Schriesheim

Schriesheimer Gemeinderat zögert: Rechte Beiträge vorerst weiter möglich

Der Schriesheimer Gemeinderat hat die Neuregelung für das Amtliche Mitteilungsblatt vertagt. Mit ihr wollte die Verwaltung künftig rechtspopulistische Beiträge verhindern

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Konstantin Groß
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Neben dem Mitteilungsblatt veröffentlicht der AfD-nahe Verein in Schriesheim in einer eigenen „Zeitung“, die mehrmals im Jahr stadtweit verteilt wird. © repro
Der frühere Bürgermeister Georg Rufer. © Archiv

Schriesheim. Schriesheim bekommt zwei neue Platznamen: Der Bereich vor dem Historischen Rathaus wird nach dem ersten Badischen Staatspräsidenten Anton Geiß benannt, jener vor dem Zehntkeller nach dem früheren Bürgermeister Georg Rufer. Dies hat der Gemeinderat am Mittwoch einstimmig beschlossen. Vertagt wurden dagegen die Neuerungen beim Mitteilungsblatt, durch die künftig rechtspopulistische Beiträge verhindert werden sollten.

Der gemeinsame Antrag von SPD und FDP zur Platzbenennung (wir berichteten) stieß auf breite Zustimmung. Die beiden SPD-Politiker Geiß und Rufer stünden für eine der drei Parteien (neben Liberalen und Zentrum bzw. CDU), die die Demokratie nach 1918 und nach 1945 getragen hätten, betonte FDP-Fraktionschef Wolfgang Renkenberger.

Sein SPD-Kollege Sebastian Cuny strich vor allem die aktuelle Symbolkraft dieser Ehrung heraus: „Unsere Demokratie ist täglich Angriffen ausgesetzt, selbst hier in unseren Reihen“, formulierte er unter Anspielung auf AfD-Stadtrat Kröber, der dennoch ebenfalls zustimmte.

AfD-Politik als Verein

Noch unentschlossen in punkto wehrhafter Demokratie zeigte sich das Gremium beim Hauptthema des Abends: Der TOP „Abgabe des Amtsblattes an den Nussbaum-Verlag“ wurde vertagt. Anlass der von der Verwaltung beantragten Neuregelung sind die Beiträge des von AfD-Stadtrat Kröber geführten „Demokratie- und Kulturvereins“.

Die Aktivitäten des Vereins waren im Herbst sogar Thema im Landtag. „Welche Strukturen die AfD initiiert bzw. unterhält, um einen verfassungsfeindlichen Kurs voranzutreiben, ist Gegenstand der weiteren Beobachtung“, antwortete Landesinnenminister Thomas Strobl damals auf eine parlamentarische Anfrage der Schriesheimer Landtagsabgeordneten Fadime Tuncer (Grüne).

Mit seiner Gründung 2021 bekam der Verein als Schriesheimer Organisation gemäß geltender Regularien für das Amtliche Mitteilungsblatt der Stadt aber das Recht, darin eigene Artikel zu publizieren. Im Veröffentlichungsteil für Vereine schreibt der AfD-Stadtrat in seiner Funktion als Vorsitzender dieses Vereins seither zu politischen Fragen aus AfD-Sicht, und dies ausgesprochen polemisch.

Am 5. Oktober zum Beispiel kritisierte er die offizielle Einbürgerungsfeier der Stadt mit den Worten: „Ist damit gemeint, dass man vermehrt Frauen mit Kopftuch und langen Mänteln sowie Männer mit Bärten auf den Straßen sieht?“ Empörung löste auch der hiesige Beitrag eines gewissen Lukas Huber aus: „Was, bitteschön, soll an der deutschen Nationalmannschaft noch deutsch, national oder männlich sein?“, formulierte dieser im Sommer 2021: „Eine deutsche Fußballnationalmannschaft . . . ist als Kulturträger und sportlicher Repräsentant des Deutschtums in der moralischen Pflicht, in aller Konsequenz deutsche Tugenden . . . zu vertreten.“

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Noch radikalere Formulierungen verhinderte die Verwaltung schon bisher. So wollte Kröber im Amtsblatt zur Asylpolitik den Satz platziert haben: „Aber auch jede Menge Mörder, Vergewaltiger, Deserteure und Psychopathen strömen in unser Land.“ Den publizierte er dann eben auf der Website seines Vereins.

Schwierige Suche nach Lösung

Bereits der frühere Bürgermeister Hansjörg Höfer versuchte, diesem Treiben mit einer Änderung der Veröffentlichungsrichtlinien Einhalt zu gebieten. Da dies jedoch alle Vereine betroffen hätte, scheiterte er 2021 im Gemeinderat, vor allem an seiner eigenen Fraktion, der Grünen Liste.

Sein Nachfolger Christoph Oeldorf versucht seit seinem Amtsantritt im Februar 2022, eine neue Lösung zu finden, und zwar in vielen nicht-öffentlichen Beratungen mit den Fraktionsvorsitzenden, an denen der AfD-Mann als Einzelstadtrat nicht teilnehmen kann. Viele Varianten wurden verworfen, bis nun eine Lösung gefunden zu sein schien.

Demnach übergibt die Stadt das Mitteilungsblatt an den Nussbaum-Verlag, der es bislang bereits druckt. „Als Herausgeber ist Nussbaum Medien nicht im gleichen Maße an das Neutralitätsgebot oder die Gemeindeordnung gebunden, wie es die Stadt ist“, hieß es zur Begründung. Einen entsprechenden Antrag setzte Oeldorf auf die Tagesordnung des Rates für vergangenen Mittwoch.

Zwei Tage zuvor jedoch, am Montagabend, erhob sich in der Fraktionssitzung der Freien Wähler Zweifel. „Wir haben noch Aufklärungsbedarf“, sagte deren Chef Bernd Hegmann am Mittwochabend im Gemeinderat und beantragte daher Vertagung. „Klärungsbedarf“ machte auch Wolfgang Renkenberger geltend. Allerdings mahnte er, die offenen Fragen bis zur nächsten Sitzung am 1. März abschließend zu klären.

Eine Entscheidung in der nächsten Sitzung verlangte auch CDU-Stadträtin Andrea Diehl. Sebastian Cuny stimmte zwar ebenfalls für Vertagung: „Doch wir hätten sogar heute schon entscheiden können.“

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