblicken, ohne den gesamten Körper drehen zu müssen.

Zu den besonderen Kennzeichen des Uhus gehören seine Federohren. Der Vogel hat ein rundes Gesicht und dazu große, orangefarbene Augen, die nach vorn gerichtet sind.

In freier Wildbahn kann er bis zu 25 Jahre alt werden, in Gefangenschaft über 60 Jahre. Der Rekord liegt bei 68 Jahren. jar

Denn Sandra Merkel informiert – gerne auch mit einer Freundin, die einen Bussard hat – schonmal im Kindergarten oder in einer Schule oder bei anderen Kinder-Events über ihr Tier. Das Interesse ist groß. „Tatsächlich habe ich mich noch nie irgendwo angeboten, sondern die Anfragen kamen immer von allein“, sagt die 35-Jährige. Noch beschränkt sich ihr ehrenamtliches Engagement auf Schriesheim, aber demnächst ist sie in Heidelberg, und auch aus Mannheim und Heiligkreuzsteinach lägen bereits Anfragen vor, so die Tierpflegerin, die hauptberuflich beim DKFZ arbeitet.

Durchdringende Augen

Dass die verheiratete Mutter zweier Kinder sich auf diese Weise engagiert, hat auch mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu tun, die die Kinder oft ans Haus fesselte. „Die kennen sich mit Konsolen und Handys und Fernseher besser aus als mancher Erwachsene“, so die 35-Jährige. Aber von dem, was draußen passiere, bekämen viele gar nichts mehr mit. Mit dem Uhu habe sich die Gelegenheit geboten, den Kindern „ein bisschen die Natur näher zu bringen“. Und wenn sie es schaffe, dass danach nur ein Schulkind mit anderen Augen in den Wald gehe, „habe ich eigentlich schon viel erreicht“. Nach ihrer bisherigen Erfahrung haben viele Kinder Respekt vor dem großen Vogel, dessen orangefarbene und starre Augen für einen durchdringenden Blick sorgen. Das gelte vor allem in den Kindergärten, wo Mädchen angesichts des Uhus schon mal nach der Hand der Erzieherin griffen, sagt die 35-Jährige. Kinder der fünften bis siebten Klassen seien sehr interessiert, in höheren Klassen könne die Pubertät schon mal dafür sorgen, dass etwas überdreht auf Tinkerbell reagiert werde.

Auch Erwachsene sind fasziniert, wenn sie mit dem Tier auf der Hand unterwegs ist. Sie hielten an und stellten Fragen, sagt die Falknerin. So habe kürzlich der Rückweg nach einem Kindergartenbesuch eineinhalb Stunden gedauert, berichtet sie amüsiert, dabei sind es nur ein paar hundert Meter nach Hause. Tinkerbell macht aber nicht nur optisch etwas her, auch akustisch haben sie und Bob etwas zu bieten. In der näheren Umgebung hört man sie abends und nachts mitunter rufen, es sind die charakteristischen Laute, nach denen das Tier benannt ist.

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Und sie bleiben nicht ungehört. Nach Sandra Merkels Eindruck haben sich seit der Ankunft der beiden wesentlich mehr Uhus im Umkreis angesiedelt, vor allem zur Balzzeit und bei Vollmond gebe es „sehr viel Akustik“, sagt sie: „Ich habe mal nachts sogar bis zu fünf Stück gezählt, die ich gehört habe.“

Während die anderen Uhus frei sind, leben Tinkerbell und der etwas wildere Bob in Gefangenschaft, denn sie kennen es nicht anders. Wenn die Uhu-Dame auf Sandra Merkels Hand sitzt, sorgen ein Lederband am Fuß und eine Sicherungsleine am Handschuh dafür, dass Tinkerbell nicht abheben kann. „Wenn ich sie fliegen lasse, würde sie nicht wieder zurückkommen“, sagt die Falknerin. Und ob die Vögel in der Wildnis zurechtkämen, sei ungewiss, denn sie seien das aktive Jagen nicht gewohnt.

Nach Darstellung von Sandra Merkels Mann Michael waren Tinkerbell und der ein Jahr jüngere Bob vorher auch falsch gehalten worden. Ein junges Mädchen habe sich die Vögel beschafft, obwohl es keine Falknerausbildung hatte. Als sie aufflog, landeten die Vögel in der Falknerei, von wo aus sie zu Sandra Merkel kamen. Für Tinkerbell endete in dieser Zeit auch ein Missverständnis. Sie sei bis dahin nämlich für einen männlichen Uhu gehalten und „Apollo“ genannt worden, so Sandra Merkel. Als sie aber das Verhalten eines weiblichen Tieres zeigte, wurde ihr Blut untersucht, was Klarheit brachte. So wurde aus Apollo „Tinkerbell“, die so heißt wie die Fee aus dem Peter-Pan-Märchen. Ein Haus- oder Schmusetier sei Tinkerbell für sie aber nicht, so Sandra Merkel.

Zu Lehrzwecken eingesetzt

Die Voliere der Uhus hat Michael Merkel gebaut, sie sei mit ungefähr fünf auf fünf auf vier Metern deutlich größer als vorgeschrieben, sagt der Schlosser. Sich an die Vorschriften zu halten, ist wichtig, denn die Behörden achten darauf. Bei der Stadt ist bekannt, dass Sandra Merkel als Falknerin einen Uhu hat, der beim Veterinäramt gemeldet ist und zu Lehrzwecken eingesetzt wird. Gefüttert werden die Uhus mit toten Küken, toten Mäusen oder auch mal mit Wildfleisch, denn die Merkels sind Jäger – eine Beschäftigung, die nach Sandra Merkels Worten auch der Hege der Wildtiere dient. Über die Jagd kam sie zur Falknerei, zusammen mit einer Freundin machte sie bei einer Jagdschule den Falknerschein. Dann sei auch bald die Anfrage der Falknerei gekommen, ob sie die Uhus übernehmen wolle.

Merkels haben außerdem drei Hunde, Hühner, Gänse und Zwergschafe. Letztere weiden in ihren Weinbergen, denn die Merkels betreiben auch ein Weingut. Sandra Merkel war 2006/07 Schriesheimer Weinprinzessin, ihre Schwester Weinkönigin. Der Rebensaft der Merkels wird vom Schriesheimer Winzer Georg Bielig ausgebaut, außerdem ist Sekt in Planung. Tinkerbell hilft indirekt mit – als „Highlight“. So war sie bei der Weinwanderung am Merkel-Stand zeitweise mit von der Partie.

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