Schriesheim. Lange ist die Staatsangehörigkeit für sie selbst und für ihre Umwelt keine Frage von Bedeutung. Jahre-, zuweilen jahrzehntelang leben und arbeiten sie mitten unter uns, um sich dann aber doch zu entschließen, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. In Schriesheim werden sie danach traditionell vom Bürgermeister offiziell begrüßt - nun wieder nach drei Jahren Corona-Pause.
In diesen zurückliegenden drei Jahren waren es 60 in Schriesheim lebende Personen, die Deutsche wurden, also durchschnittlich 20 pro Jahr - mit leichten Abweichungen. 2019 etwa waren es 31, 2020 nur zwölf. Auch die Herkunftsländer variieren, nicht zuletzt aus politischen Gründen. So stammten 2018 die meisten Eingebürgerten in Schriesheim aus Großbritannien - ganz offensichtlich eine Folge des Brexits.
Der juristische Akt der Einbürgerung bleibt natürlich Sache des Kreises als Träger der Ausländerbehörde, doch die offizielle Begrüßung findet vor Ort in Schriesheim statt, und zwar seit fast zehn Jahren. Denn im Oktober 2013 hatte der Gemeinderat auf Antrag der FDP einstimmig beschlossen (damals saß die AfD eben noch nicht im Gremium), Eingebürgerte in Schriesheim durch die Stadt offiziell willkommen zu heißen - und zwar symbolisch durch einen Handschlag des Bürgermeisters.
Empfang am Ende der Aktionwoche "Schriesheim ist bunt"
Um die Bedeutung dieses Aktes auch für ihn persönlich zu unterstreichen, entschied der damalige Rathaus-Chef Hansjörg Höfer, dies jeweils zu Beginn einer regulären Ratssitzung vorzunehmen. „Ganz bewusst erfolgt dies vor dem Gemeinderat unserer Stadt“, begründete Höfer damals seine Entscheidung: „Denn hier ist der zentrale politische Ort unserer Gemeinde.“ Im September 2014 war Premiere, zuletzt fand die Veranstaltung im September 2019 statt. Dann sorgte Corona für eine drei Jahre lange Pause.
Nun wurde daran wieder angeknüpft. Der Empfang erfolgte als Schluss- und Höhepunkt der Aktionswoche „Schriesheim ist bunt“, und zwar als eigenständige Veranstaltung im Historischen Zehntkeller. Eingeladen waren alle Personen, die in den zurückliegenden drei Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hatten. Sieben nahmen teil, zumeist mit ihrer Familie. Man spürte: Sie freuen sich, ja sind stolz, nun auch deutsche Staatsbürger zu sein.
Die Biografien der Sieben zeugen von den unterschiedlichsten Lebensläufen, die sie nach Deutschland geführt haben. Einer stammt aus dem Irak, kam schon vor 20 Jahren in die Bundesrepublik und arbeitet in einem Supermarkt an der Bergstraße. Mit seiner deutschen Frau und seinen beiden Kindern lebt er im Ortsteil Altenbach. Dort wohnen auch die beiden Männer, die vor elf Jahren aus dem Iran kamen; einer arbeitet ebenfalls in einem Lebensmittelmarkt, der andere ist Monteur.
Unter den Übrigen befindet sich eine Frau aus Kolumbien, die 2008 zum Studium in Heidelberg nach Deutschland kam, eine Frau aus Budapest, ein Brite und eine Frau aus dem französischen Nancy.
In seiner Rede unterstrich Bürgermeister Christoph Oeldorf die Bedeutung von Migration auch für Schriesheim, angesichts sinkender Einwohnerzahlen. Schließlich würden die Eingebürgerten dazu beitragen, „dass das Leben hier bunter wird“. Wichtig sei ihm, „dass Sie sich hier zu Hause fühlen“, betonte der Rathaus-Chef. Zudem rief er sie dazu auf, sich an der politischen Willensbildung und am gesellschaftlichen-kulturellen Leben zu beteiligen.
AfD-Stadtrat Kröber nicht anwesend
In Anschluss an den kurzen offiziellen Teil folgte der aber nicht minder wichtige Empfang: In geselliger Atmosphäre bestand Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen und zu persönlichen Gesprächen zwischen den „Neubürgern“ mit „ihrem“ Bürgermeister und den Mitgliedern des Gemeinderates.
Politische Gruppierungen waren durch Stadträte, teilweise sogar durch ihre Fraktionsvorsitzenden vertreten. Alleine AfD-Stadtrat Thomas Kröber blieb fern und kritisierte stattdessen bereits im Vorfeld die Veranstaltung und die Aktionswoche, in die sie eingebettet war: „Ist damit gemeint, dass man vermehrt Frauen mit Kopftuch und langen Mänteln sowie Männer mit Bärten auf den Straßen sieht?“, schrieb er in einem Beitrag des von ihm geführten „Schriesheimer Demokratie- und Kulturvereins“. Und weiter: „Sicher meint die Verwaltung nicht die auch in Schriesheim zahlreichen schmuddeligen und heruntergekommenen Ecken mit fremdländischen Namen an den Türschildern“.
Diese Zeilen wurden am 5. Oktober im Amtlichen Mitteilungsblatt der Stadt unkommentiert veröffentlicht. Der Versuch des früheren Bürgermeisters Höfer, derartige Formulierungen durch eine Änderung der Regularien für Publikationen im Mitteilungsblatt unmöglich zu machen, scheiterte im September 2021 am Widerstand des Gemeinderats. Eine Neuregelung steht weiter aus.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Unappetitliche Kritik an einer guten Sache